Kinder zum Mitmachen zwingen - findet ihr es sinnvoll?
Heute war im Kindergarten das Sommerfest. Es wurden vorher Lieder geübt und ein paar Kinder hatten dann auch eine Aufgabe, mal etwas hochzuhalten oder sich zu verkleiden. Bei diesen Kindern war man sich sicher, dass sie zum Einen kommen und zum Anderen auch keine Angst haben werden dies vor vielen Menschen zu zeigen. Es waren also alle Kinder dazu eingeladen die geübten Lieder gemeinsam vorzutragen.
Meinem Sohn war das zu viel und ich habe das so hingenommen. Er wollte nicht, weil ihm singen generell wenig Spaß bereitet, er aber auch einfach Angst hatte vor der ganzen Situation mit den vielen Leuten. Ich habe ihn dann bei uns stehen lassen und seine Schwester hat mitgesungen. Ein anderes Kind wurde regelrecht hingeschleift und hat dann auch eine Ansage bekommen, dass es mitsingen soll. Dieses Kind hat zunächst etwas geweint, dann aber zumindest die Bewegungen mitgemacht, aber es sah nicht so aus, als würde es das wirklich gerne machen. Es ging ja auch um nichts, deswegen kann ich nicht nachvollziehen, warum man da so einen Druck macht.
Beim Gespräch mit einem anderen Elternpaar meinten die dann auch, dass das nicht schön wäre, wenn ich meinen Sohn da lassen würde. Immerhin hätte man dann kein schönes Erinnerungsvideo und er wäre ja Teil der Gruppe. Mein Sohn war nicht der Einzige, der sich nicht getraut hat und bei der Menge an Leuten fand ich das auch eher normal, dass man sich da nicht gleich traut. Man sah einen Nachteil darin, dass er sich dann nie trauen würde, was ich aber nicht so sehe. Ich denke, dass man durchaus an sich wachsen kann durch positive Bestärkung und guten Erfahrungen und man sich ja auch weiterentwickelt. Ich sehe es daher als vollkommen okay an und denke, dass er deswegen nicht sein Leben lang so handeln wird. Wie seht ihr das? Wie habt ihr das gemacht?
Ich würde meistens schon versuchen, die Kinder auch mit Druck zum Mitmachen bei solchen Dingen zu zwingen. Nur weil etwas keinen Spaß macht, sollte man sich bei solchen Auftritten nicht ausschließen, außer wenn das Kind extrem reagiert. Aber dann ist eh irgendetwas vielleicht nicht in Ordnung, außer in bestimmten Phasen im Kleinkindalter, wo das normal ist.
In der Schule muss man doch auch bei Vorführungen oder Sportwettbewerben mitmachen. Nur weil man nicht gerne läuft, muss man trotzdem bei Bundesjugendspielen, falls es sowas noch gibt, einen Lauf absolvieren. Auch Gedichte muss man vortragen oder an der Tafel etwas vorrechnen, auch wenn man keine Lust hat. Ich finde es wichtig, an gesellschaftlichen Aktivitäten teilzunehmen, auch wenn es Überwindung kostet.
So wie ich es verstehe, kommt dein Sohn jetzt in die Schule. Da hätte ich beim Kindergartenabschlussfest mit leichtem Druck darauf hingewirkt, dass er mitmacht. Beziehungsweise hätte ich ihm nicht die Wahl gelassen, sodass er gar nicht die Möglichkeit in Erwägung gezogen hätte, sich auszuschließen. Manchmal darf man den Kindern keine Entscheidung lassen, finde ich, auch wenn das autoritär oder zu bestimmend klingt.
Ich finde das Welt- und Menschenbild, das es erlaubt, kleine Kinder zum Amüsement der Erwachsenen zu hampelnden Affen zu machen - zur Not auch "mit Druck zu zwingen", nicht nur veraltet, sondern geradezu verstörend.
Klar, man muss im Leben hin und wieder Dinge tun, auf die man keine Lust hat, aber dafür sollte man Kindern eigentlich beibringen, wie man sich motiviert und Prioritäten setzt und nicht, dass Ältere, Größere und Stärkere sie zu irgendwelchem Schwachsinn zwingen können, wann und aus welchen Gründen immer sie wollen. Es ist schlimm genug, dass zumindest Teile der jungen Generation immer noch auf Kadavergehorsam abgerichtet werden. Sieht man ja schon am Schulsystem: Wenn es bimmelt, fangt ihr an zu hampeln, wenn es wieder bimmelt, dürft ihr kurz an die frische Luft. Mit der Einstellung werden wir unsere Lebensgrundlagen garantiert nicht retten.
Ich muss auch sagen, dass ich ebenfalls ein eher introvertiertes Kind war und nicht die Rampensau, die manche Eltern lieber gehabt hätten, weil dabei schönere Videos herauskommen (Mal ehrlich? Dann dressiert euch doch gleich einen Pudel.) Mittlerweile bin ich solide erwachsen, sozial integriert und völlig verhaltensunauffällig, und kann sagen, dass "Singen und Bewegungen mitmachen" oder später die Bundesjugendspiele oder das berühmte Vorrechnen an der Tafel nicht die Riesenrolle fürs Leben gespielt haben, die meine Kindergartenfrolleins oder Grundschullehrerinnen mir versucht haben zu vermitteln.
Gerbera, ich finde deine Posts ja meistens sehr lustig, aber oft übertreibst du kolossal. Hier geht es doch nicht darum, dass das Kind eine Hauptrolle spielt und es sich zum Affen machen muss, sondern dass es sich in eine Gemeinschaft einreiht. Am Schulsystem habe ich auch sehr Vieles zu kritisieren, aber trotzdem gibt es auch im Leben sonst gewisse Gepflogenheiten, die das Zusammenleben einfacher machen.
Als meine Kinder eingeschult wurden, haben die Viertklässler etwas gesungen und vorgeführt. Man musste ja nicht im Vordergrund stehen, aber es wäre doch nicht schön gewesen, wenn gar kein Kind mitgemacht hätte. Es sind ja Kleinigkeiten, die man sozusagen als Ritual mitmacht und nichts Großes, wo man quasi vorgeführt wird.
Auch weiß man nicht, wie das Kind später reagiert, wenn die anderen Kinder sich Fotos anschauen, man selber aber nirgendwo drauf ist. Das ist vielleicht "schlimmer" als die kurze Überwindung. Ich hatte mal einen Freund, der nie auf Klassenfahrten mitfahren wollte. Seine Mutter hat ihn immer befreit, weil sie Mitleid mit ihm hatte. Später hat er diese nicht gemachte Erfahrung, selbst wenn sie schlecht gewesen wäre, was wahrscheinlich nicht der Fall gewesen wäre, bereut.
Ramones, du hast mal geschrieben, dass deine Kinder immer alles Essen wenigsten probieren müssen, selbst wenn sie es von vorneherein ablehnen. Das lässt du deine Kinder gar nicht hinterfragen. Ist das nicht ähnlich? Solltest du deinen Sohn nicht wenigsten einmal so einen Auftritt probieren lassen? Ich finde sehr wohl, dass man Kinder nicht alles entscheiden lassen sollte. Manchmal muss man das als Erwachsener übernehmen, etwa wenn es darum geht, wohin in Urlaub gefahren wird, ob am Wochenende die Oma im Altenheim besucht wird, meistens, was es zu Essen gibt, dass das Kind die Hausaufgaben macht, auch wenn es keine Lust hat, oder ob in einer sehr musikalischen Familie ein Instrument wenigstens versucht wird zu lernen. Das hat mit Affendressur nicht das Geringste zu tun.
Ein Kind kann auch überfordert sein, wenn es zuviel entscheiden muss. Es ist und war doch in allen Gesellschaften so, dass man hineingeboren wird und gewisse Dinge nachahmt, ohne sie zu hinterfragen. Das nennt man Sozialisation. Dazu gehören auch gewisse Rituale. Man kann und sollte gewisse Dinge immer hinterfragen, aber nicht schon als Kindergartenkind.
Ich bin von dem Gedanken, dass man der Ansicht ist seine Kinder zu etwas zwingen zu können generell schon etwas angewidert. Denn tatsächlich bin ich derzeit beruflich mit dieser Haltung ziemlich häufig konfrontiert und wundere mich dann teilweise auch nicht mehr, welche Ausgänge das „Zwingen“ mit sich bringen kann.
Wie die meisten wissen, bin ich Streetworkerin und eigentlich ein ganz anderes Klientel gewohnt. Corona ermöglichte es mir jedoch in Richtung des Jugendamts zu gehen und da ist die Klientel natürlich eine andere und auch ich muss mich gelegentlich noch immer daran gewöhnen, was mir da eigentlich alles entgegen gesagt wird und womit Eltern glauben, dass dies zu rechtfertigen sei. Mittlerweile bin ich geradezu froh, dass ich wieder langsam zurück zu meinen alten Beruflichkeiten gelange, aber weil Not am Mann ist, bin ich auch derzeit eher die „Springerin“ in allen sozialpädagogischen Bereichen.
Wir reden, um das mal klar zu machen nicht davon, dass es hier um eine Portion Lebensmittel am Esstisch geht, wo viele Eltern den „Zwang“ oder „Druck“ ausüben, dass Kinder aufessen müssen. Wir reden auch nicht davon, dass hier ein Kind einfach mit „Druck“ oder „Zwang“ seine verpflichtenden Hausaufgaben und Hausarbeiten machen soll. Wir reden von einer Schulaufführung, die meines Wissens nach noch immer eine freiwillige Sache ist und selbst wenn nicht, gibt es keine schulischen Statuten, die rechtlichen Grundlagen entsprechen, dass Kinder daran aktiv teilnehmen müssen.
Es gibt viele Gründe, wieso ein Kind vorher Feuer und Flamme für etwas war und im Anschluss nicht mehr. Lampenfieber trifft auch Erwachsene, zu viele Menschen auf einmal, die volle Aufmerksamkeit aller und vieles mehr. Das haben Eltern, wenn man mich persönlich ohne berufliche Dinge mit einzubringen, zu respektieren. Natürlich ist es nicht verboten dem Kind vielleicht zu sagen: "Das schaffst Du schon“ oder „Da mussten wir alle durch“. Leichte Aufmunterungen, damit der Nachwuchs es dennoch macht, finde ich vollkommen in Ordnung, aber keineswegs Druck und Zwang.
Mit dem Druck, dass das benannte Kind es tun musste, kann man vieles auslösen, was Eltern nicht bewusst ist. Sich als jemand fühlen, der eigentlich nichts selbst entscheiden kann, weil die Eltern über das Wohlbefinden ihres Kindes gehen, ist sicher ein ganz tolles Gefühl. Fremdbestimmung finden wir im Erwachsenenalter ja auch so super, sodass wir unserem Kind offenbar nicht zugestehen wollen in gewissen Situationen selbst zu entscheiden und es dann zum Glück zwingen? In diesem Fall ein No-Go, weil es um nichts geht!
Das Kind wollte einfach nicht und hat seinen Unmut der Situation gegenüber kundgetan. Es wurde mit Druck zum Auftritt gezwungen und tut das, was ich erwartet habe. Wahlweise in Starre verfallen und einfach nur noch „tun“, um anderen zu gefallen oder aber sich selbst einfach anderen Willen anpassen, weil es verlangt wird. Dem widerspricht meine grundsätzliche Haltung zu solchen Themen.
Ich brauche jetzt auch keine Grundsatzdiskussion darum, dass man Kinder nicht alles frei entscheiden lassen kann. Logisch, sonst ist Sodom und Gomera garantiert. Dennoch gibt es Situationen, wo Kinder ihre eigenen Entscheidungen treffen dürfen und wenn ein gutes Zureden nicht hilft, dann ist Zwang kein Mittel für eine Schulaufführung!
Wir reden hier wie angemerkt nicht über Hausaufgaben, Medikamente für die Gesundheit zu sich nehmen, eine Brille tragen usw. Das sind völlig verschiedene paar Schuhe. Hier werden die Gefühle des Kindes durch Fremdbestimmung, Druck und Zwang völlig in die falsche Bahn gelenkt. Passiert dies nur bei Schulaufführung oder auch anderswo? Darf das Kind noch selbst bestimmend seine Gefühle äußern oder ist es eh egal, weil es ja alles tun muss, weil es das elterliche Eigentum ist?
Ich bin da vielleicht etwas „empfindlich“, aber auch ich sehe in meinem Familienkreis was das auslösen kann. Ein Kind hat durch solch ein Verhalten eine sozial Phobie entwickelt, weil sie das Gefühl bekam, sowieso alles fremdbestimmend tun zu müssen, aber gleichzeitig auch nie alles richtig machen zu können. Mittlerweile ist sie erwachsen, in Therapie und nicht komplett alltagstauglich.
Bei anderen in meiner Familie, die der Ansicht sind, das Kind muss zum Glück gezwungen werden erfahre ich auch trotziges, aggressives und wütendes Verhalten der Kinder. Dabei geht es meist auch nur um Lappalien wie: "Du musst heute zur Oma, weil Mama und Papa gerne Party machen wollen“. Das Kind hat sich aber schon mehrfach darüber geäußert, dass Oma und Opa schrecklich sind. Da ich in der Familie groß geworden bin, weiß ich, was das Kind auch ertragen muss und auch dieses Kind reagiert dann über das Wochenende meist sehr suspekt. Es geht dann nicht raus, sitzt im Zimmer und zählt gefühlt die Stunden, um nach Hause zu dürfen. Dann ist es wieder Happy.
War jetzt sehr viel Text, aber ich wollte einfach nur mal klarmachen, dass ich gegen Zwang und Druck bin. Es geht auch ganz ohne, wenn man die richtigen Schrauben dreht. Dann wiederum gibt es eben auch Situationen für mich, wozu auch Schulaufführungen zählen, die keinerlei Zwang bedürfen. Wer nicht will, der will nicht.
@blümchen: In welcher Zeit lebst du denn? Ein Kind wird kaum zu einem Wettkampf gezwungen, wenn es gar nicht die Leistung erbringt. Das wäre aber dein Beispiel mit den Bundesjugendspielen. Ein Kind was keinen Spaß an einer Laufdisziplin hat, wird also nie dort hin geschickt, weil klar ist, dass keine vorderen Plätze holt. Und auch wenn es Gerbera sehr überspitzt formuliert, stimme ich da uneingeschränkt zu. Es ist auch ein Unterschied, ob man vor vielen fremden Leuten ein Lied singt oder von der eigenen Klasse ein Gedicht aufsagen muss.
Meine Tochter hat im Kindergarten auch mitten im Programm nicht mehr mitmachen wollen. Die Kleinsten waren damals als Schneeflocken unterwegs und sie kam weinend zu mir. Und es hat ihrer Entwicklung nicht geschadet, dass sie nicht bis zum Ende des Liedes mit getanzt hat. Jahre später war sie dagegen stolz drauf, wenn sie zum Abschluss der Haupt- und Realschüler allein auf der Bühne ein Lied singen durfte.
Man sieht also, dass ein Kind sich da auch verändern wird. Was in Kitazeiten noch unangenehm ist, kann Jahre später die größte Freude bringen. Aber etwas zu erzwingen, was nicht wirklich notwendig ist, ist in meinen Augen der größte Fehler den man als Eltern machen kann. Und wenn etwas unbedingt sein muss, dann sollte man das auch nicht einfach durchsetzen, sondern dem Kind die Notwendigkeit dazu erklären.
@Punktedieb Wie kommst du darauf, dass ein Kind, das keinen Spaß am Laufen hat, nicht zu den Bundesjugendspielen geschickt wird? Die finden in jeder Schule statt und jeder muss mitmachen. Wer untalentiert ist, der bekommt halt nicht genügend Punkte für eine Siegerurkunde zusammen, von einer Ehrenurkunde reden wir erst gar nicht. Nach dem tollen Tag voller Niederlagen darf das Kind dann noch zugucken, wie die anderen ihre Urkunden überreicht bekommen. Da die erbrachten Leistungen meist gleich noch in die Sportnote einfließen, ist Schwänzen auch keine Lösung.
Ich bin schon der Meinung, dass Kinder solche Dinge möglichst mitmachen sollten. Schließlich bietet sich dann weniger Angriffsfläche für die anderen und das eh schon schüchterne Kind muss weniger aushalten. Nur ist halt Zwang nicht das Mittel der Wahl. Man weiß doch, wie das eigene Kind ist und stärkt in solchen Fällen in zig Situationen im Alltag das Selbstbewusstsein und schafft Erfolgserlebnisse. Dann kann man auch in den Moment ermutigen, es zu versuchen.
Dann scheinen das nicht alle Schulen zu machen. Meine Tochter hatte das nie an ihrer Schule. Da gab es verschiedene Sportfeste und da haben sich immer alle Schüler gefreut, wenn diese Termine waren. Auch die Schüler, die nicht gerade Sportskanonen waren, hatten daran ihren Spaß und es wurde immer bedauert, wenn ein Termin wetterbedingt ausgefallen ist.
Die Bundesjugendspiele sind für alle Schulen und alle Schüler und Schülerinnen der Klassen 1 bis 10 in Deutschland verpflichtend und die müssen entsprechend der bundeseinheitlichen Vorgaben durchgeführt werden. Das hat die Kultusministerkonferenz 1973 festgelegt und seitdem wurde die Verordnung dazu nur immer wieder aktualisiert. Es kann aber sein, dass dir deine Tochter nichts davon erzählt hat, weil das halt aus Schülersicht ein ganz normaler, nerviger Schultag nur mit Sport ist.
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