Warum sind Fehlgeburten noch immer ein Tabuthema?
Vor wenigen Tagen habe ich einen Artikel darüber gelesen, dass Fehlgeburten noch immer als Tabuthema klassifiziert werden. Innerhalb des Artikels wurde darüber hinaus explizit auf die statistische Auswertung der Fehlgeburtsraten in verschiedenen Ländern eingegangen und siehe da, die Menschen verwunderte es nicht, wenn Länder wie Niger, Somalia, Äthiopien etc. inkludiert waren, aber wenn westliche Länder aufgeführt wurden, waren sie regelrecht empört.
Insbesondere war man über „Entwicklungsländer“ nicht verwundert, weil es dort ja nicht selten zu Defiziten in der gesamten medizinischen Ausrüstung bis zur eigentlichen Grundversorgung kommt, während solche Themen in Deutschland ja laut den Menschen kaum zum tragen kommen würden. Allein das sei für die Damen und Herren daher nicht verständlich, wenn hierzulande noch so viele Fehlgeburten auftreten, dass wir statistisch überhaupt von Belang seien.
Andere wiederum fanden, dass es keinerlei statistische Auswertung zum Thema Fehlgeburten bedarf, weil es ein persönliches und schwieriges Thema ist. Immerhin hat eine Frau ihr Kind verloren und der werdende Papa eben auch. Das sei schon schwierig genug, sodass man so etwas nicht breittreten oder statistisch festhalten müsse.
Tatsächlich hat man also wirklich das Gefühl, dass Fehlgeburten aus welchen Gründen auch immer tabuisiert werden. Für mich ist das Thema jedoch völlig normal und diskutabel, sodass ich gerne Eure Gründe erfahren möchte, wieso Ihr vermutet, dass dieses Thema so kontrovers verschwiegen wird? Habt Ihr da eine Idee oder denkt Ihr, dass es da wirklich nur um die Tatsache geht, ein Kind zu verlieren und das die Leute einfach ungern darüber reden wollen?
Es ist wahr, dass Fehlgeburten immer noch ein Tabuthema sind und ich denke, dass es mehrere Gründe dafür geben könnte. Zum einen gibt es möglicherweise ein Stigma, dass Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden, "versagt" haben oder dass es irgendwie ihre Schuld sei. Dies kann zu Scham und einem Gefühl der Isolation führen, da Frauen möglicherweise Angst haben, ihre Erfahrungen zu teilen, aus Angst vor Verurteilung oder Unverständnis.
Ein weiterer Grund könnte darin liegen, dass Fehlgeburten oft als etwas betrachtet werden, über das man nicht sprechen sollte, da sie als zu persönlich oder intim angesehen werden. Dies kann dazu führen, dass Frauen sich nicht getrauen, ihre Erfahrungen zu teilen, weil sie denken, dass andere Leute ihnen sagen könnten, dass sie das Thema nicht ansprechen sollen.
Ein dritter möglicher Grund könnte darin liegen, dass es immer noch ein Mangel an Bewusstsein und Verständnis dafür gibt, wie häufig Fehlgeburten tatsächlich sind und wie viele Frauen davon betroffen sind. Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass Fehlgeburten eine relativ häufige Erfahrung sind und dass es sehr wahrscheinlich ist, dass sie jemanden kennen, der eine Fehlgeburt erlitten hat.
Ich denke jedoch, dass es wichtig ist, über Fehlgeburten zu sprechen, um das Bewusstsein und das Verständnis dafür zu erhöhen, wie verbreitet und normal diese Erfahrung tatsächlich ist. Indem wir darüber sprechen, können wir Frauen helfen, die eine Fehlgeburt erlebt haben, sich weniger isoliert zu fühlen und sich sicherer zu fühlen, ihre Erfahrungen zu teilen. Außerdem kann das Teilen von Geschichten und Erfahrungen dazu beitragen, das Stigma und die Scham um Fehlgeburten zu verringern und dazu beitragen, dass Frauen sich weniger allein fühlen.
Fehlgeburten sind immer noch kein Thema, über das viel gesprochen wird. Deswegen haben viele Frauen leider immer noch das Gefühl es nicht gepackt zu haben und das scheinbar Leichteste nicht gepackt zu haben, quasi versagt zu haben. Das ist natürlich nicht so, aber es wird überall gezeigt wie einfach so eine Schwangerschaft ist und so weiter. Fehlgeburten sind einfach kein Thema.
Das fängt ja auch schon damit an, dass man dem Umfeld erst nach der 12. Woche davon berichten soll, schwanger zu sein. Ich habe das nach dem positiven Test gemacht und wäre auch bereit dazu gewesen über eine Fehlgeburt zu reden, wenn das der Fall gewesen wäre. Dann hätte man ja auch eine Erklärung für die Traurigkeit. Ich finde es schlimm, dass man nicht offen damit umgehen soll, nur weil es noch sehr früh ist, hat man da doch trotzdem darunter zu leiden.
Der Tod wird in unserer Gesellschaft so gut wie möglich verschwiegen und verdrängt. Das ist eine unübersehbare Binsenweisheit. Und wenn man sich wie die meisten Leute mit Gewalt an die Vorstellung klammert, dass nur alte und kranke Leute im Krankenhaus oder Pflegeheim sterben, sind Fehlgeburten noch schwerer zu akzeptieren, weil sie das gesamte Weltbild erschüttern. Wenn nicht mal Ungeborene im Mutterleib sicher sind, lauert der Sensenmann vielleicht doch an jeder Ecke. Dieser Gedanke macht vielen Leuten dermaßen Angst, dass sie davon nichts hören und sehen wollen.
Erschwerend kommt noch hinzu, dass auch das andere Ende des Lebens in den Augen vieler kein natürlicher biologischer Prozess ist, der eben auch fehlerhaft verlaufen kann. Statt dessen wird die Fortpflanzung eher als straff durchgeplantes Projekt angesehen, bei dem Scheitern nicht vorgesehen ist, weil man sich ja an alle Regeln hält und dafür quasi als Belohnung ein gesundes, properes Baby bekommt. Wenn auch Kinderkriegen als Leistung angesehen wird, ist es in einer Gesellschaft, in der vor allem Leistung und Ergebnisse zählen, doppelt und dreifach problematisch, ein entsprechendes Projekt nicht nach Schema F durchzuziehen.
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