Wie stark Eltern bei den Betreuungskosten entlasten?
Ich weiß nicht, was Thüringen da macht, da ich seit mehr als zehn Jahren nicht mehr dort wohne. Allerdings wohnt meine Mutter noch dort und ab und an lese ich auch mal im Mitteilungsblatt die Beschlüsse der Gemeinde. Daher weiß ich, dass Aufträge fast immer nach Bauabschnitten vergeben werden. Wenn also der Architekt beauftragt und ein Zeitplan für seine Arbeit steht, werden die nächsten Aufträge ausgeschrieben. Bei öffentlichen Bauvorhaben wird also immer Schritt für Schritt agiert, was oftmals auch mit den Fördermitteln zusammenhängt.
Seit dem ich hier im Vogtland wohne wurden genau zwei Kindertagesstätten neu gebaut. Eine davon gehört zum Helios-Krankenhaus und die haben auch Platz, um zu erweitern. Die andere gehört der Stadt und wurde Ende letzten Jahres fertig gestellt. Für viele Eltern bedeutet das nun weitere Wege, weil die frühere Immobilie nun eine Montessori-Kindertagesstätte beherbergt. Aber der Neubau der Stadt zog sich von der ersten Planung bis zur Fertigstellung einige Jahre hin.
Es kam übrigens erst letzte Woche in den Nachrichten bei uns, dass die Engpässe bei der Betreuung eher beim Personal sind. Und das in den nächsten Jahren eher noch schlechter wird, weil mehr Erzieher in Rente gehen, als neue Erzieher nachkommen.
Punktedieb hat geschrieben:Ich weiß nicht, was Thüringen da macht, da ich seit mehr als zehn Jahren nicht mehr dort wohne.
Ganz einfach, die haben es einfach gemacht. Das ist ja im Grunde auch gar nicht schwierig. Du weißt ja wie viele Kinder es pro Jahrgang im Bundesland gibt und kannst damit ausrechnen, was du maximal an Plätzen brauchst um im blödesten Fall jedem Kind einen Platz anbieten zu können. Und damit kannst du dann ja rechnen wie weit du davon weg bist und wenn es nicht weit ist, dann kann man die Beitragsfreiheit einfach beschließen. Bist du weit davon weg, dann musst du eben mehr Plätze schaffen. Und auch dafür gibt es ja viele kluge studierte Leute, die dir das hochrechnen können, ab wann es passen würde.
Es kam übrigens erst letzte Woche in den Nachrichten bei uns, dass die Engpässe bei der Betreuung eher beim Personal sind. Und das in den nächsten Jahren eher noch schlechter wird, weil mehr Erzieher in Rente gehen, als neue Erzieher nachkommen.
Ja natürlich ist das so. Weil soziale Berufe zum einen einen schlechten Ruf haben und zum anderen eben generell schlecht bezahlt werden. In der Kita liegst du zum Beispiel im Schnitt gut 1.000 Euro unter dem Bruttodurchschnittslohn. Und wenn man immer die Leute so hört, kriegst du dieses unterdurchschnittliche Gehalt dafür, dass du dich um das wichtigste was wir haben kümmerst. Eine finanzielle Anerkennung hast du schon mal nicht. Dann bekommen viele in ihrer Ausbildung wenig bis gar keinen Lohn oder zahlen die noch selber. Sind auch super Voraussetzungen.
Und dass die Arbeit irgendwie anerkannt wird, das Gefühl habe ich auch nicht. Oder das mal groß geworben wird, werde Kindererzieher und kümmere dich um unser wichtigstes Gut oder so etwas in der Art. Das gibt es doch nicht. Für viele Menschen sind Kitaerzieher dafür da, die Kinder zu hüten, wenn die Eltern Geld verdienen wollen als reiner Dienstleister.
So motiviert man ja nun nicht wirklich Menschen dazu Erzieher zu werden. Und dabei denke ich eigentlich, ist es ein wahnsinnig erfüllender Beruf kleinen Menschen beim Aufwachsen zu helfen und für die Gesellschaft unglaublich wichtig. Aber wenn man das eben nicht verkauft, muss man sich eben nicht wundern, wenn wir nachher nur noch BWLer und Wirtschaftsprüfer haben.
Ich hab mich mal wegen Thüringen schlau gemacht. Ursprünglich stamme ich ja von und bekomme nur mit, wenn mir meine Mutter die Gebühren vom Kindergarten erzählt, weil sie im Mitteilungsblatt stehen. Das letzte Jahr im Kindergarten ist Gebührenfrei, so dass nur die Verpflegung bezahlt werden muss. Aber die Jahre vorher sind dagegen teilweise recht teuer. Meist, wenn es sich um kommunale Einrichtungen handelt. Zumindest im ländlichen Bereich, wo weniger Einnahmen für die Kommunen durch Gewerbesteuern vorhanden sind, zahlst du bei einer Ganztagsbetreuung über 300 Euro im Monat.
Bei uns zahlst du für ein Kind in Vollzeitbetreuung 120 Euro im Monat. Dafür muss man aber auch das letzte Kindergartenjahr bezahlen. Rechnen wir jetzt mal mit vier Jahren Kindergarten, so sind das im thüringer Beispiel 10.800 Euro an Gebühren, was die Eltern zahlen müssen. Bei uns sind es dagegen nur 5.760 Euro. Selbst, wenn man berücksichtigt, dass Thüringen sogar das vorletzte Jahre Gebührenfrei anbieten will, kommen wir noch auf Kosten für die Eltern von 7.200 €.
Was sagen uns diese Zahlen? Das gebührenfrei Kindergartenjahr ist nur Augenwischerei, was die Eltern vorher schon mitbezahlen. Außer, wenn man sein Kind eben erst für das letzte Jahr in die Einrichtung gibt, dann ist die Betreuung wirklich kostenfrei.
Es sagt uns, dass du Augenwischerei betreibst. Die Zahlen lassen sich so ja gar nicht vergleichen. Kitagebühren werden ja in vielen Bundesländern kommunal festgelegt. So zahle ich in meinem Bundesland im Vergleich zu anderen Kommunen nur die Hälfte bis zu einem Viertel der Gebühren, die andere Eltern im gleichen Bundesland bezahlen. Und das ohne das hier irgendwo ein Jahr kostenlos ist. Rechne ich hier bei uns ohne Geschwisterermäßigungen deine 4 Jahre Kindergarten komme ich auf knapp 7.600 Euro bei Vollzeitbetreuung. In anderen Kommunen wird das entsprechend noch teurer. Und wenn ich 50 Kilometer weiter schaue, lande ich einem anderen Bundesland, wo Normal- bis Gutverdiener auch gerne mal 400-500 Euro im Monat für den Kindergarten bezahlen. Auch das kannst du ja gerne mal 4 Jahre lang hochrechnen.
Also allein an den Kosten für die Eltern festzumachen, um zu beurteilen ob das was bringt oder nicht, das ist Augenwischerei. Weil deine Zahlen eben einfach nicht vergleichbar sind. Die entscheidende Frage ist ja, was ist die Gesellschaft bereit für die Kinderbetreuung zuzuschießen. Und nur so funktionieren ja echte Kostenbefreiungen. So wird ja wohl kaum jemand auf die Idee kommen, dass der Kindergarten bei dir günstiger ist als in Thüringen, weil da der Strom billiger ist oder das Essen günstiger oder die Erzieher für den halben Lohn arbeiten. Am Ende wird es einfach mehr staatliche Zuschüsse geben in dem das Land oder die Kommune quer subventioniert.
Und am Ende geht es ja bei dem kostenlosen Kitajahr genau darum. Die Betreuung soll in Summe für die Eltern günstiger werden. Ob du das jetzt über kostenlose Jahre machst oder die Beiträge durch Quersubventionierung einfach generell drückst, ist dann ja auch egal.
Um das Bundesweit zu realisieren, braucht es doch erst mal einheitliche Gebühren. Und da scheiden sich schon die Geister, wenn man allein in einem Bundesland von Ort zu Ort unterschiedlich viel zahlt. Und da sind solche Modelle, wo es nach Einkommen der Eltern geht, noch gar nicht mit berücksichtigt. Auch da müsste erst mal eine einheitliche Gebührensatzung her.
Wenn ich aber in den ersten drei Jahren recht hohe Gebühren habe, im Vergleich zu anderen Bundesländern und mir dann großzügig das letzte Jahr kostenfrei zur Verfügung steht, ist das für mich einfach nur Augenwischerei. Dann das letzte kostenfreie Jahr habe ich ja über drei Jahre verteilt schon mit bezahlt.
Aber man kann die Frage auch anders stellen. Warum sollten da Eltern entlastet werden? Wer ein Kind in die Welt setzt, ist sich bewusst, dass dieses Kind auch mindestens 18 Jahre Geld kosten wird. Warum also bei den Kitagebühren entlasten? Hofft man auf eine höhere Geburtenrate? Diese Hoffnungen hatte man schon bei der Erhöhung des Kindergeldes und musste sie begraben.
Bei den Kindergärten würde ich gar nichts ändern, sondern lieber darauf schauen, dass wirklich in allen Bundesländern die Schulbücher und Arbeitshefte kostenlos sind. Das ist wesentlich wichtiger in meinen Augen.
Punktedieb hat geschrieben:Aber man kann die Frage auch anders stellen. Warum sollten da Eltern entlastet werden?
Weil diese Kinder später auch für dich bezahlen werden, egal ob deine Rente, deine Krankheitskosten oder über ihre Steuerzahlungen alle anderen Annehmlichkeiten des Staates, die auch du nutzt. Ohne zukünftige Generationen funktioniert ein Staat insbesondere so wie wir ihn haben und wie wir die Kosten aufteilen nun einmal nicht.
Natürlich kann man Eltern mit ihren Kindern und den Kosten alleine lassen, aber dann müsste man eben auch konsequenterweise alle Finanzierungsmodelle bei uns so umbauen, dass wir alles nur noch als echte Versicherung anbieten. Also beispielsweise verhandelst du deine Rente einfach mit einer Versicherungsgesellschaft frei nach dem Motte, welchen Beitrag du zahlen musst um entsprechend deinem Ausfallrisiko eine Rente zu bekommen.
Willst du so etwas tatsächlich? Und das kann man dann ja überall so weiter spinnen. Warum müssen dann Steuern von Radfahrern in den PKW-Verkehr fließen, warum muss ich als Nichtraucher für Krankheitskosten der Raucher mit aufkommen? Das ist eben eine Solidarprinzip. Und um auf die Kinder zurückzukommen. Wohin es führt, wenn es unattraktiv und einfach nur noch teuer wird Kinder zu bekommen, sehen wir doch jetzt. Es fehlen an allen Ecken und Enden Arbeitskräfte. Und das sind eben die Auswirkungen davon, dass wir seit Jahrzehnten niedrige Geburtsraten haben.
Zumindest gefühlt aus meiner Erfahrung (und da gibt es bestimmt auch Statistiken zu) sehe ich Familien mit mehr als zwei Kindern eigentlich nur noch an den gesellschaftlichen Extremen. Bei denen, die eh schon auf Kosten des Staates leben und ihren Kindern zumindest materiell wenig bieten und bei denen, die zu den Besserverdienern gehören und sich auch teure Kinder leisten können. Aber in der breiten Mitte fehlen sie uns und das sorgt dann eben auch dafür, dass wir jedes Jahr auf das Neue die Rentensau durchs Dorf treiben, dass es jedes Jahr aufs Neue heißt, wir haben einen Fachkräftemangel.
Ich würde aber nicht beim Kitabeitrag entlasten. Denn da ist es ja jedem selbst überlassen, ob das Kind dort betreut wird. Schule ist dagegen eine Pflichtveranstaltung und dort sollte entlastet werden. Bisher gibt es ja nur fünf Bundesländer mit Lehrmittelfreiheit und da sollte man ansetzen.
Was allerdings die fehlenden Arbeitskräfte angeht, so liegt das nicht am mangelnden Nachwuchs. Auf der einen Seite wird in den Schulen die Berufsberatung an den Bedürfnissen der Schüler vorbei gemacht. Das liegt daran, dass diese Beratungen von diversen Firmen finanziert werden. Die Berater versuchen also die Schüler in Berufe zu überzeugen, welche genau von diesen Geldgebern gesucht werden.
Dazu noch das Problem, dass auch die Gymnasien überlaufen sind. Einfach weil die Eltern das ihren Kindern auftrichtern. Dass da auch viel von außen beeinflusst wird, sieht man an einer meiner Töchter. Mehrere Jahre war ihr Plan, dass sie Krankenschwester lernen will, danach noch den Rettungsassistenten machen und erst mal ein paar Jahre im Rettungsdienst arbeiten. Dann wurde sie vom Vater und von diversen Lehrern beeinflusst, dass sie doch Abitur machen und Lehramt studieren soll. Das Abitur hat sie jetzt, aber eine Glanzleistung war es nicht, da sie es ja eigentlich gar nicht wollte.
Meine andere Tochter hat nächstes Jahr ihre Abiturprüfung. Sie verfolgt den Plan Lehramtsstudium für Deutsch und Geographie aber seit der 5. Klasse. Das ist ihr Traumberuf und entsprechend anders sehen auch die Noten aus, um Vergleich zu ihrer Schwester.
Punktedieb hat geschrieben:Ich würde aber nicht beim Kitabeitrag entlasten. Denn da ist es ja jedem selbst überlassen, ob das Kind dort betreut wird. Schule ist dagegen eine Pflichtveranstaltung und dort sollte entlastet werden. Bisher gibt es ja nur fünf Bundesländer mit Lehrmittelfreiheit und da sollte man ansetzen.
Meinst du das tatsächlich ernst? Also was genau würde das der Gesellschaft bringen oder besser gefragt, was hilft es den Eltern, wenn du erst ab der Schule entlastest?
Deine Argumentation, dass Kinderbetreuung freiwillig ist, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen und würde das gerne mal sachlich erklärt haben, wie du dir das vorstellst. Denn das Problem ist doch ganz einfach. Du hast zwei Möglichkeiten. Du betreust deine Kinder selber, dann kannst du nicht arbeiten. Es mag ein paar Kröten für den Staat sparen, da er keinen Teil der Kinderbetreuung mit bezahlen muss, aber dafür zahlst du auch in keine Sozialkasse ein und zahlst auch keine Lohnsteuer. Im schlimmsten Fall hast du auch noch einen Partner, der auch nicht viel verdient und du liegst dem Staat sogar auf der Tasche. Bringt uns das was?
Die andere Alternative ist eben dann du bezahlst deine Kinderbetreuungskosten selbst und gehst dann eben für diese Kosten arbeiten. Mag für den Staat erstmal attraktiv erscheinen, da du ja die Betreuung durch deinen selbst erwirtschafteten Lohn bezahlst. Aber wenn du dann am Ende durch die Ausgaben für die Betreuung kaum mehr Geld im Monat zur Verfügung hast, als wenn du dem Staat auf der Tasche liegen würdest, wo macht es das dann attraktiv, dass du arbeiten gehst, statt einfach die Zeit mit deinem Kind zu verbringen?
Und Entlastung in der Schule ist ja schön und gut, aber nichts desto trotz musst du bis dahin ja erstmal kommen. Das heißt ja 6-7 Jahre irgendwie finanziell durchzuhalten bis du endlich wirklich Unterstützung bekommst. Also rein finanziell machst du damit das Kinderkriegen doch unheimlich unattraktiv. Selbst wenn du die Entlastungen so umverteilst, dass die Leute in der Schulzeit genau so viel sparen würden, wie vorher mit kostenlosen Kindergartenjahren, ist das psychologisch doch ein riesen Nachteil, wenn man liest, dass man erstmal etliche Jahre selber zurecht kommen muss.
Aber abgesehen davon, was spricht denn dagegen, einfach generell die Kinderbetreuung inklusive Schule komplett kostenlos anzubieten, zumindest an staatlichen Einrichtungen? Ja klar kostet das Geld, aber man muss es eben als Investition in die Zukunft ansehen. Ein Unternehmer muss ja auch erstmal in seine Firma investieren, wenn er später Geld verdienen will.
Willst du wirklich die Kosten für die Kinderbetreuung mit Investitionen eines Unternehmers gleichsetzen? Zeig mir einen Unternehmer, der jetzt investieren würde mit dem Wissen, dass sich das erst in 16 bis 20 Jahren rentiert. Das macht niemand und ein Kind zu bekommen, bedeutet nun auch mal, dass das nicht gerade preisgünstig ist. Und bevor man über kostenlose Kinderbetreuung debattiert, sollten die Kosten erst mal flächendeckend gleich sein. Was sie ja bisher nicht sind.
Und wenn wir in Deutschland erst mal gleiche Kosten haben, dann kann der Staat ja auch sagen, dass Betrag X pro Kind übernommen wird. Ansonsten hätten wir hier nämlich wieder eine Ungleichbehandlung durch die unterschiedlichen Betreuungsgebühren. Da muss man auch mal hinterfragen, wie es Träger schaffen eine Vollzeitbetreuung für 120 Euro im Monat anzubieten und andere Träger verlangen für die selbe Leistungen mehr als die doppelten Gebühren.
Warum sollten in ganz Deutschland die Kosten gleich sein? Die Lebensbedingungen sind auch in allen anderen Bereichen nicht gleich. Und Frauen an den Herd, bis das Kind die Grundschule hinter sich hat, ist wohl keine Lösung.
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