Warum wird der öffentliche Raum als gefährlich wahrgenommen?
Ich hatte gestern ein Seminar, in dem auch ein Referat über "Gender" gehalten wurde. Die Referentin erzählte ganz anschaulich und ausführlich, wer diese Gender-Thematik ins Rollen gebracht hat und was alles dazu gehört.
Da wurde dann auch gesagt, dass der öffentliche Raum für Frauen als Gefahr wahrgenommen wird und sie sich zu Hause sicherer fühlen würden. Wenn man solche Massenübergriffe wie in Köln betrachtet kann man ja schon nachvollziehen, warum man sich zu Hause eben sicherer fühlt.
Aus meiner Sicht kann ich auch bestätigen, dass ich mich zu Hause sicherer fühle als auf der Straße. Denn zu Hause weiß ich und kenne ich alles, da kann mich keiner überraschen. Zur Not kann ich auch die Tür einfach nicht öffnen oder nicht ans Telefon gehen, wenn ich nicht belästigt oder bedrängt werden möchte. Auf der Straße im Freien ist das schon schwieriger finde ich. Am Beispiel Köln hat man ja gesehen, dass man sich da schlecht schützen kann, weil man da nicht den Rückzugsraum hat.
Aber logisch betrachtet ist diese "Gefahr" im öffentlichen Raum doch total unbegründet, denn statistisch betrachtet passieren zu Hause doch viel mehr Sachen als auf der Straße. Viele Frauen werden zu Hause von ihren Männern misshandelt, geschlagen, unterdrückt, sonst gäbe es ja keine Frauenhäuser. Häusliche Gewalt existiert leider noch, warum wird der öffentliche Raum dann als viel gefährlicher dargestellt? Denn da kann man wenigstens fliehen, wenn Gefahr zu Hause droht kann man ja schlecht weg.
Ich denke, häusliche Gewalt ist etwas, wo man auch ein wenig selbst Einflussmöglichkeiten hat. Eine Frau muss ja nicht bei einem gewalttätigen Ehemann bleiben, eine Frau muss sich auch nicht mit jemandem zusammentun, der gewalttätig ist. Dass es manche dennoch machen, liegt in der psychischen Schwäche der Personen, dass sie emotional von dem anderen abhängig sind, aber man könnte sich bewusst dagegen entscheiden.
Aber wer in der Öffentlichkeit meinen Weg kreuzt, das kann ich nur bedingt beeinflussen. Man kann sich etwa von sehr einsamen Orten oder Menschenansammlungen fernhalten, aber man hat öffentlich weniger Einflussmöglichkeiten.
Naja, war das nicht schon immer so? Der Höhlenmensch war auch nur in seiner Höhle sicher. Heute laufen draußen zwar keine Säbelzahntiger mehr rum, aber dafür eine Menge Autos und Menschen die weitaus gefährlicher sind.
Es kommt darauf an, um welchen öffentlichen Raum es sich handelt. Wenn ich zum Einkaufen gehe, fühle ich mich sehr sicher. Wenn ich um drei Uhr morgens durch einen Park gehe, fühle ich mich eher unsicher, obwohl es dort um diese Uhrzeit je nach Lage des Parks sogar objektiv gesehen genau so sicher ist.
Und wieso sollte das nur für Frauen gelten? Männer werden doch auch überfallen oder sie geraten ungewollt in Prügeleien, je nachdem wo sie sich aufhalten. Um die Aussage beurteilen zu können, müsste man mehr über das Seminar und das Referat wissen. Was wurde genau untersucht? Was heißt öffentlicher Raum? Gab es einen Vergleich zwischen Männern und Frauen? Wurde vielleicht berücksichtigt, dass sich Frauen eventuell im Durchschnitt grundsätzlich überall unsicherer fühlen als Männer? Vor was genau fürchten sie sich im "öffentlichen Raum"?
So kann ich nur von mir berichten, dass ich mich außerhalb meiner Wohnung außer in ungewöhnlichen Situationen (nachts um drei im Park, auf einer Wanderung nah am Abgrund, in einem Wolfsgebiet, auf dem Fahrrad im Stadtzentrum) nicht unsicherer fühle als zu Hause.
blümchen hat geschrieben:So kann ich nur von mir berichten, dass ich mich außerhalb meiner Wohnung außer in ungewöhnlichen Situationen (nachts um drei im Park, auf einer Wanderung nah am Abgrund, in einem Wolfsgebiet, auf dem Fahrrad im Stadtzentrum) nicht unsicherer fühle als zu Hause.
Ich bin ja ein Mann und kann mich vielleicht deswegen generell etwas sicherer fühlen als Frauen. Jedenfalls nehme ich den öffentlichen Raum in Deutschland (und in Mittel- und Westeuropa) normalerweise nicht als unsicher wahr, solange ich nicht in eine Extremsituation gerate. Das ist mir bisher aber erst sehr selten passiert, sodass ich aus meinen bisherigen Erfahrungen heraus kein Gefühl von Unsicherheit entwickelt habe. In den allermeisten Fällen fühle ich mich im Freien nicht unsicher, sofern ich mich nicht beispielsweise spätabends in einem unübersichtlichen Waldgebiet verlaufen habe oder eine offensichtlich kriminelle Aktion live miterlebe (was mir zum Glück bis jetzt erspart geblieben ist).
Manchmal habe ich den Eindruck, hier machen Aliens Einführungskurse ins Leben in der westlichen Zivilisation. Es ist statistisch erwiesen, dass Frauen in der Öffentlichkeit mehr Belästigungen bis hin zu Gewaltverbrechen ausgesetzt sind als Männer. Und "fliehen" möchte ich mal sehen. Schön wäre es ja, aber es ist eben auch eine biologische Tatsache, dass die meisten Männer den meisten Frauen bei vergleichbarem Trainingsstand körperlich weit überlegen sind.
Alleine das stellt für mich schon eine potenzielle Gefahrenquelle dar - ich wäre weitaus entspannter, wenn ich wie viele Männer zumindest den mäßig trainierten Gestalten etwas Handfestes entgegenzusetzen hätte. Und ich bin wenigstens noch groß und schwer. So eine zarte Gestalt von 50 Kilo wird ja glatt weggetragen.
Und ich bin auch nicht der Meinung, dass schon die Gefahr eines Raubüberfalls oder einer Vergewaltigung im Raum stehen muss, damit ich mich unsicher und/oder bedroht fühle. Vielleicht nehmen das andere Frauen einfach als Teil des Lebens hin, aber ich fühle mich nicht gerade tiefenentspannt und perfekt in Sicherheit, wenn mir irgendein Typ etwas nachgrölt oder mir in der U-Bahn ein Gespräch aufdrängt, am besten noch mit Hand auf der Schulter oder Ähnliches.
Selbst beim Lesen auf der Parkbank in der Kleinstadt Samstag Nachmittag um halb vier umgeben von Familien wurde ich schon verbal sexuell belästigt, und stehe mit dieser Erfahrung sicher nicht alleine da. Ich sehe es also durchaus als gravierendes gesellschaftliches Problem, dass ich mich aufgrund meiner feminin gelesenen sterblichen Hülle nicht so ungeniert und entspannt im "öffentlichen Raum" bewegen kann wie der durchschnittliche Mann, sondern immer Augen und Ohren offen haben muss.
Gerbera hat geschrieben:Manchmal habe ich den Eindruck, hier machen Aliens Einführungskurse ins Leben in der westlichen Zivilisation.
Überraschenderweise bin ich kein Alien, sondern ein männlicher Bewohner einer deutschen Großstadt. Deswegen hatte ich eigentlich auch erwähnt, dass meine Beschreibung meine persönliche Sichtweise darstellt. Ich hatte geschrieben: "Ich bin ja ein Mann und kann mich vielleicht deswegen generell etwas sicherer fühlen als Frauen." Dieser Satz sollte durchaus die Absicht haben, meine Schilderung zu relativeren und nicht als allgemeingültig darzustellen. Da dies nicht gelungen ist, möchte hiermit noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass es sich um die mir zugehörige männliche Sichtweise handelt und ich keinesfalls in Abrede stellen möchte, dass andere Personen sich unsicherer fühlen können als ich.
Ich kann auch nur von mir und meinem Umfeld reden. Ich habe den öffentlichen Raum nie als gefährlich empfunden, auch als ich noch jung und hübsch war und mir die eine oder andere Person unangenehm körperlich oder verbal nahe kam. Das ist alles nicht schön und zu verurteilen, aber statistisch gesehen sterben oder verletzen sich mehr Männer als Frauen im öffentlichen Raum, siehe zum Beispiel hier. Mich stört es, dass immer nur Frauen als Opfer gesehen werden.
Wenn es um sexuelle Belästigung und Überfälle geht, ist der öffentliche Raum für die meisten nun einmal sehr viel gefährlicher als die häuslichen vier Wände. Keine Frau läuft durch den Park und ist angstfrei, weil sie denkt: Naja, das ist jetzt aber nicht so gefährlich als hätte ich einen schlagwütigen Partner zuhause. Was ist das für eine Logik? Wenn ich nicht in einer gewalttätigen Beziehung lebe, ist das kein Referenzpunkt für mich.
Und selbst wenn eine Frau in einer solchen Partnerschaft lebt, kann sie doch trotzdem Angst haben, nach der Disco vergewaltigt zu werden. Es gibt kein Konto, wo man mit Leiden einzahlt und dafür auf der anderen Seite von weiteren Gefahren befreit wird. Das ist hier wieder eine "Logik". Meine Güte. Zu der Sache mit den "schwachen" Frauen, die sich selbstverschuldet von den Typen verdreschen lassen, möchte man ja fast schon nichts mehr sagen. So ein Victim Blaming von der Sorte "die kann doch gehen, selbst schuld" ist irgendwo zwischen total peinlich und inkompetent bis fast schon psychopathisch Empathie befreit angesiedelt.
Auf die Gründe warum Frauen bei solchen Männern bleiben (müssen), gehe ich jetzt nicht ein, mit ein wenig Verstand weiß es sowieso jeder. Aber kurz: Selbst in diesen Situationen haben viele Leute noch das Gefühl, die Situation besser kontrollieren zu können als bei einer Attacke durch einen Fremden. Die Gefahr, die man kennt kommt einem weniger bedrohlich vor als eine neue, fremde Bedrohungslage.
Ja, mehr Leute sterben durch Haushaltsunfälle als durch Mord im öffentlichen Raum, aber so denkt doch niemand. Gefahrenbewertung hat seine eigenen Logiken, da gibt es auch außerhalb dieses Themas hunderte von Beispielen. Ich kenne Leute, die fahren 200 auf der Autobahn, drehen aber durch, wenn sie einen Infekt bekommen. Oder manche fallen fast in Ohnmacht, weil sie eine Rede halten müssen, stellen aber einen Stuhl als Leiterersatz auf den Tisch. Und so weiter.
Als Frau habe ich persönlich sehr viele Gefahren im öffentlichen Raum wahrgenommen bzw. erlebt, die mir alle zuhause nicht untergekommen wären. Das fängt bei Verkehrsunfällen an, geht über diverse sexuelle Belästigungen bis hin zu versuchtem Diebstahl. Man kann ja wirklich nicht auf der schon erwähnten Parkbank sitzen, ohne dass ein Opa mit Dackel anzügliche Anmachen startet. Passiert mir aufm Balkon eher weniger.
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