Fachkräftemangel mit 42-Stunden-Arbeitswoche ausgleichen?
Der Fachkräftemangel in Deutschland wird ja schon seit längerem beklagt und nahezu täglich klaffen immer weitere Personallücken in den verschiedensten Branchen. Nun kursiert die Forderung, dass man dem Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel mit einer 42-Stunden-Arbeitswoche begegnen müsse, denn allein mit Zuwanderung ließe sich dieses Problem nicht lösen. Was haltet ihr denn von einer 42-Stunden-Arbeitswoche und wie hoch wäre denn eure Bereitschaft, euch darauf einzulassen?
Bei mir ist es eher so, dass ich zu einer Stundenreduzierung tendiere, da ich zu viele private "Baustellen" habe, um die ich mich kümmern muss. Da ist es schon mit meiner jetzigen Arbeitszeit schwierig, alles unter einen Hut zu bekommen. Und wenn die Arbeitszeit noch länger werden würde, würde ich es gar nicht mehr schaffen und müsste z.B. Abstriche machen was meine alte Mutter betrifft.
Ich hoffe sehr, dass wenigstens die Möglichkeit bestehen bleibt, in einen Teilzeitvertrag zu wechseln. Dann würde ich versuchen, auf 32 bis 35 Stunden Arbeitszeit zu reduzieren.
Ich sehe nicht, wie nur ein einziges Problem dadurch gelöst wird, die arbeitende Bevölkerung noch mehr Stunden arbeiten zu lassen. Länger als sechs Stunden am Tag kann sich sowieso kaum jemand konzentrieren, und ich denke eher, dass Motivation und Produktivität bei den Braven und Fleißigen auch irgendwann in den Keller gehen, wenn es immer nur heißt: Könntest du bitteschön noch ein bisschen mehr dazu beitragen, die Reichen noch reicher zu machen? Und die Sesselpupser (wie ich) in ihren Bürojobs brauchen dann eben zwei Stunden länger für ihre Exceltabellen, die sowieso keinen Menschen interessieren.
Das Konzept, einfach immer mehr und mehr Stunden Lebenszeit und -energie auf die Woche und aufs Leben gerechnet aus der Bevölkerung herauszupressen in der Hoffnung, dass Menschen quasi unbegrenzt viel arbeiten können und wollen, überzeugt mich in keiner Weise. Wenn keiner mehr Kinder kriegt, weil keine Zeit für ein Familienleben bleibt oder zahllose alte und/oder behinderte Menschen versorgt werden müssen, weil die Angehörigen Stunden abreißen müssen und keine Zeit mehr haben, für Oma einzukaufen, ist das Geschrei an anderer Stelle groß.
Ich halte es eher mit den Unternehmen und Projekten, die schon munter mit der Viertagewoche experimentieren, während in den Augen der Politik noch Frühkapitalismus herrscht. Es hat sich nämlich schon lange herausgestellt, dass motivierte, wie Menschen behandelte Leute, die auch wissen, wofür sie arbeiten, erheblich mehr und besser leisten als Sklaven, bei denen es heißt: Nicht gut genug, dafür bleibst du noch zwei Stunden länger!
Was würde das denn bringen? Am Anfang mehr Arbeitszeit und damit hoffentlich erledigte Arbeit. Aber auf Dauer sehe ich da eher den Krankenstand steigen und je nach Branche das Problem eher schlimmer werden, weil die Leute abwandern.
Es muss ein Umdenken bei der jetzigen Schülergeneration kommen. Nämlich, dass nicht jeder, der in der 4. Grundschulklasse halbwegs gute Noten hat, auch auf´s Gymnasium muss, um danach eventuell zu studieren. Und auch in der Berufsberatung muss man neutraler sein. Da wird nämlich aktuell noch versucht die Schulabgänger in Betriebe zur Ausbildung zu vermitteln, die die Stellen des Beraters an den Schulen mit finanzieren.
Und auch Unternehmern muss besser vor Augen geführt werden, dass eine Fachkraft, welche auch die Ausbildung im Betrieb absolviert hat, mehr wert ist, als jemand, den man von irgendwoher kommend einstellt.
Punktedieb, von deinen Vorschlägen bekommen wir aber nicht einen Arbeitnehmer mehr. Und das ist das Problem. Es sind zu wenig junge Menschen da. Das reicht nicht, um die in Rente gehenden zu ersetzen, und es reicht auch nicht, um die Sozialversicherung zu finanzieren. Und es ist ja nicht so, dass diese Arbeitszeiten nicht in einigen Bereichen normal wären. Beamte in meinem Bundesland haben die 41-Stunden-Woche, in Hessen sind es 42 Stunden.
Das löst auf Dauer das Problem auch nicht. Aber irgendwie muss der Laden ja am Laufen gehalten werden. Kinder gibt es zu wenig. Zuwanderung klappt auch nicht. Also mehr Arbeit pro Woche oder späterer Renteneintritt. Das bedeutet zwar für die Masse Rentenkürzungen, weil man entweder weniger Stunden arbeitet oder vorzeitig in Rente geht, weil die Knochen nicht mitmachen. Aber an eine grundlegende Reform traut sich halt niemand.
Wir haben nicht zu wenig einigen Nachwuchs. Nur geht der nicht unbedingt in die Branchen, die Fachkräftemangel haben. Das hat verschiedene Gründe. Abitur, Berufsberatung, welche nicht sonderlich gut gemacht wird und auch teilweise spielt eine Nullbock-Einstellung auch mit rein. Dazu kommt auch, dass viele Firmen einfach nicht rechtzeitig Nachwuchs ausgebildet haben.
Wir haben bei uns zum Beispiel ein Unternehmen, wo genau das an Azubis eingestellt wird, was in den nächsten fünf Jahren in Rente geht. Damit haben die Leute sogar noch zwei Jahre, wo sie sich manchen Kniff von den älteren Kollegen abschauen können. Dort gibt es aber auch keinen Fachkräftemangel im Betrieb. Es geht also, wenn man sich rechtzeitig um Nachwuchs kümmert.
Meiner Meinung nach ist die Erhöhung der Arbeitsstunden einfach nur Augenwischerei. Motivierte Arbeitnehmer arbeiten ohnehin bereits mehr als die von ihnen vertraglich geforderten Stunden. Dazu zähle ich auch wenn jemand in seiner Freizeit Zeit investiert um sich in seinem Job weiter zu entwickeln, aber auch unbezahlte Überstunden oder eine ständige Rufbereitschaft. Letztere entwickelt sich schließlich von ganz alleine durch die vermehrte Arbeit zu Hause und die permanent verfügbaren sozialen Medien.
Ich persönlich muss sagen, hätte nichts gegen ein Anheben der Wochenarbeitszeit, jedoch bin ich mir ziemlich sicher, dass sich dadurch kaum die Produktivität steigern lässt. da diese in meinen Augen bereits beim Unterschied zwischen 30 und 40 Stunden nicht mehr besonders ansteigt.
Sollte es also mehr Geld bei kaum mehr Leistung geben warum nicht. Jedoch ist das eine stark einseitige Sicht, denn ich bin mir sicher, jemand der auf dem Bau oder an der Kasse arbeitet wird eine Verlängerung der Arbeitszeit deutlicher spüren. Ob man diesen Berufsgruppen auf diese Weise helfen kann? Da bin ich mir nicht wirklich sicher. Mit großer Wahrscheinlichkeit würde man somit nur den Krankenstand erhöhen und am Ende hat man keine positive Auswirkung zu verzeichnen.
Gerbera hat geschrieben:Ich halte es eher mit den Unternehmen und Projekten, die schon munter mit der Viertagewoche experimentieren, während in den Augen der Politik noch Frühkapitalismus herrscht.
Aber auch das muss man mal relativieren. In den meisten dieser Projekte wird deswegen keine Stunde weniger gearbeitet. Hier wird in aller Regel nur die Arbeitszeit umverteilt. Also statt fünf mal die Woche acht Stunden wird dann meistens viermal zehn Stunden gearbeitet. Die Wochenarbeitszeit bleibt die gleiche, du hast halt nur einen freien Tag mehr in der Woche.
Auch das ist kein Allheilmittel. Mal abgesehen davon, dass wir genug Branchen haben, wo die Unternehmen den freien Tag nicht einfach dicht machen können und dort trotzdem Menschen arbeiten müssen, was sogar dazu führen kann, dass man dann mehr Menschen einstellen muss, gibt es auch genug Menschen, die einfach auf Grund sozialer Verpflichtungen gar keine zehn Stunden am Tag arbeiten gehen können, weil sie Kinder betreuen müssen oder Verwandte und so weiter.
Auch das ist also höchstens eine kleine Stellschraube, die aber auch an der Produktivität wahrscheinlich nur wenig ändern wird. Und wenn man die Wochenarbeitszeit senken würde, müsste man ja auch nur noch neue Leute einstellen. Es mag Bürojobs geben, wo es vermutlich egal ist, ob die Freitag offen haben oder nicht. Aber wie soll das bei Feuerwehr, Polizei, Krankenhäuser, Einkaufsläden, Schulen, Kindergärten und so weiter gehen.
Oder stell dir vor, du hast dank Vier-Tage-Woche jetzt endlich Freitags frei und kannst dir da deine Handwerkertermine legen oder zum Friseur gehen, aber blöderweise arbeiten die ja dank Vier-Tage-Woche auch nur noch von Montag bis Donnerstag.
Also ich sehe da eigentlich auch nur am Ende des Tages genau so viele Probleme, wie bei einer Ausweitung der Wochenarbeitszeit. Zumal ich glaube, dass wirklich gute Fachkräfte von sich aus schon mehr arbeiten, wenn man sie entsprechend gut entlohnt. Aber am Ende des Tages stellt sich natürlich die Frage, wie man freie Stellen besetzt und es ist ja irgendwie nicht so, dass wir zu Hauf Branchen haben, die gar nicht mehr wissen wohin mit ihren Azubis und nur drei oder vier keine finden. Irgendwie findet ja nahezu niemand mehr ausreichend Auszubildende und um die Fachkräfte schlagen sich alle die Köpfe ein.
Da muss man sich schon fragen, wie man diese fehlenden Arbeitsstellen besetzen will. Und da liegt es als eine Stellschraube natürlich auch nahe zu schauen, ob Arbeitszeitverlängerungen nicht auch eine Möglichkeit wären. Wobei ich da eher weniger daran denke, mehr Zeit pro Woche zu arbeiten, sondern eben die Lebensarbeitszeit anpassen zu können. Rein logistisch dürfte es sicherlich für viele einfacher sein ein Jahr länger zu arbeiten bei gleichen Arbeitszeiten als jetzt jede Woche ein paar Stunden irgendwo dran zu hängen.
Klehmchen hat geschrieben:Oder stell dir vor, du hast dank Vier-Tage-Woche jetzt endlich Freitags frei und kannst dir da deine Handwerkertermine legen oder zum Friseur gehen, aber blöderweise arbeiten die ja dank Vier-Tage-Woche auch nur noch von Montag bis Donnerstag.
Naja, es ist ja nicht gesagt, dass alle Personen bzw. Betriebe am selben Tag geschlossen bzw. frei haben. Es gibt ja immerhin fünf Tage zur Auswahl, an denen nicht gearbeitet würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass alles ausgerechnet am selben Tag geschlossen hat, an dem man auch selbst nicht arbeitet, ist nicht sehr hoch, und ggf. kann man seinen eigenen freien Tag vielleicht auch verschieben, sofern man selbst darüber entscheiden kann.
Es war ja nur ein Beispiel um zu zeigen, dass es auch Probleme geben kann, an die keiner gedacht hat. Und das es eben kein Allheilmittel ist. In manchen Branchen wird es eben gehen in vielen anderen nicht. Und eine Reduzierung der Arbeitszeit an sich wird denke ich in vielen Betrieben sowieso auf Dauer nicht funktionieren, weil die Mitarbeiter fehlen, die diese Minusstunden ausgleichen können. Das werden sich viele Arbeitgeber einfach nicht leisten können.
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