Sind euch als Erwachsener Gesprächsthemen noch peinlich?
Mein Partner telefoniert regelmäßig mit seiner Mutter. Seiner Mutter ist zur Zeit oft langweilig aber so langsam gehen ihr anscheinend die "normalen" Gesprächsthemen aus. Jedenfalls erzählte sie meinem Partner beim letzten Gespräch dass sie große Lust auf Geschlechtsverkehr mit seinem Vater gehabt hätte aber dieser zur Zeit total lustlos sei. Sie wollte dann von meinem Partner wissen was ihn denn so in Fahrt bringt.
Mein Partner war total überrumpelt und hat dann nur raus gebracht dass er gerne sexuelle Themen vermeiden möchte und sie sich doch lieber mit einer Freundin oder seiner Tante über diese Probleme unterhalten soll. Ihm war das so unangenehm, dass der das Gespräch im Anschluss sehr schnell beendet hat und erstmal mir davon erzählen musste. Er hat gemeint er rede gerne über vieles mit seiner Mutter aber über sein Sexualleben müsse seine Mutter nicht Bescheid wissen und er möchte auch kein Kopfkino von ihrem.
Als mein Partner mir das erzählt hat war ich selbst gerade mit einer Freundin per Video gesprochen und die hat das dann auch gehört. Sie hat gelacht und meinte dann nur er solle doch nicht so verklemmt sein. Sie würde sich sowohl mit ihrer Mutter als auch ihrem Vater über solche Dinge unterhalten. Bei ihr gäbe es keine Tabuthemen im Gespräch mit ihren Eltern und ihre wäre auch nichts peinlich.
Gibt es bei euch im Erwachsenenalter noch Gesprächsthemen die euch peinlich /unangenehm sind? Macht ihr da einen Unterschied zwischen Familie und Freunden?
Ich würde nun mit meinen Eltern oder Schwiegereltern auch nicht unbedingt über Sex reden wollen, aber das muss ja jeder selber wissen. Ansonsten bin ich da eher nicht verklemmt und rede auch mit Freunden über solche Themen. Gerade ein Kumpel hat immer ein sehr ausschweifendes Sexleben gehabt bevor er seine jetzige Freundin getroffen hat und da hat er auch immer wieder Geschichten dazu erzählt. Das finde ich unter Freunden auch nicht schlimm, aber mit den Eltern oder Schwiegereltern kann man sich ja auch über andere Dinge unterhalten.
Ich bin in dieser Hinsicht eher verklemmt. Irgendwo hört in meinen Augen das "gute Verhältnis" zu den Eltern auf, wenn man eher glaubt, in das Intro eines Inzest-Pornos geraten zu sein. Soso, Papas Penis ist mit jenseits der Sechzig nicht mehr ganz standfest, aber Mamas Vagina nur gelegentlich etwas trocken? Und wenn ich hundertmal da rausgekommen bin: Ich. will. nicht. darüber. reden! Und umgekehrt würden meine Eltern auch nicht wissen wollen, in welchen Stellungen und wie oft ihre Älteste ihre Freizeit verbringt.
Wenn es nach mir geht, können die Generationen in Sexfragen gerne unter sich bleiben. Wahrscheinlich bin ich einfach nur prüde, während andere Leute jede Sommersprosse auf den Genitalien ihrer Verwandschaft zumindest aus Erzählungen, wenn nicht gar von Fotos kennen. Selbstverständlich generationenübergreifend. Auch unter Freunden sind Zoten und zweideutige Anspielungen für mich kein Problem, aber auch hier hätte ich keine Lust, semi-ernsthaft über sexuelle Themen zu sprechen, zumal da unsere Geschmäcker hier ziemlich weit auseinanderklaffen.
Das hat für mich auch wenig mit "Peinlichkeit" zu tun: Manche Gesprächsthemen empfinde ich einfach als kontextuell unangemessen, etwa so, als würde man seinen Stuhlgang am Kaffeetisch besprechen. Das ist ja auch ganz natürlich, und wir gehen alle aufs Klo. Und ab einem gewissen Alter ist regelmäßiger, gut geformter und geschmeidiger Stuhl mindestens genauso sensationell wie eine stattliche Erektion. Aber in geselliger Runde? Bitte nicht.
Ich bin schon sehr offen und auch direkt. Mir ist wenig bis gar nichts peinlich. Ich stehe auch grundsätzlich dazu und gebe da keinen Pfifferling drauf, was andere davon denken. Problematisch wird es aber, wenn ich Themen zu hören kriege, die mich schon geradezu anwidern und das ist, wenn meine Mama mir von ihrer „erotischen Flaute“ erzählt.
Noch nie wollte ich mir als Kind vorstellen, wie sie den Geschlechtsakt vollführt, aber ich wusste eben alles. Das machte ihre offenherzige Berufung, dem Milieu, natürlich möglich. Denn dort sind viele Frauen, was ich ebenfalls aus beruflichen Gründen weiß, ganz offen, auch teils zu ihren Kindern.
Nunja, aber es ist nicht schön, wenn die Mama einem mitteilt, wie sie gerne im Bett behandelt werden möchte, was sie sich wünscht oder wenn es im Bett derzeit nicht klappt. Das finde ich auch als offenherzige Person bei Weitem nicht so super, wie viele annehmen würden. Auch ich sage da schon ganz häufig:“Mama, fahr mal runter“.
Umgekehrt ist es schließlich auch so, dass sie davon eigentlich nichts wissen möchte. Ganz im Gegenteil und wieso kommen manche Eltern auf die Idee, dass es umgekehrt dann nicht anders sei? Ich will von so etwas nichts hören und ich möchte auch nicht wissen, wem meine Mama nicht von der Bettkante stoßen würde.
Das sind ausnahmsweise die einzigen größten Tabus, die ich in Gesprächsthemen wirklich habe und nicht haben muss. Da vermeide ich eigentlich gerne das Gespräch und würde der Runde auch gerne entfliehen. Es gehört sich für mich ganz einfach nicht, das man darüber redet.
Über Sex mit anderen sprechen oder über Sex mit den eigenen Eltern als Erwachsener reden sind für mich zwei sehr unterschiedliche Dinge. Ersteres muss man irgendwann auch nicht mehr so im Detail haben, weil man schon über genügend Erfahrungen verfügt und die privaten Grenzklappen etwas höher fahren im Alter, aber das Zweite ist ja schon fast eine Überschreitung verbal-inzestuöser Grenzen. Für mich hat es auch nichts mit Verklemmtheit zu tun, wenn man nicht von seinen Eltern hören möchte, wie diese es wieder wild getrieben oder nicht getrieben haben.
So etwas ist einfach unangemessen, genauso wie die Frage der erwachsenen Eltern an ihre Kinder, auf was diese denn sexuell so stehen. Ich weiß, dass das nicht jeder so sieht, so habe ich ebenfalls eine Bekannte, die mit ihren Töchtern und auch mit anderen Freunden und Bekannten in einer Offenheit über Sexualität redet, die ich persönlich eher unangemessen finde. Das echte Leben ist eben nicht Sex and the City und manche Bemerkungen sind eher dazu angedacht, andere zu beschämen oder zu brüskieren als zu unterhalten.
Meiner Beobachtung nach läuft in einigen Familien auch manches schief, wenn über Sexuelles allzu offen unterhalb aller Familienmitglieder über die Generationen hinweg geredet wird. Da würde mir von fehlenden Grenzen bis zu Parentifizierung so einiges einfallen. Für mich fallen lockere Gespräche über sexuelle Neigungen und Vorlieben oder Anekdoten in einen Bereich, der fast noch vom Inzest-Verbot touchiert wird.
Für mich hat das absolut nichts mit verklemmt sein zu tun, wenn man mit seinen Eltern nicht über solche Themen sprechen möchte. Für mich sagt der gesunde Menschenverstand, dass man gewisse Themen weder mit seinem Chef, noch mit seinem Finanzberater oder eben auch seinen Eltern bespricht. Und das in dem Beispiel genannte Thema gehört für mich absolut dazu. Ich finde es vollkommen unangemessen und ehrlich gesagt auch einfach nur bescheuert von der Mutter, so etwas zu fragen. Ich würde mich ernsthaft fragen, ob meine Mutter vielleicht nicht mehr ganz klar bei Verstand wäre, würde sie mich so etwas fragen. Und da ist es egal, wie offen man sonst mit solchen Themen umgeht.
Für mich hat das auch nicht unbedingt etwas mit "peinlich" zu tun, sondern ich empfinde es einfach als unangemessen. Es ist ja etwas anderes, wenn man als Kind im Zuge der Aufklärung über Sexualität spricht oder eben als erwachsener Mann gefragt wird, worauf man so steht. Während Ersteres für mich zwar peinlich als Kind war, allerdings völlig angemessen ist, ist das bei Zweiter genau umgekehrt. So etwas bespricht man dann tatsächlich lieber mit einer Freundin oder noch besser direkt mit dem Partner.
Ich finde es generell schlimm, wenn manche ihre Grenzen einfach nicht zu kennen scheinen. Meine Mutter erzählt mit beispielsweise auch wahnsinnig gerne von ihren Verstopfungen und anderen Problemchen - egal ob beim Essen oder einfach so zusammenhanglos während eines Telefonats. Mir tut es zwar leid für sie, dass sie da so Schwierigkeiten hat, wobei ich mich ehrlich gesagt auch nicht als die Person sehen will, die ihr mit guten Tipps und Ratschlägen zur Seite steht. Da soll sie dann doch lieber ihren Arzt fragen. Und solange sie nun keinen Darmkrebs oder etwas in der Art hat, möchte ich von solchen Themen dann lieber auch nichts wissen.
Ich spreche auch nicht gerne über Sex, Liebe oder Dating oder ähnliche Themen. Ob es jemand als verklemmt ansieht, ist mir da auch ziemlich egal. Ich werte es lieber als "verschwiegen", was für mich auch völlig okay ist. Ansonsten spreche ich nicht besonders gerne über mein psychisches Befinden. Zwar höre ich gerne anderen Leuten zu, aber ich möchte mir nicht immer in die Seele schauen. Manchmal empfinde ich es auch als Erwachsene als sehr anstrengend, wenn es mir nicht besonders gut geht. Ich sehe das als Zeichen als Schwäche bei mir an und dann ist mir durchaus peinlich.
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