Nur noch in Rente, egal mit wie viel Abzügen?
Ich habe mich gestern mit einer Bekannten unterhalten, die ist jetzt 62 Jahre und geht zum Jahresende in Rente. Den Rentenbeginn hat sie somit vorgezogen und muss dann rund 14 Prozent an Abzügen in Kauf nehmen. Der Abzug tät ihr zwar weh, aber sie hält es einfach nicht mehr aus und will nur noch in Rente und ihre Ruhe haben.
Noch hat sie zwar nicht gekündigt, aber zu 99 Prozent würde ihr Entschluss wohl feststehen. Könnt ihr solch ein Ansinnen gut nachvollziehen und geht es euch vielleicht ähnlich? Würdet ihr auch so früh wie möglich in Rente gehen wollen, egal wie viel Abschläge dabei herauskommen oder würdet ihr bis zum Ende durcharbeiten, um abschlagsfrei in Rente gehen zu können?
Ich kenne mehrere Fälle, in denen Personen die letzten paar Jahre vor der Rente mit Krankschreibungen und Arbeitslosigkeit über die Bühne gebracht haben, wenn sie nicht mehr arbeiten wollten oder konnten. Das finde ich persönlich besser als so hohe Abschläge hinnehmen zu müssen.
Bekommt man nicht ab 58 Jahren statt einem sogar zwei Jahre lang Arbeitslosengeld? Ich bin mir nicht sicher, aber länger als ein Jahr war das schon. Und man kann sich doch anderthalb Jahre krankschreiben lassen, ehe man ausgesteuert ist. Damit hat man doch mehrere Jahre, die man so überbrücken kann.
Es kommt doch ganz darauf an, ob man seinen Beruf mag oder nicht. Ich kenne so einige Leute, die gerne nach dem Renteneintrittsalter weitergearbeitet hätte, aber nicht durften. Da ist zum Beispiel mein Schwager, der Bauleiter bei einer Gemeinde war, oder meine Freundin, die in einer Softwarefirma Apps programmierte. Sie hätten sehr gerne noch mehrere Jahre weitergearbeitet. Bei meiner Freundin war das auch schon geregelt, dass sie unbegrenzt hätte weiterarbeiten können, aber dann kam Corona und es mussten Leute in Kurzarbeit beziehungsweise, nicht verlängert werden.
Was ist das denn für ein Leben, wenn man sich über Jahre krankschreiben lässt, aber gar nicht krank ist. In dieser Zeit kann man doch nichts Neues anfangen, wie etwa Bundesfreiwilligendienst oder sonst ein Ehrenamt. Ich persönlich kann das nicht verstehen, sich freiwillig in einem solchen Schwebezustand aufhalten zu wollen.
Ich glaube, mittlerweile ist aus meinen Posts schon zu entnehmen, dass ich alt bin. Ich ging mit 63 und circa zehn Prozent Abschlägen in Rente. Die Rente ist wegen der typischen Erwerbsbiografie einer Frau nicht sehr hoch, reicht aber zum Leben. Aber ich bin frei. Ich gebe nebenher Nachhilfeunterricht, überlege zur Zeit, als Bufdi zu arbeiten oder einen Minijob anzunehmen. Mein Bruder, der Softwareentwickler war, wollte nach der Rente mal eine völlig andere Arbeitsumgebung kennenlernen und hat drei Jahre lang einen 450-Euro-Job in einem Supermarkt gemacht. Man hat so viele Möglichkeiten.
Ich könnte mir niemals vorstellen, mich durch Krankschreibung "aussteuern" zu lassen. Das ist auch nicht fair dem Unternehmen gegenüber. Gefühlsmäßig würde mir das Innern auch subjektiv sehr widerstreben, weil damit ein Stück Freiheit und Planungsmöglichkeiten für längere Zeit entzogen würde.
Wenn die Kohle trotzdem reicht, warum nicht? Ich selber bin noch nicht im Rentenalter, und habe trotzdem vor, nächstes Jahr von Vollzeit auf 80 Prozent Arbeitszeit zu reduzieren. Und zwar nicht, weil meine Arbeitskraft anderweitig gebraucht wird, sondern weil ich einfach mehr Freizeit möchte.
Das bedeutet auch angesichts der Weltlage natürlich Einschränkungen, aber ich habe mir eben für mich überlegt, dass mir ein bescheidenes Leben, an dem ich auch selber teilnehmen kann, mehr taugt als eins mit mehr Geld, wo mir aber die Zeit zum Ausgeben fehlt.
Auf Krankschreiben und Rumtricksen hätte ich selber rein vom Charakter her auch keine Lust - ich finde den Aufwand, sich irgendwie durchzumogeln, am Ende noch mit Repressalien, falls jemand "draufkommt", erheblich anstrengender und unverhältnismäßig kompliziert, als zu sagen: Ich will das, wie kann ich für alle Seiten eine faire und funktionierende Lösung finden? So funktioniert das Zusammenleben generell in meinen Augen am besten.
So einfach ist es auch nicht mehr, dass man sich mit Krankschreibungen und Arbeitslosigkeit bis zur Rente durchschlagen will. Ich habe bis vor vier Jahren im Bewerbungstraining gearbeitet und da wurden uns Leute geschickt, die noch sechs Monate bis zur Rente hatten. Diese Leute hat man vor ein paar Jahren einfach in Ruhe gelassen.
Ob man sich die 14% Abschlag leisten kann, hängt vor allem von der Rentenhöhe an, die man dann bekommt. Allerdings gibt es auch private Rentenversicherungen, die dann später mal den Abschlag ausgleichen. Eine solche private Rentenversicherung hatte der Arbeitgeber meines Vaters für jeden Mitarbeiter auf den Weg gebracht, der in den Vorruhestand ging. Die Versicherung wurde mit einem Einmalbetrag bedient und hat dann eben mit Eintritt des Rentenalters gezahlt.
Ich selbst bin aktuell nicht in dem Gedanken so handeln zu müssen, weil ich absolut unzufrieden bin. Meinen Mann könnte das eher locken, wobei bei ihm schon klar ist, dass er allein aus gesundheitlichen Gründen nie bis zur regulären Altersrente arbeiten kann.
blümchen hat geschrieben:Was ist das denn für ein Leben, wenn man sich über Jahre krankschreiben lässt, aber gar nicht krank ist. In dieser Zeit kann man doch nichts Neues anfangen, wie etwa Bundesfreiwilligendienst oder sonst ein Ehrenamt. Ich persönlich kann das nicht verstehen, sich freiwillig in einem solchen Schwebezustand aufhalten zu wollen.
Man kann sich etwa 1,5 Jahre krankschreiben lassen, dann ist man ausgesteuert. Danach würde man eventuell Arbeitslosengeld 1 oder 2 bekommen. Und wer will denn im Alter Bundesfreiwilligendienst machen? Sinn der Sache ist doch, eben NICHTS mehr machen zu müssen und sich nicht die nächste Verpflichtung ans Bein zu nageln.
Gerbera hat geschrieben:Auf Krankschreiben und Rumtricksen hätte ich selber rein vom Charakter her auch keine Lust - ich finde den Aufwand, sich irgendwie durchzumogeln, am Ende noch mit Repressalien, falls jemand "draufkommt", erheblich anstrengender und unverhältnismäßig kompliziert, als zu sagen: Ich will das, wie kann ich für alle Seiten eine faire und funktionierende Lösung finden? So funktioniert das Zusammenleben generell in meinen Augen am besten.
Die Arbeitszeit zu reduzieren kann sich aber wahrscheinlich nicht jeder leisten und auch nicht jedes Unternehmen bietet diese Option. Das wäre eine schöne Variante, aber es wird in vielen Fällen an den Gegebenheiten scheitern.
Es gibt doch auch wirklich jede Menge Berufe, die man gar nicht so lange machen kann oder bei denen dann jedes weitere Jahr extrem auf die Gesundheit gehen würde, weil man sich einfach noch mehr quälen muss als ein junger Mensch. Man bekommt das ja auch nicht immer optimal überbrückt, das ist dann leider so und dann muss man sehen, was einem wichtiger ist. Ich finde es vollkommen nachvollziehbar, dass man das irgendwann nicht mehr kann und noch etwas vom Leben haben will, dann muss man eben sehen wie man das für einen selber günstig über die Bühne bringen kann.
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