Ich kann meiner Mutter nicht verzeihen
Ich kann nachvollziehen, wie schwierig die Zeit vermutlich in eurer Beziehung gewesen ist. Aber umso mehr kannst Du Dich eigentlich freuen, dass eure Beziehung diese Belastungsprobe schon fast "überstanden" hat. Dein Freund sagt, dass es nun so gewesen ist und Du darüber nicht mehr nachdenken brauchst.
Kannst Du denn überhaupt Dich normal unterhalten mit deiner Mutter? Dann suche das Gespräch mit ihr und erzähle Ihr doch mal davon, wie Du Dich gefühlt hast. Wenn Du aber der Meinung bist, dass Sie Dir eh nicht zuhört, dann ist das wohl nicht sehr sinnvoll. Vielleicht wäre es für Dich auch leichter, deine Gedanken dazu mal in einem Brief aufzuschreiben, ob Du den dann ihr gibst, bleibt Dir selbst überlassen. Was hättest Du denn von deiner Mutter gewollt oder gebraucht? Ist das Thema immer noch ein ständiges Thema in eurer Beziehung, welches noch zu Streitigkeiten führt?
Ich habe natürlich nicht den Einblick in euer Familienleben, aber zur der Regelung, die deine Mutter generell festgelegt hatte, kann ich gar nicht so viel schlimm finden. Denn nach einer für deine Mutter angemessene Zeit, hat Sie Euch ja erlaubt, bei dem jeweils Anderen zu übernachten. Natürlich hat es lange gedauert, aber anscheinend hat Sie deinen Freund ja jetzt auch akzeptiert, oder?
Dass Elternteile bei Mädchen vorsichtiger sind kenne ich auch, natürlich ist das an sich Quatsch, denn wenn die Freundin deines Bruders schwanger wäre, würde er dennoch zumindest wohl zahlen müssen für das Kind, wenn man es so einfach betrachten möchte. Aber überlege auch, dass Du eventuell schon in deiner Familie viel für den Weg deines Bruders vorgearbeitet hast. Vielleicht hätte er es gar nicht so einfach gehabt, wenn Du nicht schon die Situation mit deiner Mutter gehabt hättest?
Was war für Dich denn wirklich an der ganzen Sache so schlimm, dass Du ihr nicht verzeihen willst oder kannst? Kannst Du das klar sagen, was für Dich so schlimm gewesen ist?
Crispin hat geschrieben:Ich muss aber ehrlich sagen, dass ich auch nicht verstehe, wieso du deine Mutter mit sechzehn Jahren noch fragst, ob du woanders übernachten darfst. Ich hätte vielleicht im Alter von 14 Jahren noch gefragt, aber danach hätte ich es ganz genauso gemacht, wie dein Bruder, nämlich einfach Bescheid sagen und gehen. In der Hinsicht bist du eigentlich selbst Schuld.
Da bin ich aber anderer Meinung. Vielleicht sind deine Eltern etwas lockerer und haben dich anders erzogen, aber meine Mutter hat, als ich sechzehn war, von mir erwartet, dass ich am Wochenende spätestens um Mitternacht den Heimweg antrete. Natürlich habe ich das nicht immer gemacht, sondern war auch manchmal um Eins noch nicht daheim. Dann gab es Telefonterror und am nächsten Tag ein Riesengeschrei, weil ich ihr den Schlaf geraubt hatte. Ihre Argumente waren, dass sie sich Sorgen machte, wenn ich weg war und deshalb nicht schlafen konnte. Sie konnte natürlich auch nicht schlafen, wenn ich sicher und wohlbehalten bei meinem Freund war.
Ich habe natürlich alles versucht. Ich habe normal mit ihr geredet, sie gebeten, mich mit ihr gestritten und einmal habe ich beschlossen, mich über ihr verbot hinwegzusetzen, habe gesagt, dass ich bei meinem Freund übernachte und habe einfach nach dem zehnten Anruf von ihr mein Handy ausgemacht. Daraufhin kam sie ernsthaft mitten in der Nacht mit dem Auto, hat vor der Haustür meines Freundes gehalten und so lange gehupt, bis ich rausgekommen bin. Dann hat sie uns beide rundgemacht und meinem Freund eine Woche Besuchsverbot erteilt. Klar, dass er sich darüber nicht hinwegsetzen wollte, um sich nicht noch unbeliebter zu machen. Außerdem hat sie damit gedroht, das nächste Mal die Polizei zu rufen, wenn ich nicht erreichbar bin. Die Alternative war, alle zwei Minuten von ihr angerufen zu werden.
Ich weiß heute immer noch nicht, was ich anders hätte machen sollen. Deshalb denke ich keineswegs, dass es meine Schuld ist. ich hatte einfach keine andere Wahl als meiner Mutter zu folgen. Gut, irgendwann hatte ich sie ja lange genug genervt und durfte dann auch endlich übernachten. Das hat aber ein halbes Jahr gedauert und hätte sich ohne die ganze Streiterei noch viel länger hingezogen.
Als ich meinen ersten Freund hatte, war es bei mir ganz ähnlich, allerdings trotzdem noch weitaus schlimmer als bei dir. Ich war 17 Jahre alt und mein Freund wohnte eine Stunde Fahrt entfernt. Dennoch sträubten sich meine Elter unfassbar lang gegen das Übernachten. Als sie es dann irgendwann erlaubten, musste mein Freund sehr lange im Gästebett im Wohnzimmer schlafen, sogar als ich dann schon 18 war. Meine Eltern wollten alles kontrollieren und ihm Griff haben.
Trotz der ganzen Maßnahmen durfte ich mir immer wieder anhören, ich sei mit 17 oder 18 Jahren noch viel zu jung für einen Freund und erst recht fürs Übernachten. Dazu durfte ich mir ein paar üble Schimpfwörter in Richtung Flittchen anhören. Dabei ist meine Mutter selbst mit 19 geplant schwanger geworden und sieht das Alter als völlig normal an, zumindest für damalige Verhältnisse. Dabei ist sie eben auch nur 20 Jahre älter als ich und so extrem viel anders dürfte es damals nicht gewesen sein Keine Ahnung, woher ihre verqueren Ansichten herrühren.
Ich kann viele Ansichten und Entscheidungen meiner Eltern bis heute nicht nachvollziehen und nehme es ihnen bis heute noch übel, was damals in meiner Kindheit und Jugend so ablief. Allerdings kann man die Zeit nicht zurückdrehen und es bringt ja nichts, sich jetzt darüber zu ärgern und den Eltern Vorwürfe zu machen. Man kann sich nur vornehmen, es bei den eigenen Kindern später mal anders zu machen und aus solchen Situationen und Momenten zu lernen.
Mir tut sehr leid, dass du das so erleben musst und natürlich ist es unfair. Es ist leider oft noch so in den Köpfen, dass Mädchen besonders von allem ferngehalten werden müssen und man stolz auf Jungen ist, wenn sie möglichst früh loslegen. Das ist wirklich kein modernes Bild und man müsste das auf jede Fall überdenken, allerdings ist es auch oft so, dass das erste Kind streng erzogen wird und man dann einfach beim zweiten Kind lockerer ist.
Ich finde du hast gut klargemacht, was dein Problem mit der Sache ist. Allerdings solltest du dir auch die Frage stellen, ob du dir das für deinen Bruder nun auch so wünschen würdest, nur damit es fair ist. Sicherlich ist dies nicht der Fall, also freue dich einfach mit ihm und was du für Probleme mit deiner Mutter hast, dafür ist er ja auch nicht zuständig. Er nutzt eben die Freiheiten, die er bekommt und das ist ja auch richtig so.
Ich denke, dass das nun jetzt auch so ist und das sicherlich eine große Ungerechtigkeit ist, aber diskutieren und miteinander reden scheint hier ja nichts zu bringen, weswegen ich schon daran arbeiten würde dies zu verarbeiten. Du bist älter geworden und reflektierst nun natürlich auch.
Ehrlich gesagt finde ich es schon sehr gut, dass dein Freund bei dir geblieben ist, bei dem Gegenwind den er bekommen hat und wenn er da irgendwie damit umgehen kann, solltest du auch an dir arbeiten. Wenn du deiner Mama nicht verzeihen kannst, dann solltest du dir vielleicht mal eine Pause von ihr gönnen und es damit begründen, dass du dich schlecht behandelt fühlst. Der Abstand würde euch sicherlich gut tun.
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