Habt ihr persönliche nostalgische Erinnerungen an Karstadt?
Im vergangenen Jahrhundert war Karstadt wohl eine der bekanntesten und größten Warenhausketten Deutschlands. Kaum eine Mittel- oder Großstadt ohne seine ganz eigene Karstadtfiliale. Das im neunzehnten Jahrhundert gegründete Unternehmen war gerade in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts das Aushängeschild für die aufstrebende deutsche Konsumlandschaft der damaligen Zeit. Nun schließt dieses Flaggschiff des deutschen Wirtschaftswunder aufgrund wirtschaftlicher Schieflage viele seiner Türen.
Karstadt war aber, wenn ich einem Spiegelartikel und auch meiner eigenen Erfahrung glauben soll und darf, nicht nur ein wichtiger Arbeitgeber und Konsumtempel, sondern immer auch ein Treffpunkt für Menschen aus allen Gesellschafsschichten. Neben einer breiten Produktpalette und Dienstleistungen bot das Warenhaus für viele auch einen Ort, wo man einfach Zeit verbringen konnte. Bei manchen Menschen führt diese Erinnerung regelrecht zu nostalgischen Anwandlungen. Wer kennt die Restaurants nicht mehr, wo es schlechte Gerichte, aber ein Gefühl des Erwachsenseins gegeben hat, wenn man sich von seinen einzigen zehn Mark einen Teller Spaghetti und eine Cola bestellte.
Persönlich ist mir vor allem auch noch die Musikabteilung in Erinnerung geblieben, wo wir uns als Teenager in der Stadt gerne aufhielten, um die neuesten musikalischen Errungenschaften unter die Lupe bzw. die Lauscher zu nehmen. Oder man hat schnell ein paar Passbilder schießen lassen, weil das die einzige Möglichkeit war, rasch an ein paar Selfies oder lustige Paarbilder zu kommen. Vermutlich kennt auch jeder noch das Gefühl, an einem kalten Wintertag aus der Kälte kommend über die warmluftblasenden Lüftungsschächte zu laufen und in eine Welt aus Wärme, Licht und Konsumgütern einzutauchen.
Habt ihr auch noch ganz spezielle Erinnerungen an Karstadt oder war das für euch nur ein Warenhaus wie jedes andere auch? Hatte die Kette ein Alleinstellungsmerkmal, wie viele es ihr im Nachhinein zuschreiben? Wenn das so, warum ist der ganze Laden so im Untergang inbegriffen? Liegt es vor allem am Internet und der sinkenden Attraktivität der Innenstädte?
Mit dem Namen Karstadt verbinde ich keine speziellen Erinnerungen, aber an Hertie. Der Karstadt (oder Kaufhof?) am Münchener Hauptbahnhof war früher Hertie. In meiner Studentenzeit hatte ich dort mal einen Job, als eine untere Etage eingerichtet wurde. Das war ein zwar ein ganz guter Studentenjob, aber ich kann mich noch sehr gut an das Gefühl erinnern, als wir während der letzten Abschlussarbeiten hinausgeschickt, quasi hinausgejagt, wurden, um Herren in Anzug Platz zu machen, die dort ein Buffet und Sekt bekamen. Wir Studenten waren der Meinung, dass wir das eigentlich verdient hätten.
Aber als Student wurde man früher bei den Jobs eh nicht wertgeschätzt. Ich sage zu dem Karstadt immer noch Hertie. Vielleicht ist es jetzt auch Kaufhof, ich weiß es gar nicht. Für mich ist es immer noch der Hertie, egal wie er jetzt heißt.
Karstadt gehört gar nicht zu den Kaufhäusern, mit denen ich ausgewachsen bin. Denn bei uns gab es andere Unternehmen. Wir hatten das Kaufhaus Horten mit den markanten Kacheln. Dort Ist mir die besonders die Feinkostabteilung mit den riesigen, blitzsauberen Aquarien und den lebenden Fischen in Erinnerung geblieben. Damals wurde die gewünschte Forelle oder der ausgesuchte Aal direkt gefangen, ohne mit der Wimper zu zucken auch vor Kindern getötet, ausgenommen und bei bedarf auch geschuppt. Neben lebenden Fischen gab es dort ganz viele "exotische" Speisen und so konnte man als Kind Lemon Curd, Macarons, Shortbread oder eben auch Mangos und Kaktusfeigen probieren.
In der Innenstadt gab es Kortum. Dort wurde damals "Der große Bellheim" gedreht. Als Kind fand ich besonders die "Bimbo-Box" toll. Die steht jetzt im Spardosenmuseum auf der Burg Kemnade. Kortum war mit Zentralkasse, Schneiderei und anderen heute merkwürdigen Abteilungen für uns Kinder immer doof. Erwachsene brauchten ewig. Schließlich war es gar nicht zu Spielwaren Röl. Dort waren drei Etagen Wunderland und viele der in den Schaufenstern ausgestellten Sachen wie elektrische Eisenbahnen konnten von außen gesteuert werden.
Und das Schlimmste kommt zum Schluss. Kaufhaus Wortmann, später Kaufring, in Bochum-Linden. Dort gab es offensichtlich immer wieder günstige Bett- und Tischwäsche. Leider kommt man bis heute von unserem damaligen Stadtteil bis heute nicht rüber nach Linden. Mit dem ÖPNV ist es eine Himmelfahrt. Also wurde gelaufen. Eigentlich sind es nur drei Kilometer. Aber als Kleinkind ist das eben weit. Und es geht erst hinunter ins Ruhrtal und dann wieder bergauf mit Steigungen, die der Tour de France würdig sind.
Karstadt gab es in unserer Stadt erst, als in dem 1960er-Jahren (?) mit dem Ruhrpark das zweite Einkaufszentrum der Bundesrepublik eröffnet worden ist. Und das liegt halt ganz am anderen Ende der Großstadt fast schon in Dortmund. Das wurde für die damaligen Hausfrauen von der anderen Stadtseite erst interessant, nachdem Kortum, Horten und Wortmann weg waren. Da musste man als mittlerweile Jugendliche oder sogar junge Erwachsene zum Glück nicht mehr mit.
In meiner Erinnerung verschmelzen Karstadt und Kaufhof total, also schon lange bevor diese Unternehmen tatsächlich verschmolzen wurden. Ich konnte diese beiden Kaufhäuser nie auseinander halten als Kind.
Eines dieser Kaufhäuser hatte bei uns jedenfalls vor Weihnachten immer eine sehr aufwendige Schaufensterdekoration mit Spielzeug und Sachen, die sich bewegt haben, geblinkt haben, Musik gemacht haben und so weiter. Und über die ganze Fassade waren Lichterketten verteilt. Meine Eltern sind da extra Sonntags mit uns hin gefahren weil die Fußgängerzone da nicht so voll war und wir uns die Schaufenster in Ruhe anschauen konnten. Für ein kleines Kind, das noch so halb an den Weihnachtsmann geglaubt hat, hatte das schon etwas magisches.
Ich glaube, dass Kaufhäuser generell einfach nicht mehr zeitgemäß sind. Das sind im Prinzip riesige, unübersichtliche Gemischtwarenläden, die von allem irgendwie etwas anbieten wollen aber auf nichts so wirklich spezialisiert sind. Also praktisch genau wie Amazon. Bei uns wurde ein Kaufhaus schon vor Längerem umgebaut und sieht jetzt wie eine Art Einkaufszentrum aus, also mit verschiedenen, abgetrennten Geschäften, Supermarkt, Drogerie und Gastronomie. Das wirkt direkt viel moderner und attraktiver.
Cloudy24 hat geschrieben:Ich glaube, dass Kaufhäuser generell einfach nicht mehr zeitgemäß sind. Das sind im Prinzip riesige, unübersichtliche Gemischtwarenläden, die von allem irgendwie etwas anbieten wollen aber auf nichts so wirklich spezialisiert sind.
Wobei ich sagen muss, dass ich genau dieses Konzept des Gemischtwarenladens recht praktisch finde. In den Shopping-Malls gibt es lauter spezialisierte Einzelgeschäfte, was ich persönlich eher umständlich finde, wenn ich mehrere verschiedene Sachen kaufen muss. Im Kaufhaus hätte ich mir die Sachen zusammengesucht und dann an der Kasse bezahlt. In der Shopping-Mall laufe ich zuerst in das eine Fachgeschäft und bezahle, dann gehe ich ins nächste Fachgeschäft und bezahle wieder, und so weiter. Ist jetzt kein Drama, aber aus meiner Sicht umständlicher als im Warenhaus.
Übrigens ist mir aufgefallen, dass in unseren verbliebenen Warenhäusern die Anzahl der Kunden doch recht hoch ist. Als ich neulich da eingekauft habe, gab es lange Warteschlangen an den Kassen. So ganz unzeitgemäß scheint das Konzept doch nicht zu sein. Zumindest gibt es doch noch viele Kunden, die da einkaufen wollen.
lascar hat geschrieben:Wobei ich sagen muss, dass ich genau dieses Konzept des Gemischtwarenladens recht praktisch finde.
Das funktioniert aber nur solange du etwas suchst, das eher "Standard" ist. Galeria (wie diese Marke ja nun heißt) hat zum Beispiel eine Sportabteilung und natürlich findet man da auch Laufschuhe. Aber wenn man eine ausführliche Beratung möchte und vielleicht auch etwas speziellere Ansprüche oder Bedürfnisse hat muss man halt doch in ein Sportgeschäft gehen.
Natürlich hat es seine Vorteile wenn man nicht mit einer sehr großen Auswahl konfrontiert wird. Je mehr Auswahl desto schwerer fällt die Entscheidung. Aber in der heutigen Zeit sind wir Dank Internet halt ständig mit gefühlt unendlich viel Auswahl konfrontiert, weil es von fast jedem Produkt zig verschiedene Varianten gibt. Deshalb denke ich schon, dass ein Kaufhaus mit sehr vielen Artikeln aber mit beschränkter Auswahl in den einzelnen Kategorien nicht mehr so attraktiv ist.
Übrigens ist mir aufgefallen, dass in unseren verbliebenen Warenhäusern die Anzahl der Kunden doch recht hoch ist.
Bei uns auch, aber wenn man genauer hinschaut / hinhört merkt man, dass viele davon Touristen sind. Der Umsatzeinbruch war dementsprechend hoch als die Grenzen während der Pandemie dicht waren. Und natürlich funktioniert dieses Geschäftsmodell auch nicht überall. Nicht jedes Kaufhaus liegt in einer touristisch attraktiven Altstadt. Viele Kaufhäuser sind hässliche Betonklötze in wenig attraktiven Fußgängerzonen, die ebenfalls hauptsächlich aus hässlicher Nachkriegsarchitektur bestehen. Da verirrt sich kein Tourist hin.
Cloudy24 hat geschrieben:Das funktioniert aber nur solange du etwas suchst, das eher "Standard" ist.
Das stimmt, aber in der Tat benötige ich im Alltag eben viele "Standardartikel", die ich in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen brauche bzw. kaufe. Dazu gehören z.B. Socken, Unterwäsche, Schreibwaren, kleinere Gepäckstücke, einfachere Geschirrteile, Elektrokleingeräte (z.B. Rasierer, elektrische Zahnbürste), T-Shirts, Handtücher und so weiter. Für solche Einkäufe habe ich immer sehr gern die Warenhäuser aufgesucht. Ausgefallene oder edlere Waren habe ich schon immer im jeweiligen Fachhandel gekauft.
Lascar, von Socken, Handtüchern und Elektrorasierern und solchem Kleinkram tragen sich aber nicht die riesigen Abteilungen in den noch vorhandenen Filialen. Da musst du dann schon mehr kaufen, damit sich das trägt. Das tut aber eben kaum ein Kunde.
Außerdem finde ich es ziemlich ärgerlich, dass man regelmäßig nicht das Gewünschte bekommt, auch wenn es sich um einen absolut Allerweltsartikel handelt. Ich war tatsächlich nach Jahren letztens mal wieder da. Gesucht wurde eine Anzughose in gedecktem Farbton, nicht hell, nicht schwarz, dezentes Muster ok in Größe 50. Bundfalte oder Umschlag egal, aber bitte mit Wolle, kein reiner Polyesterbomber.
Ergebnis: Selbst habe ich in der Herrenabteilung keine einzige Hose in der Größe gefunden. Die Jagd auf einen Verkäufer war ähnlich unerfreulich. Nach Versuchen, auf Rentnerbeige auszuweichen, was es auch nicht passend gab und unerwünscht war, wurde endlich der Computer befragt. Der zeigte, dass es tatsächlich genau eine Hose in Größe 50 im Haus gab. Eine Cordhose in Tannengrün! Und ich werde wieder viele Jahre woanders hingehen. Gerettet hat den Tag übrigens C & A. Nette Beratung, Hose ok. Einen Herrenausstatter haben wir nämlich nicht mehr.
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