Braucht es mehr Aufklärung, um Antisemitismus vorzubeugen?
Bei web.de gibt es in den Berichten in letzter Zeit immer mal wieder eine Umfrage. Und eine der letzten Fragen war die obige. Ich begann ein wenig darüber nachzudenken, denn ich konnte und wollte die Frage nicht einfach mit ja oder nein beantworten.
Ich bin eigentlich der Meinung, dass Antisemitismus nicht mehr wirklich etwas mit Unwissen zu tun hat, sondern dass es eher ein generelles Problem ist, dass man gerne ein "Feindbild" hat oder auch bestimmte Vorurteile. Man kann sogar wissen, dass es Vorurteile sind, aber man hat sie eben doch. Das mag sich dann äußern in einem generellen Hass gegen Männer, der Behauptung, dass Intelligenz bzw. Bildung mit der Haarfarbe zu tun haben oder auch der Abstammung aus Ostfriesland, Ostdeutschland, Bayern usw.
Und gerade, wenn man sehr erregt bzw. wütend ist, kommen einem eben Beleidigungen in den Sinn bzw. sie rutschen einem sogar heraus. Und ähnlich sehe ich es mittlerweile auch im Bereich des Antisemitismus. Klar gibt es auch andere Gründe dafür, aber ich selbst denke, dass es mittlerweile nicht mehr nur mangelnde Bildung oder Aufklärung sind.
Wie denkt Ihr darüber? Würde mehr Aufklärung Antisemitismus vorbeugen? Oder wird es ein gewisses Maß an Antisemitismus immer geben, weil der Mensch eben so veranlagt ist, irgendeine Gruppe von Menschen als Feindbild haben zu wollen?
Ich denke schon, dass man Kinder früh über Hass aufklären muss. Nicht unbedingt nur Antisemitismus, im Sinne der Nazizeit, aber man muss versuchen möglichst wenig Kinder auf diese Schiene kommen zu lassen, auch um vielleicht Mobbing vorzubeugen. Das finde ich schon wichtig und das sollte durchaus auch in Schulen stattfinden.
Ich meine es hat auch viel mit dem Elternhaus zu tun. Ich kläre meine Kinder auf und rede mit ihnen darüber, was wir so in der Welt sehen. Steht da ein schwarzer Mensch und ein Kind stellt die Frage, warum die Hautfarbe anders ist und der "komisch" aussieht, dann kann man das ja erklären und eben auch sagen, dass das vollkommen okay ist. Vor allem würde ich aber keine Hassbotschaften einfach so im Raum stehen lassen und immer meine Meinung dazu sagen und damit kann ein Kind dann eben auch beide Seiten sehen. Aufklärung ist also auch aus dem Elternhaus heraus wichtig.
Ramones hat geschrieben:.... dass das vollkommen okay ist.
Das würde ich auf keinen Fall sagen. Dadurch kommt das Kind doch erst auf die Idee, dass das eventuell nicht okay sein könnte. Da werden schon die ersten Vorurteile gelegt. Der sieht zwar anders aus als ich, aber gnädigerweise toleriere ich das. Wenn eine Frau mit sehr blonden Haaren daherkommt und das Kind fragt, warum sie so weiße Haare hat, sage ich doch auch nicht, dass das schon okay ist. Es gibt halt Leute mit vielen Sommersprossen, hellen Haaren, langen Fingern, kurzen Beinen, X-Beinen, O-Beinen, schmalen Augen, runden Augen und so weiter. Das ist nicht nur okay, sondern normal.
Im Kindergarten hatte mein jüngster Sohn den Maikol als Freund. Er hatte eine dunkle Hautfarbe, aber das war nie ein Thema für meinen Sohn. Es war halt der Maikol, der sich traute vom Ein-Meter-Brett zu springen. Die Kinder haben doch normalerweise viel weniger Vorurteile als die Erwachsenen, wenn sie mit vielen Kulturen zusammen aufwachsen. Ein Junge mit einer sehr dunklen Hautfarbe kann eine deutschere Kultur haben als ein Deutscher, je nachdem in welchem Umfeld die beiden aufwachsen. Vom Aussehen oder der Religion auf den Charakter oder die Fähigkeiten zu schließen, ist Rassismus.
Ich bin im Unterbewusstsein rassistischer als meine Kinder, weil es in meiner Kindheit nicht so divers zuging, wie meine Kinder das im Kindergarten und in der Schule erlebt haben. Bei uns gab es ein paar Türken im Dorf und meine Mutter sagte einmal zu mir: Schau doch mal, wie das kleine Kind lacht. Da ist doch gar kein Unterschied zu unseren Kindern. In meinem Unterbewusstsein blieb hängen, dass diese Türken doch irgendwie anders seien oder dass man meinen könnte, sie seien irgendwie anders. Meine Mutter meinte es nicht böse, aber an diese Geschichte erinnert mich dein: "Das ist okay".
Ich glaube auch nicht, dass mangelndes Wissen der Hauptgrund für Diskriminierungen aller Art, darunter auch Antisemitismus ist. In meinen Augen sind die Details, warum und wie genau jemand irgendwie "anders" ist, völlig zweitrangig, auch wenn es immer interessant ist, dazuzulernen. Es kommt darauf an, die Person deswegen nicht zu diskriminieren.
Und auch in meinen Augen fängt Diskriminierung schon damit an, wenn es heißt, Schwarze Menschen, Juden, Ordensleute, Schwule, was auch immer, seien "auch nur Menschen" oder "doch irgendwie Leute wie wir". Wenn es extra erwähnt werden muss, dass Person X "okay" sei, impliziert das ja, dass Person X wegen ihrer wie auch immer erkennbaren Normabweichung "nicht okay" sein könnte, aber eben eine von den "Guten" ist, weil sie niedliche Kinder hat, oder fleißig arbeitet, oder Schinkensemmeln isst, oder supergut Deutsch kann oder sonst wie nicht dem Klischee der "minderwertigen" Person X entspricht.
In meinen Augen ist die Gesellschaft als Ganzes gefragt, um Antisemitismus und andere Formen der Diskriminierung zurückzudrängen. Wenn die sozialen Repressalien groß genug sind, sind die meisten Leute doch clever genug, ihre Ressentiments zumindest für sich zu behalten. Aber solange "Judenwitze" noch gesellschaftsfähig sind und Onkel Eberhard nicht grob über den Mund gefahren wird, gibt es noch viel zu tun in unserer Gesellschaft.
Ich kann mich den meisten Meinungen hier anschließen. Ich habe auch kein Problem damit, wenn hier gesagt wird, dass eine andere Hautfarbe auch "okay" ist, denn ich habe es so verstanden, dass dem Kind eben vermittelt wird, dass es viele verschiedene Hautfarben gibt und keine besser oder schlechter ist. Dass derjenige mit der anderen Hautfarbe eben doch etwas besonderes ist, merkt das Kind schon selbst, wenn es ansonsten nur weißhäutige Menschen zu Gesicht bekommt.
Und ich denke auch, dass es mehr ein gesellschaftliches Umdenken geben muss auf vielen Ebenen. Bei uns in der Familie war es eben nicht Onkel Eberhardt mit seinen "Judenwitzen", sondern es war mein Vater mit seiner Abneigung gegen Ausländer, insbesondere solchen aus der Türkei. Da er aber das Oberhaupt der Familie war, sagte keiner was dagegen, auch wenn ich schon als Kind das betretene Schweigen danach wahrgenommen habe.
Ich bin froh, dass es eine Reihe von Gründen gab, weshalb weder mein Bruder noch ich diese Abneigung übernommen haben. Aber nachdem ich erst vor einigen Jahren vom tiefsten Schleswig-Holstein nach NRW gezogen bin, wo es sehr viel vielfältiger zugeht, frage ich mich, warum uns etwa auch das Fernsehen immer noch vorgaukelt, dass es diese Vielfältigkeit in der Bevölkerung gar nicht gebe.
Nur in ganz kleinen Teilen sehe ich in den deutschen Produktionen, dass mal jemand mit einer dunkleren Hautfarbe dort auftaucht. Oder jemand, dessen Wurzeln vermutlich nicht in Deutschland liegen. Aber dann wird es in der Regel auch gleich zum Thema der Sendung gemacht. Die einzige Ausnahme davon, die mir einfällt, ist "Der Alte". Aber - um zum Thema zurückzukehren - zum Beispiel einen seinen Glauben offen zeigenden jüdischen Schauspieler wüsste ich jetzt in keiner Sendung gesehen zu haben.
Auch insofern bin ich aber der Meinung, dass es nicht unbedingt mehr Aufklärung braucht, als es schon gibt und die auch weiter geführt werden sollte. Ich denke, es muss nur normaler werden, dass es in der deutschen Bevölkerung sehr vielfältig zugeht, was die Abstammung, die Hautfarbe, die sexuelle Orientierung oder eben auch den Glauben angeht.
Antisemitismus ist ein schwieriges und sensibles Thema, über das man nicht leichtfertig urteilen sollte. Ich denke, dass es verschiedene Gründe dafür geben kann, warum Menschen antisemitische Vorurteile haben. Einige davon können mit mangelnder Bildung und Unwissenheit zusammenhängen, andere wiederum können aus einer tief verwurzelten Abneigung gegenüber allem Fremden oder einer generellen Ablehnung von Minderheiten resultieren.
Ich denke jedoch, dass es möglich ist, Antisemitismus durch Bildung und Aufklärung zu bekämpfen. Vor allem in der Schule sollte das Thema Holocaust und Antisemitismus präsenter sein und intensiver behandelt werden. Es sollte vermittelt werden, dass die Diskriminierung und Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Religion niemals toleriert werden darf.
Allerdings glaube ich auch, dass es ein gewisses Maß an Antisemitismus immer geben wird. Es wird immer Menschen geben, die anderen aufgrund ihrer Herkunft oder Religion Vorurteile entgegenbringen und diskriminieren. Doch das bedeutet nicht, dass wir nichts dagegen tun sollten. Jede einzelne Person kann ihren Teil dazu beitragen, indem sie sich bewusst gegen Vorurteile und Diskriminierung einsetzt und sich für Toleranz und Akzeptanz einsetzt.
Insgesamt denke ich, dass es wichtig ist, das Bewusstsein für das Thema Antisemitismus zu schärfen und aktiv dagegen anzugehen. Aber es wird wohl immer Menschen geben, die trotz aller Bildung und Aufklärung antisemitische Vorurteile haben und ausleben. Wir sollten uns jedoch nicht entmutigen lassen und uns weiterhin für eine tolerante und vielfältige Gesellschaft einsetzen.
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