Ist es schlecht, wenn man Leute an ihren Schritten erkennt?
Ich habe das Gefühl, dass nach und nach das Thema „psychische Krankheiten“ in der heutigen Zeit immer mehr in den Vordergrund rückt, vor allem was die sozialen Medien wie Instagram und vor allem TikTok angeht. Ob das gut oder schlecht ist, möchte ich jetzt nicht diskutieren. Das muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er das unterstützen möchte oder sich nicht damit beschäftigen kann und will.
Ein Beitrag auf TikTok, der mir jedoch seit einigen Tagen nicht mehr aus dem Kopf geht ist der, dass es ein schlechtes Zeichen sein soll, wenn man Leute an ihren Schritten erkennen kann. Angeblich würde es vor allem auf vorgegangene Traumata anspielen, vor allem aus der Kindheit - man soll wohl eine Angst haben und extrem wachsam und achtsam sein, was die Schritte von bestimmten Menschen angeht, was dazu führt, dass man beim Klang von gewissen Schritten sofort in Alarmbereitschaft ist und dazu bereit eine Handlung entweder zu unterlassen oder auszuführen beziehungsweise versucht sich sofort der Situation zu entziehen.
Ich kann es mir in mancher Hinsicht schon vorstellen, dass an dieser These etwas Wahres dran ist. Jemand, der in der Kindheit zum Beispiel von einem Elternteil Gewalt erfahren hat oder Missbrauch, der wird sich sicherlich an die Schritte erinnern und sie erkennen, beispielsweise wenn das Kind in seinem Zimmer spielt und sich dann die Schritte eines Elternteils nähern. Je öfter diese Schritte mit der Angst oder einem anderen schlimmen Ereignis des Missbrauchs verbunden werden, desto eher werden sie sich wohl im Gedächtnis einprägen.
Andererseits denke ich, dass es eher an allgemeinen Erinnerungen liegt. Mein Hund erkennt beispielsweise im Treppenhaus genau, ob mein Partner oder ich uns der Wohnungstür nähern oder ob es einfach nur andere Nachbarn sind. Wir konnten mittels der Kamera öfter beobachten, dass er sich bei den Schritten der Nachbarn nicht bewegt, aber bereits zur Tür läuft, wenn er meinen Partner oder mich hört und da würde ich ausschließen, dass der Hund uns mit Angst oder traumatischen Ereignissen verbindet.
Ich vermute, dass euch der Hund am Geruch erkennt und nicht an den Schritten. Ich kenne mich mit Hunden allerdings nicht so aus, weiß nur, dass sie extrem gut riechen und sogar Fährten von Leuten im Auto verfolgen können.
Ich finde es sehr weit hergeholt, dass es auf ein Trauma hindeutet, wenn man Leute an ihren Schritten erkennt. Ich erkenne viele Freunde und Verwandte, besonders meine Kinder auch jetzt noch als Erwachsene, an den Schritten, habe aber kein Trauma. Ein Psychologe würde vielleicht sagen, dass ich dieses Trauma verdränge und deshalb nichts davon weiß. Ich erkenne auch Leute, die hinter mir stehen, am Geruch und an den Atemgeräuschen. Deutet das auch auf ein Trauma hin?
Man kann wahrscheinlich so ziemlich alles pathologisieren wenn man möchte. Wobei ich nicht behaupten möchte, dass Aussagen wie diese hier nie zutreffen können, aber solche allgemeingültigen Aussagen, für die es auch völlig banale Erklärungen gibt, finde ich immer schwierig.
Tatsache ist doch einfach, dass Menschen unterschiedlich gehen und, dass ihre Schritte deshalb unterschiedlich klingen und das bevorzugte Schuhwerk spielt natürlich auch eine Rolle. Ich hatte zum Beispiel mal eine Lehrerin, die immer hohe Schuhe getragen hat und wir hatten in der Schule einen Fliesenboden in den Gängen. Man hat sie kommen gehört bevor man sie gesehen hat.
Ich würde mich jetzt nicht als extrem wachsam, aufmerksam und traumatisiert bezeichnen, aber ich kann viele Geräusche Personen oder Dingen zuordnen. Ist das nicht normal wenn man nicht ständig mit Stöpseln in den Ohren durch die Welt läuft? Man lernt doch auch andere Sinneseindrücke wie Gerüche zuzuordnen, warum soll das bei Geräuschen nicht genauso funktionieren? Oder gelte ich auch als traumatisiert wenn ich weiß, was mein Partner gekocht hat, noch bevor ich in den Topf schaue?
Ich weiß, wer durch den Flur geht. Ich erkenne die Schritte aller meiner Familienmitglieder und Nachbarn und dazu die meisten Autos der genannten. Die Hunde können das natürlich auch und sogar die Meerschweinchen erkennen die Ankunft ihres Futterspenders schon, wenn der noch Treppen steigt und den Wohnungsschlüssel noch nicht gezückt hat. Meine Kinder können das auch. Und ich halte das für vollkommen normal. Missbraucht wurde hier sicher niemand.
Speziell hier am Arbeitsplatz erkenne ich die Schritte der meisten Kollegen, wenn sie am Flur entlang laufen. Die Tür zum Büro steht meistens offen, sodass ich die Schritte gut hören kann, und die meisten Kollegen kann ich anhand ihrer Schritte identifizieren. Das liegt unter anderem natürlich auch am bevorzugten Schuhwerk. Gerade vor einer Stunde lief eine Kollegin entlang, deren relativ laute Ledersohlen immer auffällig klappern, weswegen es völlig eindeutig war, wer gleich auftauchen wird. Im Gegensatz dazu hat mein Teamleiter einen federnd-weichen Gang, der gut zu identifizieren ist.
Ehrlich gesagt denke ich nicht, dass dies eine besondere Fähigkeit ist, die womöglich an irgendwelche Traumata geknüpft ist. Ich selbst kann mich jedenfalls nicht an irgendwelchen Missbrauch erinnern. Wobei ich damals als Jugendlicher einfach gern von meinen Eltern in Ruhe gelassen werden wollte und deswegen froh war, wenn keine Schritte in Richtung meines Kinderzimmers zu hören waren. Das lag aber einfach daran, dass meine Mutter dazu tendiert hat, mir irgendwelche Sachen aufzutragen, die ich nicht gern machen wollte (Zimmer aufräumen zum Beispiel).
Mir ist bekannt, dass Tiere teilweise sehr stark ausgeprägte Ahnungen haben (Präkognition). Die ahnen, wann jemand kommt- Minuten vorher, da können sie noch gar nichts hören. Und, natürlich- wenn sie was hören, dann sind sie dabei natürlich viel besser, als Menschen. Ich für meinen Teil habe mal im Büro gearbeitet. Einige weibliche Kolleginninnen hatten oft Schuhe an, die recht laut auf dem Flur klangen (hatte Tür auf). Ich fand das schön, das war irgendwie erotisch, weil ich sie schon vor mir auf dem Flur hatte gehen sehen. Natürlich wusste ich dann auch jedes Mal, ob das diese oder jene Kollegin war. Das hat mir das Grau da immer ein wenig bunter gemacht.
Ich kann verstehen, warum dieser TikTok-Beitrag bei dir einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Es ist durchaus möglich, dass bestimmte Schritte negative Assoziationen auslösen, insbesondere bei Menschen, die in ihrer Vergangenheit traumatische Ereignisse erlebt haben. Wie du bereits erwähnt hast, können die Schritte eines Elternteils, der Gewalt oder Missbrauch ausübt, im Gedächtnis des Kindes haften bleiben und Angstzustände auslösen.
Jedoch denke ich auch, dass es in vielen Fällen eher an allgemeinen Erinnerungen liegt. Wie du schon richtig bemerkt hast, kann es beispielsweise bei Tieren wie deinem Hund der Fall sein, dass er durch das Geräusch von bestimmten Schritten in Verbindung mit positiven Ereignissen konditioniert wurde, wie zum Beispiel mit der Anwesenheit seiner Lieblingsmenschen.
Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jeder, der aufgrund von Schritten oder anderen Geräuschen eine Reaktion zeigt, zwangsläufig ein traumatisches Ereignis erlebt hat. Manchmal können auch alltägliche Geräusche oder Muster uns beeinflussen und uns an vergangene Erlebnisse erinnern.
Ich denke, es ist immer wichtig, auf die individuellen Bedürfnisse und Erfahrungen eines jeden Menschen einzugehen. Wenn jemand aufgrund von bestimmten Geräuschen oder Ereignissen unter Angstzuständen leidet, ist es empfehlenswert, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine Therapie kann dabei helfen, traumatische Erfahrungen zu verarbeiten und die negativen Assoziationen mit bestimmten Geräuschen oder Ereignissen zu minimieren.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich es begrüße, dass in der heutigen Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit auf das Thema psychische Gesundheit gelegt wird, insbesondere in den sozialen Medien. Es ist wichtig, dass wir alle offen und ehrlich über unsere Erfahrungen und Gefühle sprechen können, um das Bewusstsein zu erhöhen und Hilfe und Unterstützung für diejenigen zu bieten, die sie brauchen.
Rehbock, Präkognition ist nicht im Spiel, wenn Hunde schon vorher wissen, wann ihr Mensch kommt. Wenn die Bezugsperson geht, hängt deren frischer Geruch im Raum. Mit der Zeit schwächt der sich ab. Hunde haben schnell raus, welche Duftdichte nach Job und Heimfahrt im Raum vorhanden ist. Und so werden sie eben auch dann schon unruhig, wenn vom Zweibeiner nichts zu hören sein kann.
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