Durch Pandemie positive Nebeneffekte erlebt?
Viel wurde über die negativen Effekte der Pandemie geschrieben. Von der Schwere und dem Elend, welches die Krankheit verursachen kann, mal ganz abgesehen gibt es zunehmend Studien zu diversen Nebeneffekten bei den Kindern, dem untrainierten Immunsystem der Kleinsten, der Belastung durch die Lockdowns, den wirtschaftlichen Probleme und finanzielle Einbußen. Hinzu kommen Probleme durch Arbeitslosigkeit, diffuse Ängste, gestiegene Stressbelastung, Verschlechterung sozialer Beziehungen und so weiter. Die Liste ist vermutlich nicht mal vollständig.
Ungeachtet dessen gab es schon früh Stimmen, die zum Beispiel feststellten, dass manche Menschen einen Lockdown als entlastend und befreiend empfanden, weil der Zwang zur sozialen Interaktion zunehmend entfallen ist und Zuhause sein das neue Normal war. Ganz vorne bei den positiven Nebeneffekten steht natürlich auch das Homeoffice und das Mobile Arbeiten, auch wenn meiner Beobachtung nach immer mehr Firmen zunehmend Rückzieher machen und wieder auf zumindest temporärer Anwesenheitspflicht bestehen.
Persönlich wurde in meinem Leben in und durch diese Zeit, durch gemeinsame Gedanken, Erlebnisse und Einstellungen aus einer Bekanntschaft eine gute Freundschaft, leider habe ich aber auch durch die Pandemie Kontakte verloren bzw. sind diese in Schieflage geraten, wie es vermutlich einigen Leuten erging.
Konntet ihr in der Pandemie irgendeinen positiven Effekt in eurem Leben erfahren? Welche waren das? War das eine dauerhafte Erfahrung oder nur temporär?
Es gibt tatsächlich Leute, mit denen ich mehr Kontakt habe seit den Lockdowns. Ich habe zum Beispiel einen Onkel, der verwitwet ist und keine Kinder hat, was für ihn aber nie ein Problem war. Er hat viele Freunde und Bekannte, ist in diversen Vereinen und Ehrenämtern tätig, war auch oft auf Reisen. Einer dieser Rentner, die seit der Rente viel beschäftigter sind als früher.
Als das dann fast alles weg gefallen ist dachte ich mir, ich melde mich mal bei ihm und frage wie es ihm geht. Wir haben uns dann über eine Stunde lang unterhalten und haben uns zum gemeinsamen Kochen über Skype verabredet weil seine Restaurantbesuche natürlich auch nicht mehr möglich waren. Und seither machen wir das immer mal wieder mit wechselnden Gästen.
Ich muss ehrlich sagen, dass die Pandemie für mich persönlich eine Achterbahnfahrt der Gefühle war. Es gab sicherlich einige positive Aspekte, aber auch viele Herausforderungen. Einer der positiven Effekte war sicherlich die verstärkte Zeit, die ich mit meiner Familie verbringen konnte. Durch das Homeoffice und die eingeschränkten Aktivitäten außerhalb des Hauses hatten wir plötzlich mehr Zeit füreinander. Wir konnten gemeinsam kochen, Spiele spielen und einfach miteinander reden. Diese intensiven Momente der Verbundenheit haben mir gezeigt, wie wichtig und wertvoll unsere Familie ist.
Ein weiterer positiver Effekt war die Chance, mich selbst besser kennenzulernen und an mir zu arbeiten. Da ich weniger soziale Verpflichtungen hatte und mehr Zeit für mich selbst, konnte ich mich mit meinen Interessen und Leidenschaften auseinandersetzen. Ich habe neue Hobbys entdeckt und konnte mich kreativ entfalten. Das hat mir geholfen, mich selbst besser zu verstehen und mein persönliches Wachstum voranzutreiben.
Allerdings muss ich auch sagen, dass diese positiven Effekte nicht dauerhaft waren. Mit der Zeit haben sich die Herausforderungen der Pandemie mehr und mehr gezeigt. Die soziale Isolation und die Unsicherheit über die Zukunft haben meine Stimmung beeinflusst und zu Stress geführt. Die fehlenden sozialen Kontakte haben mir zunehmend gefehlt und ich habe gemerkt, wie wichtig der Austausch mit anderen Menschen für mein Wohlbefinden ist.
Ich denke Corona hat uns in gewisser Weise den Spiegel vorgehalten. Man hat sich selber hinterfragt, hinterfragt, wie man den Alltag verbringt und was man wirklich vom Leben will, ebenso wie endlich dieses doch ist. Ich habe als positiven Effekt mitgenommen, dass ich mir mehr Gedanken machen konnte, mehr Zeit mit meiner Familie hatte, auch wenn das sicherlich nicht immer leicht war, aber man lernt auch über die eigenen Grenzen zu gehen und das Beste aus ganz wenig zu machen, wenn man in so einer Situation gefangen ist.
Rückblickend betrachtet bin ich wohl überdurchschnittlich gut durch die Pandemie gerutscht. Im Job hatte ich eigentlich nur Vorteile: Homeoffice, welches bis 2019 völlig ausgeschlossen war, weil da könnte ja jeder kommen und das gab es ja noch nie, war auf einmal gar kein Ding mehr und ist es mit Einschränkungen bis heute. Meine Kollegin beispielsweise kann seit Corona mittags heimfahren (die hat es nicht besonders weit) und pauschal die Hälfte des Arbeitstags von Zuhause aus ableisten. Hätte es vorher unter gar keinen Umständen gegeben. Und in der kurzen Zeit, als wirklich alles dicht war, gab es Kurzarbeit bei fast vollem Gehalt.
Privat haben es all meine Sozialkontakte heil durch die Pandemie geschafft, und die paar wenigen Spinner, die vom Masketragen Anuskrämpfe bekommen haben, vermisse ich auch nicht. Insgesamt ist die "Stressbelastung" bei mir erheblich zurückgegangen, und auch während der Pandemie selber war ich eigentlich weniger gestresst als sonst. Auf einmal war der von mir bevorzugte Lebensstil nicht mehr eigenbrötlerisch und zum Belächeln, sondern grundsätzlich eine gute Idee. Nach fast 40 Jahren des "Geh doch mal unter Leute!" war es eine sehr angenehme Abwechslung, ausnahmsweise mal mit dem Segen der Gesellschaft daheim mit Teetasse zu stricken und sich nicht ständig mit anderen müffelnden Primaten zusammenzuballen.
Ich persönlich konnte der Pandemie nicht viel Positives abgewinnen, was unter anderem auch daran lag, dass mein Partner im Jahr 2021 wegen Corona fast gestorben wäre. Er hat zwar am Ende überlebt, aber die vielen Monate (Intensivstation, Früh-Reha, Rehastufen C und D) haben uns ganz schön zugesetzt. Und auch sonst habe ich die Zeit als ziemlich bedrückend und belastend empfunden.
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