Welche Sportarten durftet ihr als Kind ausprobieren?
Ich war als Kind nicht besonders sportlich. Ich war sehr dünn und ungelenkig. Den Schulsport hatte ich bis zur Oberstufe gehasst und erst gemocht, als wir statt unserer Turnlehrerin einen männlichen Sportlehrer bekamen, der mehr Leichtathletik als Bodenturnen und Geräteturnen machte. Ansonsten spielte ich Tischtennis, aber nur zuhause auf unserer Tischtennisplatte. Meine Brüder waren im Verein. Irgendwann probierte ich mal Tennis aus, weil meine Schwester das unbedingt wollte. Ich stellte aber schnell fest, dass ich dafür völlig ungeeignet war. Meine Schwester wollte es auch nur wegen der kurzen weißen Röckchen machen und hörte auch bald wieder damit auf.
Meine Kindern ließ ich verschiedene Sachen machen. Einen Yogakurs zwang ich ihnen quasi auf, weil ich das gut fand. Ansonsten war alles freiwillig. Einer war im Fußballverein und hat ziemlich gut in der Bezirksliga Tischtennis gespielt. Ein anderer hat zwei Jahre lang Taekwondo gemacht, bis er keine Lust mehr hatte, was ich sehr schade fand. Er ist dann zum E-Sport gewechselt , wo er in einer Disziplin deutscher Meister wurde und es bis zur Teilnahme an einer Weltmeisterschaft schaffte. Der dritte machte und macht nie freiwillig irgendeinen Sport.
Welche Sportarten durftet ihr als Kind ausprobieren? Seid ihr bei einer geblieben oder hat alles irgendwann man aufgehört? Wie weit habt ihr es in dieser Sportart gebracht?
Da stellt sich zuerst die Frage: dürfen oder müssen? In der Schule war das ja nun eindeutig müssen. Da hätten wir Leichtathletik mit Kurz- und Langstreckenlauf, Weitsprung, Dreisprung, Werfen, Kugelstoßen und Hochsprung. Schwimmen in allen Stilen plus Strecken - und Tieftauchen sowie Rettungsschwimmen.
Dazu kamen Tischtennis, Badminton, Volleyball, Basketball, Fußball, Hockey und Square Dance kamen dann auch noch. Außerdem durften natürlich noch die wundervolle Welt des Turnens kennenlernen. Also Boden, Stufenbarren, Schwebebalken und Sprung für die Mädchen und Boden, Ringe, Doppelbarren und Pferd für die Jungs. Abgerundet hat das dann noch die rhythmische Sportgymnastik. Natürlich waren immer die Regeln und die verschiedenen Techniken zu erlernen und zur Benotung zu präsentieren. Klausuren zu den Sportarten und zu Sporttheorie rundeten den "Spaß" ab.
Außerhalb der Schule habe Turnen versuchen müssen, weil die Übungsleiterin eine Freundin meiner Mutter war. Freiwillig dagegen waren Radtouristik-Rennen und Dressurreiten. Springreiten, Vielseitigkeit und Fahren sind eher Nebenkönnen, aber der Schwerpunkt bleibt bei der Dressur. Außerdem war ich beim Tauchen und habe Gerätetauchen erlernt. Hundesport mache ich auch seit der Grundschule.
Wie weit bin ich dabei gekommen? Reiten, Fahren und die Hundeausbildung haben mein Studium und den Unterhalt meiner eigenen Vierbeiner finanziert. Bis heute bin ich in einer hohen Leistungsklasse. Dazu kommen unzählige Hundeführer-Sportabzeichen. Turnen mochte ich nie, das war nicht schöner als der grässliche Schulsport. Das Tauchen habe ich aufgegeben, als das Reiten zur Einnahmequelle wurde. Radtouristik war auch nur für den Mann meiner Tagesmutter, das hielt nur ein paar Jahre.
Meine Jungs haben in der Schule auch vieles ausprobieren müssen. Aber die spielen alle nur etwas Fußball im Verein. Dabei geht aber mehr um die Freunde als um den Erfolg. Alle können reiten, aber nur einer betreibt das exzessiv. Den haben einfach die Mounted Games gepackt.
Ich musste wie alle Kinder der Achtziger den gesamten Schulsport über mich ergehen lassen, inklusive Bundesjugendspiele. Und was soll ich sagen - wenn der Zweck dieses jahrelangen Theaters war, dass Frau Gerbera jede Art von Sport hasst, hat alles so weit gut geklappt.
Ich "durfte" also gefühlt das gesamte Spektrum an Leichtathletik, Geräteturnen, diverse Ballsportarten, Tanz, rhythmische Sportgymnastik (das war am Schlimmsten), und unendlich viele "Bewegungsspiele" ausprobieren und war in nichts auch nur annähernd gut. Und wenn nicht der Spaß an Bewegung im Vordergrund steht, sondern der Wettkampf mit anderen, killt das natürlich jede Begeisterung in Sekunden.
Privat auf dem Lande gab es zusätzlich maximal Tennis, Judo und Kinderturnen, worauf ich auch nicht scharf war. Wintersport war zu teuer, und nein, als Arbeiterkind bekommt man auch kein Pferd zur Verfügung gestellt.
Ich durfte als Kind nicht verschiedene Sportarten ausprobieren, ich musste. Obwohl ich eigentlich ein unsportliches Kind mit eher musischen Interessen war, blieb mir weder der Schulsport erspart, noch die zusätzlichen sportlichen Ambitionen meiner Eltern, die mich zum Judo, Fußball, Hockey etc. schickten, was ich immer ziemlich furchtbar fand. Wie in einem anderen Thread erwähnt, hätte ich viel lieber Musikunterricht bekommen (ich hätte wahnsinnig gern ein Musikinstrument gespielt), aber stattdessen wurde ich hartnäckig von einem Sportverein zum nächsten geschickt.
Geholfen hat das eigentlich nichts, ich bin trotzdem unsportlich geblieben und habe erst mit etwa 30 Jahren selbst für mich die Vorteile sportlicher Betätigung kennengelernt. Wobei ich auch weiterhin am liebsten Fitnesssport betreibe. Für Mannschaftssportarten oder Kampfsportarten etc. kann ich mich nach wie vor nicht begeistern.
Gerbera, warum sollte Reiten in den 80ern für Arbeiterkinder unmöglich gewesen sein? Ich habe mit ganz vielen davon zusammen Reitstunden gehabt und gehörte als uneheliches Kind einer arbeitenden Rabenmutter und totem Erzeuger gesellschaftlich nun auch eher zum gesellschaftlichen Bodensatz.
Es gab halt eine Stunde pro Woche. Dafür wurden Pferde gepflegt, Zeitschriften ausgetragen, das Taschengeld gespart, gute Noten abgeliefert und sämtliche Geschenke von allen Verwandten zum Geburtstag und zu Weihnachten dem Hobby gewidmet, wobei die Gaben gern gebraucht sein durften. Und man guckte halt ehrfürchtig zu den edlen Privatpferden, die vor und nach den schnöden Schulstunden in der Halle bewegt wurden und wusste, das ist unerreichbar.
Ich war an sich immer recht sportlich. Aber als Kind musste ich Tennis lernen. Mein Vater war der Meinung, dass man aus mir einen Tennisprofi machen müsste und dass man so zu Reichtum und Ruhm kommen würde. Hat nicht so geklappt, ich war eine echte Niete und mit 12 Jahren habe ich das Tennis hingeschmissen.
Da mein Vater damals LKW-Fahrer war, war er immer mal einige Tage nicht da. So konnte ich heimlich dem Schwimmteam beitreten, meine Mutter hat für mich unterschrieben, Da war ich auch recht erfolgreich und habe einige Medaillen auf nationaler Ebene gewonnen. Nur irgendwann habe ich auch damit aufgehört, weil ich einen Unfall hatte und mich danach einige Jahre nicht ins tiefe Wasser getraut habe. Dann wurde auf Reiten umgeswitcht, was ein Jahr später wieder vorbei war, weil ein Pferd mit mir durchgegangen ist und ich diese Tiere seitdem nicht mehr leiden mag, selbst wenn es der Fehler der Trainerin war.
Auf dem Gymnasium durfte ich viel ausprobieren und mitmachen. Wieder hat meine Mutter unterschrieben, mein Vater hatte kein Interesse daran. So war ich in der siebten Klasse im Badminton-Team der Schule. In der achten Klasse habe ich dann mit Hallenhockey und Baseball begonnen, später im Jahr kam noch Self-Defense und Kickboxen dazu.
In den oberen Klassen habe ich dann begonnen zu laufen und bin auf der anderen Schule dem Lauf- und Schwimmteam beigetreten. Zusätzlich war ich noch im Fitnesstraining und im Kickbox-Team mit von der Partie. Hallenhockey wurde nicht mehr angeboten, was sehr schade war.
Im Erwachsenenalter, also nach meinem Auszug, bin ich dem Kickbox-Verein beigetreten, musste aber ein Jahr später aufhören, weil ich mir das Knie zerstört habe. Mittlerweile mache ich nur noch Laufen, Radfahren und Schwimmen, wobei ich mittlerweile wieder so stabil wäre, auch wieder einem Teamsport beizutreten, aber ehrlich gesagt finde ich keine Sportart, die mich momentan so “einfängt” wie das Kickboxen damals.
cooper75 hat geschrieben:Es gab halt eine Stunde pro Woche. Dafür wurden Pferde gepflegt, Zeitschriften ausgetragen, das Taschengeld gespart, gute Noten abgeliefert und sämtliche Geschenke von allen Verwandten zum Geburtstag und zu Weihnachten dem Hobby gewidmet, wobei die Gaben gern gebraucht sein durften. Und man guckte halt ehrfürchtig zu den edlen Privatpferden, die vor und nach den schnöden Schulstunden in der Halle bewegt wurden und wusste, das ist unerreichbar.
Das setzt aber erstens einen halbwegs lokalen Pferdeanbieter (nein, für Elterntaxi war tatsächlich keine Zeit), zweitens wahre Leidenschaft und drittens Taschengeld und weitere monetäre Zuwendungen von "Verwandten" voraus. Vor der Pubertät hätte man mich sowieso keine Zeitschriften austragen lassen und danach wurden derlei Wunschträume für mich uninteressant.
Ich bewundere zwar irgendwo doch die wenigen, hartnäckigen Gestalten, die - was weiß ich - täglich bei Wind und Wetter 15 km einfach zum Stallausmisten geradelt sind oder für eine Ballettstunde 15 Nachhilfestunden gegeben haben, und sich so ihre Leidenschaft minutenweise vom Munde abgespart haben.
Aber ich kann nicht sagen, dass ich irgendeine Sportart, Reiten eingeschlossen, "ausprobieren durfte", sondern ich hätte mir alles außer Tennis tatsächlich sehr hart erarbeiten müssen. Und so geil fand Jung Gerbera dann doch nichts in der Richtung.
Aber hätten es deine Eltern verboten? Als Kind ohne finanziellen Background, der viel Unterstützung ermöglicht, lief das in etwa so: Zwei Mark Taschengeld pro Woche, 15 Mark (gleich eine Reitstunde auf einem Schulpferd) dafür, dass man Herrn Professor oder Apotheker das edle Ross einen Monat lang gestriegelt und geschiegelt pünktlich in die Halle stellt, beim Aufsitzen hilft, Sporen anschnallt und Gerte reicht, dann eine Stunde wartet, um das pumpende, schwitzende Tier entgegenzunehmen, trocken zu führen und Pferd und Material wieder auf Hochglanz zu bringen. Dazu 14 Pfennig pro ausgelieferter Wochenzeitung. Macht mit Glück eine Stunde pro Woche.
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