Als kinderlose Person dennoch Erziehung kommentieren wollen?
Ich muss ganz offen und ehrlich gestehen, dass ich früher, bevor ich selbst Kinder hatten, gerne meinen Senf zur Erziehung anderer Kinder gegeben habe. Ich habe nun nicht öffentlich kommentiert, aber mir eben meinen Teil gedacht und gerne mit meinem Mann oder anderen Personen darüber gelästert. Ich konnte nur den Kopf darüber schütteln, wenn sich Kinder im Supermarkt auf den Boden geworfen haben oder Eltern ganz penibel darauf achteten, zur Zubettgehzeit der Kinder wieder zu Hause zu sein, um den Rhythmus nicht durcheinanderzubringen.
Mittlerweile bin ich selbst Mutter und finde es ganz schrecklich, wenn kinderlose Personen meinen, ihren Senf überall dazu geben zu müssen, wenn es um Kindererziehung geht, vor allem dann wenn sie diesen auch nicht für sich behalten, sondern öffentlich kommentieren müssen, dabei dämlich grinsen und absolut davon überzeugt sind, sie würden es ganz anders und vor allen Dingen richtig machen.
Letztendlich können kinderlose Personen überhaupt nicht beurteilen, wie es ist, Kinder zu haben, auch dann nicht wenn sie hin und wieder mal auf die Kinder von Verwandten aufpassen oder Kinder im Bekanntenkreis haben. Das musste ich selbst jedoch auch erst mit der Zeit erkennen. Nerven euch Kommentare von kinderlosen Personen auch so sehr? Ich hatte mir auch ganz vieles für meine Erziehung vorgenommen, bevor ich Kinder hatte. Aber wenn man dann selbst Kinder hat, muss man eben erkennen, dass vieles doch nicht so läuft, wie man es sich das gedanklich so schön ausgemalt hat.
Du sprichst also Menschen ohne eigenen Kindern ab, dass sie Ahnung von der Erziehung haben. Muss man dazu unbedingt seine Gene selbst weiter gegeben haben? Ich denke nicht, dass diese Menschen keine Ahnung haben. Und ja, mich hat es vor eigenen Kindern auch immer genervt, wenn andere Kinder beim Einkauf ein Theater vollführt haben. Das nervt mich auch heute noch, weil ich weiß, dass es anders funktionieren kann.
Meine Kinder haben das zum Beispiel nie gemacht. Einfach weil ich sie dahingehend anders erzogen habe. Sie wurden beim Einkauf involviert. Es gab feste Absprachen, wo sie mit aussuchen dürfen, diese Dinge durften sie auch selbst an der Kasse bezahlen und dergleichen. Ich hatte dadurch immer sehr brave Kinder im Supermarkt.
Und ja, ich habe mir auch vor eigenen Kindern das Recht heraus genommen meine Meinung zu sagen, wenn ich da anders denke. Warum soll ich zu etwas schweigen oder gar den Eltern den Rücken stärken, wenn ich es falsch finde? Das nenne ich dann falsche Freundschaft. Und manchmal ist es für Eltern auch gar nicht so verkehrt, wenn sie mal die Meinung durch einen Blick von außen bekommen, wie gewisse Vorkommnisse auf andere Menschen wirken.
So so, kinderlose Personen haben also keine Ahnung und sollen sich aus der Erziehung heraushalten? Das wird dann ja lustig in Kindergarten, Schule, Sportverein, Musikschule, der Ferienfreizeit und an vielen anderen Stellen im Alltag. Denn ein Kind geboren zu haben, das zählt nicht zu den nötigen Qualifikationen.
Darf dein Mann als Vater sich eigentlich in Erziehungsfragen einbringen? Ich meine, wenn er morgens schon zur Arbeit los ist, bevor der Spross seiner Lenden aufgestanden ist, am Abend erst wieder aufschlägt, wenn das Kind im Bett ist, und am Wochenende meist unterwegs ist, dann ist er doch eine kinderlose Person, oder? Gelegentlich aufpassen zählt ja nicht.
Und mit der Fortpflanzung bekommt man plötzlich total die Ahnung von Erziehung? Im Zweifelsfall auch mehr Ahnung als Menschen, die eine pädagogische Ausbildung hinter sich haben und schon lange im Beruf stehen, sich aber gegen die Fortpflanzung entschieden haben?
Ich denke, dass Außenstehende teilweise eine viel klarere Sicht auf die Dinge haben und vor allem in der Lage sind, Sachverhalte sachlich und ohne Emotionen zu beurteilen. Ich kenne wenige Eltern, die das Verhalten ihrer Kinder wirklich objektiv beurteilen können, liegt wahrscheinlich in der Natur, dass man das eigene Kind positiver sieht und darstellt als es tatsächlich ist.
Zum Glück kenne ich allerdings auch keine Eltern, die deine Meinung teilen und denken, dass sie plötzlich Erziehungsexperten sind und alle anderen ja keine Ahnung haben. Die sind alle nur zu gerne bereit sich eine andere Meinung anzuhören und fragen auch gezielt danach.
Warum sollten kinderlose Personen die Erziehung von Kindern nicht kommentieren dürfen? Das habe ich mich ehrlich gesagt schon immer gefragt, selbst vor meinen Kindern habe ich mir erlaubt, die Erziehung anderer Menschen durchaus zu hinterfragen. Und ich werde es mir weiterhin herausnehmen, selbst wenn ich mal ohne Kinder unterwegs bin reibe ich es nicht jedem unter die Nase, dass ich Kinder habe.
Ich habe als Kind oder als Jugendliche meine Geschwister mit erzogen. Das bedeutet, dass ich schon ständig Kontakt zu Kindern hatte und auch bestimmt viele Dinge nicht richtig gemacht habe. Aber wer macht schon alles richtig? Auch heute denke ich, dass ich viele Dinge anders mache und ich finde es gut so wie es ist.
Aber ich kenne auch die Seite als Außenstehende, die durchaus mal Erziehungsmethoden kritisiert hat. Du hast als Außenstehende einen anderen Blickwinkel, der manchmal gar nicht so falsch sein muss. Als Außenstehende siehst du die Kinder vermutlich nur sporadisch und du hast diesen blinden Blick auf manche Verhaltensweisen nicht. Du bist als Elternteil einfach nicht mehr objektiv, denn dein Verhältnis zu den Kindern ist ein Anderes. Daher nehme ich auch Kritik von Kinderlosen aus meinem Freundeskreis an, weil sie einfach einen anderen Blick auf das Ganze haben, weil sie nicht direkt in die Erziehung involviert sind.
Ich halte es auch für reichlich vermessen, kinderlosen Personen automatisch jede Ahnung von Erziehung abzusprechen. Umgekehrt ist es ja auch offensichtlich, dass Kinder gezeugt zu haben keine Qualifikation für irgendwas darstellt.
Ich selber kommentiere prinzipiell keine Erziehungsversuche oder das Benehmen von Kindern, das ich mitbekomme. Ich bin quasi gesteigert kinderlos, da ich weder privat noch beruflich noch in der Freizeit noch ehrenamtlich nennenswert mit minderjährigen Menschen zu tun habe. Ich bin also wirklich nicht qualifiziert, aber das trifft, wie erwähnt, nur auf eine Minderheit der Menschen ohne biologischen Nachwuchs zu.
Genauso gut könnte ich mich bei der Hundeerziehung einmischen. Ich habe keinen Hund, hatte nie einen, interessiere mich für das Thema weder privat noch beruflich und denke mir eben: Das wird schon so ein Hunde-Erziehungs-Ding sein, wenn das Tier alle 10 Sekunden ein Leckerchen zugesteckt bekommt. Und ebenso respektiere ich es als Menschen-Erziehungs-Ding, wenn die ganze Familie in einem Bett pennt und in einem Badewasser badet oder ähnliches. Wird schon seine Gründe haben.
Außerdem muss die eigene Kinderlosigkeit schließlich auch Vorteile haben. Und ich empfinde es als absolutes Privileg und Riesenvorteil meiner gewählten Lebensart, dass ich mich nicht in anderer Leute Erziehungsversuche einmischen muss und zuschauen und kommentieren und gute Ratschläge absondern, wie man das Balg am besten vom Supermarktboden wieder hochbekommt. Nein, ich entferne mich schnellstmöglich und denke mir im Stillen: Manches bleibt einem auch erspart.
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