Wörter wegen historischer Konnotation nicht verwenden?
Es gibt Wörter und Aussprüche, bei deren Klang so mancher vermutlich regelmäßig innerlich zurückschreckt, weil die Begriffe für viele sehr stark mit der NS-Zeit und dem Dritten Reich verbunden sind, sodass sie von einigen oder sogar vielen nicht gerne benutzt werden wollen, ohne diese automatische Assoziation. Dazu gehören zum Beispiel die Wörter "Endziel", "Endlösung", "Deportation", "Internieren" und vermutlich noch einige andere, die mir gerade nicht einfallen. Aber auch der Spruch "Jedem das Seine" hat durch Auschwitz eine gewisse Brandmarkung erfahren. Manche wissen ja vereinzelt nicht, dass dieser Satz über dem Konzentrationslager stand und benutzen diesen Spruch als geflügelte Wort auch weiterhin ganz unbedarft.
Natürlich kann man jetzt argumentieren, dass weder dieser Satz noch genannte Wörter von den Nazis als ureigenste Erfindung kreiert wurden, aber in mancher Wahrnehmung sind sie einfach zu negativ besetzt, als dass man sie gerne und unbedarft benutzen möchte. So hatte ich mal eine Freundin, die zwar politisch sehr weit links stand, aber immer mal wieder gerne in einem triumphalen Moment meinte, es wäre ihr ein innerer Reichsparteitag.
Gibt es Wörter oder Sätze, die ihr zu sagen vermeidet oder die nicht in euren eigenen Sprachschatz mit einfließen? Oder steht ihr auch eher darüber und denkt euch wie die im Beispiel besagte Freundin nichts dabei?
Verbena hat geschrieben:Aber auch der Spruch "Jedem das Seine" hat durch Auschwitz eine gewisse Brandmarkung erfahren. Manche wissen ja vereinzelt nicht, dass dieser Satz über dem Konzentrationslager stand und benutzen diesen Spruch als geflügelte Wort auch weiterhin ganz unbedarft.
Da stand doch aber "Arbeit macht frei". Also den Ausspruch "Jedem das Seine" habe ich noch nie in wirklichen Bezug zur NS-Zeit gebracht und es ist mir auch noch nie etwas aufgefallen. Der wird hier recht inflationär verwendet. Bei anderen von dir genannten Wörter ist das aber schon so. Kaum jemand wird noch auf die Idee kommen ganz unbefleckt von einer Endlösung zu reden. Die Wörter sind eben förmlich verbrannt worden durch die Nazis. Es gibt aber eben auch genug andere Wörter im Deutschen, die man stattdessen verwenden kann.
Ich achte schon darauf, was so für Wörter oder Redewendungen benutzt werden. Wenn da solche Ausdrücke kommen, dann stelle ich unterbewusst schon eine gewisse Beziehung zum Nationalsozialismus her und höre da dann im weiteren Verlauf schon ganz anders hin. Sicherlich gibt es immer mal auch Menschen, die gar nicht groß nachdenken, wenn sie so etwas sagen. Aber in aller Regel überlegt man sich doch schon ob man jetzt von einer Endlösung redet oder jemandem rät, dass Arbeit doch frei macht und sagt so etwas nicht ohne Grund.
Du hast Recht, ich habe Auschwitz mit Buchenwald verwechselt. Über dem Tor von Auschwitz stand der Spruch "Arbeit macht frei, "Jedem das Seine" stand dagegen hinter dem Eingang von Buchenwald.
Na haben wir beide wieder etwas gelernt. Ich kannte das noch nicht. Stand an jedem Tor der Konzentrationslager so ein Spruch? Und stand dann da immer ein anderer? Wie schon oben gesagt, habe ich bis auf Arbeit macht frei eigentlich noch nie bei irgendwelchen Redewendungen einen Bezug zur NS-Zeit hergestellt. Nicht dass ich auf einmal blöd angeschaut werde, wenn ich mal versehentlich so einen Spruch von mir lasse. Mir geht es ja anders herum auch nicht anders.
Eine kurze Suche bei Wikipedia bezüglich der beiden Sprüche über den Toren diverser Konzentrationslager ergab nur diese zwei hier schon genannten Redewendungen, wobei "Arbeit macht frei" über mehreren Lagern stand. Gemeinhin für die Bevölkerung gut sichtbar, während "Jedem das Seine" nur auf der Innenseite für die Gefangenen zu lesen war. Ja, die Nazis waren schon echte Sadisten, denen das so richtig Spaß zu machen schein.
Gerade dieses Jedem das Seine wird aber von vielen Leuten oft benutzt, ich glaube gar nicht mal, dass man damit wirklich in ein Fettnäpfchen trifft. Streng genommen ist dieser Spruch ja auch sehr viel älter die Nationalsozialisten. Vor einigen Jahren gab es wohl mal einen Shitstorm, weil Tchibo und Esso den Spruch in der leicht abgewandelten Form "Jedem der Seine" verwendeten und am Ende in echte Erklärungsnöte gerieten.
Denn ich denke, dass es wichtig ist, sich der historischen Bedeutung von Wörtern und Aussprüchen bewusst zu sein und diese nicht unbedacht zu verwenden. Ich muss zugeben, dass ich mich in der Vergangenheit schon öfters dabei erwischt habe, Wörter oder Sätze zu benutzen, ohne mir bewusst zu sein, wie negativ sie besetzt sind.
Besonders bei Wörtern oder Sätzen, die eng mit der NS-Zeit verbunden sind, bin ich sehr vorsichtig. Denn auch wenn diese Begriffe vor der NS-Zeit existierten, haben sie durch ihre Verwendung während des Dritten Reiches eine unverkennbare und sehr negative Konnotation bekommen. Zum Beispiel benutze ich das Wort "Endlösung" nicht, da es untrennbar mit dem Holocaust und der systematischen Vernichtung von Millionen von Menschen verbunden ist. Auch der Spruch "Jedem das Seine" ist für mich tabu, da er über dem Eingangstor des KZ Buchenwald stand und somit direkt mit dem nationalsozialistischen Terrorregime assoziiert wird.
Ich denke, dass es wichtig ist, sich bewusst zu sein, welche Wörter man verwendet und welche Konnotationen sie haben. Denn durch unsere Sprache drücken wir nicht nur unsere Gedanken aus, sondern beeinflussen auch die Gedanken und Gefühle unserer Mitmenschen.
Nun, es ist ja schön, wenn man hübsch die Sprüche über den Toren der Konzentrationslager und so etwas wie Endlösung meidet. Aber sprachlich gesehen waren die Nationalsozialisten dann doch etwas geschickter. Ich empfinde beispielsweise "Insuffizienz des Herzmuskels" immer noch als unangenehm. Oder das ganze heroische Heldengezumpel.
Wer wirklich wissen möchte, wie sich damals der Ton und der Ausdruck verändert hat und keine Angehörigen hatte, die aus erster Hand wissen, wie es war, sollte sich so etwas wie LTI - Notizbuch eines Philologen von Viktor Klemperer und Originale aus der Zeit lesen. Und nein, ich meine nicht dieses grässliche Gefasel in Mein Kampf. Wer das durchzieht, hat spätestens danach einen Dachschaden. Versucht alltägliches Zeug wie Schulbücher und Sport und Sonne, das offizielle Blatt des Leichtathletikverbandes. Das gab es auch lange vor der Machtergreifung und Bild und Ton verändern sich perfide.
Gerade den Spruch "Jedem das Seine" versuche ich diesen allein dieser Form schon zu vermeiden. Wird er mir gegenüber erwähnt, dann ergänze ich dann meist mit "aber mir das Meiste". Das ist aber ein üblicher Sprachgebrauch, den ich von Kindheit an kenne. Hat aber auch die Intension, dass man bei der Aussage jemand anderem etwas missgönnt. Ich kenne den Spruch zwar aus dem Geschichtsunterricht und auch persönlichem Interesse als andere Intension, aber das begründet eben nicht die Vermeidung bei mir.
Ansonsten kommt es halt darauf an in welchem Kontext ein Wort, was zur NS-Zeit passt, benutzt wird. Denn auch die Briten haben im 18. Jahrhundert schon schottische Gefangene deportiert und zwar nach Amerika. Auch die schon dort lebenden, späteren Amerikaner haben sich die schwarzen Sklaven von Afrika deportieren lassen. Man kann also gewisse Worte nicht vermeiden, wenn man sich mit Geschichte befasst. Auch wenn der Zeitraum dann nicht zur NS-Zeit gehört.
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