Sollte es mehr Inklusion im deutschen Kinderfernsehen geben?
Die Bewohner der "Sesamstraße" bekommen eine neue Mitbewohnerin, nämlich die siebenjährige Elin.
Das Puppen-Ensemble bekommt damit zum ersten Mal eine Puppe mit Behinderung, wobei die Tatsache, dass Elin im Rollstuhl sitzt, nur eine ihrer zahlreichen Merkmale darstellt. Laut dem NDR hat sie einen sehr frechen Charakter, ist mutig, selbstbewusst und technikaffin. Außerdem bastelt das kleine Mädchen sehr gerne, hat tolle Einfälle und überraschende Lösungen und gibt nicht schnell auf. Allerdings ist sie auch mal ungeduldig und verhaspelt sich beim Sprechen. Der Rollstuhl ist für sie ein dazugehörendes Hilfsmittel im Alltag, soll in ihrer Rolle allerdings nicht zu sehr thematisiert werden.
Die Reaktionen auf das neue Sesamstraßen-Mitglied sind in den sozialen Medien durchwegs positiv. Auch viele User mit eigenen behinderten Kindern freuen sich über diese Neuerung.
Wenn ich so darüber nachdenke, gibt es in Kindersendungen noch viel zu wenige Charaktere mit Behinderungen. Spontan fällt mir gerade nur Klara von der Kult-Kinderserie "Heidi" ein, welche auch im Rollstuhl wegen einer Lähmung saß. Inklusion ist meiner Meinung nach leider noch viel zu selten Thema. Ich finde es allerdings auch schön, dass das Thema Behinderung bzw. der Rollstuhl dabei eben nicht im Fokus steht sondern so "mitläuft" als etwas ganz Normales.
Wie findet ihr die neue Mitbewohnerin der Sesamstraße? Kennt ihr weitere Kindersendungen in denen behinderte Menschen bzw. Charaktere eine Rolle spielen? Sollte ein solches Thema viel öfter auch in Kindersendungen aufgegriffen werden?
Spontan fällt mir Tiny Tim ein, der im Roman und natürlich in jeder der gut 50 Verfilmungen von Charles Dickens behindert ist. Übrigens kommen auch in fast der Hälfte der Märchen der Gebrüder Grimm geistig oder körperlich behinderte Figuren vor. Inklusion ist erst seit relativ kurzer Zeit nötig, früher waren nicht der Norm entsprechende Menschen nicht so ausgegrenzt.
Wenn ich überlege, wie viele behinderte Kinder und Jugendliche jeden Tag bei mir aus dem Schulbus steigen und tatsächlich nur morgens auf dem Weg zum Bus und mittags zurück in die Familie sichtbar sind, dann sollte sich da viel mehr tun.
Also durchweg positiv waren die Reaktionen in den sozialen Medien auch nicht. Nicht weil die neue Puppe im Rollstuhl sitzt, sondern weil sie in den Ankündigungen eher darauf reduziert wurde. Allerdings bin ich auch der Meinung, dass ein normaler Umgang mit den Menschen mit Handycap nicht durch das Kinderfernsehen gelehrt werden sollten, sondern durch die Eltern.
Diese sind dafür zuständig, dass die Kinder keine Berührungsängste haben, wenn sie einem Menschen mit körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung begegnen. Immerhin geht es dabei nicht um ansteckende Krankheiten. Aber Kinder können das auch nur lernen, wenn die Eltern da auch einen normalen Umgang pflegen.
Punktedieb hat geschrieben:Allerdings bin ich auch der Meinung, dass ein normaler Umgang mit den Menschen mit Handycap nicht durch das Kinderfernsehen gelehrt werden sollten, sondern durch die Eltern.
Das hört sich sehr löblich an, könnte aber nur in einer idealen Welt funktionieren, wo die Eltern auch tatsächlich erziehen und das auch noch nach allgemein anerkannten Werten. Die Realität sieht leider anders aus. Wie man bei uns im Nachbarhaus sieht, werden die Kinder einfach irgendwie von selbst groß.
Ihnen wird nichts beigebracht, was irgendwie mit gutem Benehmen oder Bildung zu tun hat, sondern nur, dass sie sich an keine Regel halten müssen und sich vor den "Bullen" nichts gefallen lassen müssen, solange sie noch keine 14 sind. Mit knapp zehn Jahren stehen sie immer noch unten im Hof und brüllen aus Leibeskräften nach "Mama!", die sich keinen Deut darum schert, sodass dieser Schrei auch gerne zehn- bis zwanzigmal wiederholt wird, bis endlich ein genervtes "Was?" vom Balkon gebrüllt wird.
Aber wie sollen die Kinder denn auch von ihren Eltern lernen, dass Behinderungen normal sind und zum Leben gehören, wenn sie von ihren Eltern beispielsweise zur Seite gezerrt werden und dann nur noch getuschelt wird, wenn ihnen ein Rollstuhlfahrer begegnet? Mein Freund sitzt im Rollstuhl und dieses Verhalten begegnet uns fast täglich! Er wird als Rollstuhlfahrer auch in der heutigen Zeit immer noch oft behandelt, als hätte er eine ansteckende Krankheit! Oder es passiert das andere Gegenteil, dass ihm sofort ohne zu fragen "geholfen" wird.
Da wird ihm einfach seine Tüte vom Schoß gerissen (Er sitzt in einem elektrischen Rollstuhl.) und irgendwo abgestellt, damit er "besser" den Bordstein hoch fahren kann und dann bleibt die Tüte da stehen und keiner denkt daran, dass er sich erst umständlich aus seinem Rollstuhl lehnen muss, um die Tüte dann mit einem gehörigen Kraftaufwand wieder hoch zu kriegen.
Wo sollen die Kinder denn bitte lernen, dass ein Rollstuhl etwas völlig Normales ist wie für andere ein Paar Schuhe? Die Kinder können es doch fast nur aus dem Fernsehen lernen, denn wo sieht man schon einmal ein behindertes Kind? Diese sind doch lange Zeit und teilweise auch heute noch "weggesperrt" worden in Sonderschulen. Und immer wieder wurde es damit begründet, dass man ja keine Möglichkeiten hätte, die Schule rollstuhlgerecht umzubauen etc.
Der ganze Gedanke der Inklusion wurde immer wieder von Erwachsenen zunichte gemacht, weil sie Hindernisse sahen oder erfanden, weshalb Behinderte nicht mit Nichtbehinderten zusammen unterrichtet werden können. Und diese Generation soll nun seinen Kindern beibringen, was gelebte Inklusion ist?
Ich finde, Behinderte sollten viel mehr im Alltag zu sehen sein. In ganz normalen Berufen. Was spricht dagegen, dass jemand mit Trisomie 21 als Kellner arbeitet? Und ein guter Anfang wäre es, wenn sie auch im Fernsehen viel mehr zu sehen sind. Das Kinderfernsehen bildet da einen guten Anfang. Aber auch im Erwachsenenfernsehen würde ich es mir wünschen, dass mehr Behinderte da zu sehen sind und sie nicht immer nur auf ihre Behinderung reduziert werden. Was spräche z.B. gegen einen Tagesschau-Sprecher im Rollstuhl? Ich kann mir den Aufschrei schon vorstellen und genau diese Menschen sollen ihren Kindern Inklusion vorleben? Ich finde den Ansatz mit der Figur in der Sesamstraße daher einen guten Anfang.
@SonjaB: Natürlich liegt es daran, wie die Eltern selbst mit Menschen umgehen, die eben ein Handicap haben. Ich habe früher auf dem Land gelebt. Eine damals gute Bekannte hat zwei schwertbehinderte Kinder. Sie sind 2 oder 3 Jahre älter als meine Beiden. Die Tochter braucht eine 24 Stunden Pflege, da sie nichts weiter kann als liegen und selbstständig atmen. Die Ernährung erfolgt über Sonde, Ausscheidungen landen in der Windel. Blind und taubstumm ist sie dazu.
Der Junge kann zwar nicht reden, aber wird wohl mal in einer betreuten Einrichtung halbwegs klar kommen, wenn die Eltern irgendwann nicht mehr können. Aber er versteht zumindest wenn man ihm was sagt und reagiert darauf. Die Bekannte hatte natürlich da auch entsprechend negative Erfahrungen gemacht und war dann sehr vorsichtig in Bezug auf andere Kinder.
Ich habe meine Kinder und auch andere Kinder aus dem Bekanntenkreis waren dabei mit dem Jungen spielen lassen. Das ging super und es gab keine Probleme. Meine Kinder haben so früh wie möglich einen normalen Umgang mit behinderten Menschen durch mich erlebt. Und entsprechend gehen sie heute auch normal mit ihnen um. Sie wussten schon im Kindergarten, dass es keine ansteckenden Krankheiten sind und man einfach Hilfe anbietet.
Dass aber bei anderen Familien nicht nur die Toleranz in der Erziehung fehlt, sondern die Erziehung quasi komplett nicht statt findet, ist leider auch kein neues Phänomen. Solche Familien gab es schon immer und die wird es auch immer geben.
Ich finde es großartig, dass die Sesamstraße nun endlich auch eine Puppe mit Behinderung als festen Charakter einführt. Es ist wichtig, dass Kinder bereits früh im Leben lernen, dass Menschen mit Behinderungen genauso Teil unserer Gesellschaft sind wie alle anderen. Es sollte normalisiert werden, dass es Menschen gibt, die aufgrund körperlicher Einschränkungen Hilfsmittel wie Rollstühle benötigen, und das ist genau das, was die Sesamstraße mit der Einführung von Elin tut.
Ich denke, dass es in der Tat viel zu wenige Kindersendungen gibt, in denen Charaktere mit Behinderungen vorkommen. Es ist wichtig, dass Kinder lernen, dass es verschiedene Arten von Behinderungen gibt und dass diese Menschen trotz ihrer Einschränkungen genauso wertvoll und fähig sind wie andere. Ich denke, dass diese Art von Darstellung in den Medien dazu beitragen kann, die Akzeptanz und Toleranz von Menschen mit Behinderungen zu fördern.
Ich kann mich nicht an viele Kindersendungen erinnern, die Charaktere mit Behinderungen beinhalten, abgesehen von Klara in "Heidi". Allerdings kann ich mich an ein paar Filme erinnern, wie z.B. "Mein linker Fuß" oder "Forrest Gump", die sich mit dem Thema Behinderung auseinandersetzen. Es ist jedoch bedauerlich, dass es nicht mehr Kindersendungen gibt, die dieses Thema aufgreifen.
Ich denke, dass Kindersendungen eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Werten und der Förderung von Akzeptanz spielen. Es wäre großartig, wenn mehr Sendungen Charaktere mit Behinderungen einführen würden und diese als ganz normal darstellen würden, ohne dass das Thema immer im Vordergrund steht. Es ist wichtig, dass Kinder lernen, dass Menschen mit Behinderungen genauso Teil unserer Gesellschaft sind wie alle anderen, und dass sie genauso fähig und wertvoll sind.
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