Menschen können kaum noch frei reden
In letzter Zeit ist mir ein Thema besonders aufgefallen, dass durch seine Häufigkeit begonnen hat mich massiv zu stören.
Erst begann es in der Arbeit, ich war auf einer Tagung und hohe Personen aus der deutschlandweiten Marketingabteilung hielten Vorträge. Hierbei sollte man meinen, diese wären rhetorisch geschult und würden regelmäßig professionelle Vorträge halten. Was ich jedoch zu hören bekam, waren mehrere "ähms" in einem Satz. Bei manchen Personen ist das so ausgeufert, dass ich schon gar nicht mehr hinhören konnte. Ich hatte dabei immer den Eindruck, jemand der die ganze Zeit Füllwörter verwendet hat im Prinzip nichts sinnvolles und wichtiges zu sagen.
Ebenso befand ich mich vor kurzem auf einem Kongress im privaten Bereich. Hier befanden sich zwar nur Menschen, die nicht regelmäßig Vorträge halten, aber die Art und Weise des Vortrags war zum Teil unterirdisch. Da wurden oftmals Zwischensätze wie "ähm und ähem" eingefügt und das zum Teil bei jedem zweiten Wort. Mag sein, dass man als Amateur nicht gewohnt ist vor so viel Publikum zu sprechen und auch mal das Stottern anfängt, wenn man nervös ist. Leider ist das aber auch in den Zwischenpausen bei einfachem Small Talk ebenso gelaufen.
Auch im privaten Bereich fällt mir das immer mehr auf, etwa bei Whatsapp Sprachnachrichten oder beim Telefonieren. Offenbar scheint das den Personen selbst gar nicht so bewusst zu sein. Die vielen Wiederholungen ärgern und stressen mich, weil es sich grade wirklich extrem häuft. Kennt ihr das Gefühl auch und wie geht ihr damit um?
Was will man denn machen? Beim Vortrag aufspringen und sich über die Ähms beschweren dürfte wohl keine Lösung sein und auch im privaten Bereich macht das ja keiner wirklich bewusst und um einen zu ärgern. Ich würde es einfach versuchen zu ignorieren. Das ist eine Eigenart mancher Menschen und besonders in Stresssituationen kommt es dann zu solchen Füllwörtern und blöden Aussprüchen. Selbst wenn man es gewöhnt ist vor vielen Menschen zu reden, muss man deswegen ja nicht weniger aufgeregt sein und dieses Gefühl sorgt dann für diese Art der Sprache.
Ich habe mal eine Rhetorik-Schulung mitgemacht und dort wurde dann gesagt, dass diese Füllwörter immer dann (automatisch) gesagt werden, wenn das Gehirn eigentlich eine (Denk)Pause braucht, die der Referent seinem Gehirn aber nicht gibt. Man könnte das Problem also durchaus vermeiden, wenn die Referenten mehr Pausen in ihren Vorträgen einbauen würden. Dann wäre das Thema absolut erledigt.
Da sagst Du es. Ist Dir das nicht mal bei Interviews mit Fußballern aufgefallen? Immer sind da welche dabei, die keinen geraden Satz herausbringen ohne dieses „ähm“ oder „öhm“. Ich kriege da regelmäßig die Krise und mir fällt wirklich sofort auf Anhieb auf, wenn es mal jemand nicht sagt. Ich frage mich dann immer, ob denen der Kopfball zu oft das Hirn vernebelt hat.
Klar manchmal ist es auch bei ungeübten Vorträgen und komischen Fragen in einem Interview etwas skurril. Manche sind dann vielleicht auch einfach etwas zu nervös und haben Angst, dass sie etwas falsch sagen. Da ist solch ein Ähm oder Öhm durchaus mal ganz schnell dazwischen geschoben. Dann vergessen auch einige, dass sie nicht zu Hause sind und professionell sich eben etwas anders ausdrücken müssen.
Doch ich habe das mal persönlich als „Sportlerkrankheit“ benannt. Denn mir ist das bei vielen Sportlern aufgefallen. Aber vielleicht liegt es auch manchmal an den Fragen und das ihnen Interviews generell nicht immer lieb sind? Doch trotzdem ist mir das auch im Alltag aufgefallen.
Viele Menschen kommen dann mit „ähm“ oder „öhm“ um die Ecke. Das ist schon manchmal nervig. Aber immer noch besser, als „alter“ und „alter“ und „ey“ und „hörmma“. Das geht mir mittlerweile wirklich so auf den Sack, das sich da manchmal sogar meiner Chefin dazu was sage, weil die das gerne macht.
Ich denke, dass es da immer schon individuelle Unterschiede gab. Manche Leute sind zwar fachlich sehr gut, aber rhetorisch schlecht. Für die ist es besser, sich an Power Point festzuklammern. Ich selber bin rhetorisch auch nicht besonders begabt. Wenn ich früher mal Vorträge halten musste, dann kam das gut an, aber niemand wusste, dass ich das vorher ziemlich oft üben musste. Es kommt meiner Meinung auch darauf an, dass man sich gut vorbereitet, wenn man nicht eine angeborene Begabung oder durch langes Training eingeübte Fähigkeit dazu hat. Von Fußballern würde ich nicht erwarten, dass sie ohne Vorbereitung flüssig reden. Manche können es, manche nicht.
Ich habe zur Zeit an der Volkshochschule einen Dozenten, der vorne am Pult sitzt und ohne irgendwelche Materialien und ohne zwischendurch aufzustehen Unterricht in chinesischer Geschichte gibt. Er redet so anschaulich und flüssig ohne auf irgendein Papier zu schauen, dass die zwei Stunden wie im Flug vergehen und es die ganze Zeit spannend ist, obwohl mich Geschichte bisher so gar nicht interessiert hat. Entweder ist er ein Naturtalent oder er hat lange daran gearbeitet.
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