Wegen Inflation weniger Trinkgeld geben?
Der Richtwert für Trinkgeld in Deutschland liegt ja bekanntermaßen bei fünf bis zehn Prozent der Rechnung. Eine Bekannte von mir, die in der Branche arbeitet, erzählte nun, dass das Trinkgeld im letzten Jahr massiv zurückgegangen ist. Obwohl sie in ihren Augen immer einen freundlichen, schnellen Service bietet, gäbe es es sogar Gäste, die inzwischen immer öfter komplett auf die Gabe von Trinkgeld verzichten, möglicherweise auch begründet dadurch, dass immer mehr Gäste einfach auch mit EC-Karte bezahlen.
Natürlich versteht meine Bekannte, dass die Inflation die Menschen zum Sparen animiert wo es möglich ist und grundsätzlich ist sie auch froh, dass überhaupt noch Menschen zum Essen kommen, aber dennoch könnte sie natürlich die finanzielle Wertschätzung ihres Services zu jetzigen Zeit wirklich gut brauchen.
Wie könnt ihr euch die Reduzierung der Trinkgeldgabe erklären? Spart man an der falschen Stelle ein, wenn man den Servicekräften weniger/kein Trinkgeld mehr gibt? Gebt ihr extra Trinkgeld in bar auch wenn ihr mit EC-Karte bezahlt?
Wenn es mir möglich ist, versuche ich gerne Trinkgeld zu geben. Aber auch bei uns ist das Geld manchmal knapper und wir versuchen auch zu sparen und da fällt das Trinkgeld auch etwas geringer aus. Ich kann deine Bekannte verstehen und ich finde es gut, dass wir nicht das System aus den USA haben, bei dem die Bedienungen von den Tipps sozusagen leben müssen, aber es geht manchmal einfach nicht mehr.
Aber das liegt auch nicht nur an der Inflation, sondern auch an den Kartenzahlungen. Es gibt auch viele Restaurants, die das Trinkgeld, welches über die Kartenzahlungen reinkommt, sammeln und dann auf alle Bedienstete aufteilen. Das finde ich gut, weil so die Küche auch was abbekommt, aber ich gebe das Trinkgeld ja meistens einer bestimmten Bedienung und der Küche und nicht vielleicht der nicht so guten Bedienung, die vielleicht unverschämt gewesen ist. Auch stecken einige Restaurants dieses Trinkgeld auch einfach ein und rechnen es "als Gebühren für die Kartenzahlung" ab.
Ich versuche immer das Trinkgeld in bar zu geben, habe aber mittlerweile meistens meine Karte dabei. Bargeld ist bei mir eher nicht die Regel. Ich versuche wie gesagt auch immer Trinkgeld zu geben, aber das ist auch nicht immer möglich.
Bei mir ist es umgekehrt. Ich gebe eher mehr Trinkgeld als früher. Speziell die Angestellten in Restaurants oder Studenten als Hilfskräfte haben doch unter Corona stark gelitten. Meistens sind Menschen in Jobs, in denen man Trinkgeld gibt, wie etwa Kellner, Taxifahrer oder Paketboten nicht besonders gut entlohnt. Da ist das Trinkgeld sehr wichtig als Zweitlohn sozusagen.
Wenn ich es mir leiste, mal Essen zu gehen, dann macht es keinen großen Unterschied für mich, ob ich 32 oder 34 Euro bezahle, aber für die Kellnerin macht das in der Menge einen großen Unterschied.
Wenn ich mir einen Restaurantbesuch gönne, dann plane ich da auch das Trinkgeld entsprechend ein. Entweder kann ich mir das leisten oder spare mir den ganzen Besuch. Da zu knausern weil man selbst knapp bei Kasse ist, sehe ich etwas zwiespältig. Denn dann wäre bei mir der Restaurantbesuch schon nicht drin.
Auf der anderen Seite ist da eben die Kartenzahlung und dann ist das Trinkgeld auf für das Finanzamt sichtbar, wenn es auch darüber läuft. Aber ich könnte mir auch vorstellen, dass insgesamt weniger Gäste kommen. Darüber klagen auch mittlerweile viele Restaurantbesitzer. Und weniger Gäste bedeutet eben auch weniger Trinkgeld.
Ich erkläre mir die Reduzierung der Trinkgeldgabe durch Geiz und Rechenschwäche. Prozentrechnen ist bekanntlich eine Geheimwissenschaft, und viele Leute glauben, wenn sie für einen Fuffi im Restaurant auffahren lassen und dann kein Trinkgeld geben, haben sie mindestens 5 Euro ("Das sind zehn Mark!") gespart. Dass sie sich 48,50 Euro gespart hätten, wenn sie sich daheim ein Brot geschmiert hätten, ist allem Anschein nach den wenigsten wirklich klar.
Ich gebe spätestens seit Corona immer um die 20 Prozent Trinkgeld, wenn man es zumindest geschafft hat, mich nicht zu verärgern, was den Service angeht. Unter zehn Prozent empfinde ich generell als Unverschämtheit. Ich gehe leidenschaftlich gern in Cafés und Restaurants und habe mittlerweile etliche "Stammlokale", wo ich mit Angebot und Service ausnahmslos mehr als zufrieden bin.
Außerdem handelt es sich nicht um gesichtslose Ketten, sondern um echte Familienbetriebe, in denen die Wirtin noch selber bedient, und die allesamt wegen der Seuche keine einfachen Zeiten hinter sich haben. Da unterstütze ich lieber diese Sorte Kleinunternehmen, als irgendwelche Fetzen in Onlineshops zu kaufen und darüber zu klagen, dass die Leerstände auch in der Gastro immer mehr zunehmen.
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