Wegen viel Stress als Hypersensibel bezeichnet werden?
Eine Kommilitonin von mir kommt mit der Zeitplanung während des Studiums nicht so gut klar. Wir haben ziemlich viel zu tun und das setzt ihr inzwischen sehr zu. Früher konnte sie damit besser umgehen, seit kurzem hat sie aber einen Freund und dadurch noch weniger Zeit als ohnehin schon. Nun hat ihr Freund neulich gemeint, dass sie sich nicht so anstellen solle. So viel Stress hätte sie gar nicht, sie wäre nur Hypersensibel. Hypersensible erleben viele Dinge als Stress, die für andere Menschen eher normal sind.
Das hat meine Bekannte natürlich ziemlich aufgeregt. Immerhin ist bei ihr durchaus erkennbar, dass sie viel zu tun hat und sich nicht schon durch wenige Dinge überfordert fühlt. Seit ihr auch schon mal als hypersensibel bezeichnet worden oder denkt ihr das über andere Menschen, wenn diese sich durch zu viel Stress überfordert fühlen? Wo ist da für euch die Grenze? Ist für andere Menschen eine gewisse Auslastung normal, während es bei anderen schon zu viel ist?
Ich sehe da schon ziemliche Unterschiede und jeder Mensch hat ein anderes Empfinden für Stress. Das sehe ich schon bei meinem Partner und mir. Er hat ziemlich viel um die Ohren und viele Termine und ähnliches und ist dennoch meist eher nicht gestresst.
Bei mir ist es da schon bei ein paar Dingen so, dass ich mich schneller gestresst fühle und froh bin, wenn diese Phasen vorbei sind. Einen Job und so viele Hobbys wie mein Partner hat, käme für mich nicht in Frage. Da wäre ich wohl dauerhaft gestresst. Ich denke, dass man da nicht pauschal sagen, dass jemand wenig Stress hat oder sich weniger gestresst fühl oder umgekehrt. Wenn deine Freundin die Zeit gerade stresst, dann ist das eben so.
Ich würde nicht sofort mit solchen Begrifflichkeiten um mich werfen. Gerade wenn die Person doch eh schon gestresst, kann man ja auch durchaus etwas sensibler sein und vielleicht lieber ein paar nette Worte finden als gleich ausfallend zu werden. Ich meine wie man Stress einschätzt hängt doch von jedem selber ab und es gibt durchaus auch verschiedenen Stress. So kann man den eben auch unterschiedlich empfinden.
Als Beispiel würde mir da Lärm einfallen. Laute Musik kann positiv und auch negativ wahrgenommen werden, somit Stress auslösen oder eben nicht. Zudem gibt es einfach Menschen, die immer total entspannt sind und mit allem gut umgehen können und welche, die sofort zum Nervenbündel werden und dann total gestresst sind.
"Hypersensibel" heißt erst mal gar nichts. Es gibt in der Psychologie den Begriff "Hochsensibilität", welcher die Eigenart beschreibt, überdurchschnittlich intensiv auf Reize zu reagieren und entsprechend eben auch schneller davon überfordert zu werden. Ganz grob zusammengefasst, so wie ich es eben kapiert habe. Ist der Typ denn Psychologe? Am anderen Ende des Spektrums meint man mit "hypersensibel": Hör auf zu zicken, du nervst! Und ich fürchte fast, dass hier Zweiteres gemeint war.
Ich finde sowieso den Trend, als Laie mit psychologischen Fachbegriffen um sich zu werfen, wenn es eigentlich nur darum geht, dass jemand nervt, mehr als fragwürdig. Da ist jemand immer gleich toxisch, narzisstisch, autistisch oder in diesem Fall hypersensibel.
Und dass Menschen unterschiedlich belastbar sind, ist schließlich eine Binsenweisheit und nicht von vorneherein krankhaft. Das Leben kann brutal anstrengend sein, und unsere "Leistungsgesellschaft" kennt keine Gnade, egal ob du doppelt, dreifach oder vierfach mit Job, Studium, Familie, Gesundheit oder was auch immer belastet bist. Du hast gefälligst alles mit einem Lächeln zu wuppen und dabei (besonders als Frau) noch attraktiv auszusehen und dich gefällig zu benehmen, damit du keine Arbeit machst. Dass da nicht jeder dauerhaft mitmachen kann und will, halte ich für ganz normal.
Ich kann gut verstehen, dass deine Bekannte sich durch die Aussage ihres Freundes verletzt und nicht verstanden fühlt. Es ist niemals angenehm, wenn man das Gefühl hat, dass andere einem die eigenen Gefühle absprechen oder herabwürdigen. Ich denke aber auch, dass es wichtig ist, hier ein differenzierteres Bild zu betrachten.
In der Tat gibt es Menschen, die hypersensibler auf Stress reagieren als andere. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass diese Personen weniger zu tun haben als andere oder dass sie sich einfach nur anstellen. Jeder Mensch hat eine individuelle Grenze dessen, was er oder sie an Stress verkraften kann. Die einen sind belastbarer als die anderen und das ist auch völlig okay so. Man sollte nicht versuchen, sich mit anderen zu vergleichen oder die eigenen Empfindungen herunterzuspielen, nur weil man den Eindruck hat, dass andere es besser verkraften.
Ich denke, dass es wichtig ist, dass man auf seine eigenen Grenzen achtet und diese auch respektiert. Wenn man merkt, dass man sich durch Stress überfordert fühlt, sollte man versuchen, die Belastung zu reduzieren oder sich Unterstützung zu holen. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass man sich Hilfe bei der Zeitplanung oder beim Lernen sucht oder sich einfach mal eine Auszeit gönnt, um den Kopf frei zu bekommen.
Jeder Mensch hat seine eigne Belastungsgrenze. Manche Menschen vertragen sehr viel Stress und andere eben nicht. Ich finde es sehr wichtig, dass man die Grenzen des anderen akzeptiert. Dass die Kommilitonin als "hypersensibel" bezeichnet wird, finde ich nicht fair und wenig einfühlsam. Da kann ich sehr gut verstehen, dass deine Bekannte verletzt ist.
Den Begriff hypersensibel finde ich an sich unglücklich gewählt. Wenn eine Person sehr sensibel ist, dann ist sie möglicherweise hochsensibel. Diese Eigenschaft trifft aber nicht automatisch auf alle Personen zu die sensibel sind. Es gibt psychologische Tests um herauszufinden, ob eine Person möglicherweise hochsensibel sein könnte. Aber mit solchen Fachbegriffen sollte man allgemein vorsichtig umgehen.
Sensibilität ist für mich auch nichts negatives. Es ist eine Charaktereigenschaft die sehr wertvoll sein kann. Sensible Menschen werden leider häufig nicht verstanden. Aber man kann die anderen sowieso nicht ändern. Es ist wichtig, dass man zu seinem eigenen Charakter steht und die Kommentare von anderen nicht zu ernst nimmt. Ich wünsche deiner Kommilitonin alles Gute und dass sie sich gut erholen kann. Ein Studium kann wirklich anstrengend sein.
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