Inwiefern beeinflusst Bildung die Selbstkontrolle?

vom 17.07.2018, 09:14 Uhr

Ich las vor kurzem vom so genannten Mashmallow-Test, wobei dieser Test wohl gezeigt haben soll, dass die Kinder aus Akademikerfamilien deutlich länger warten konnten als die Kinder aus bildungsfernen Familien. Daraus schließt man, dass die Akademikerkinder eine größere Selbstkontrolle haben. Meint ihr, dass da die Bildung der ausschlaggebende Faktor ist? Welche Faktoren führen zu einer höheren Selbstbeherrschung bei Kindern?

Benutzeravatar

» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ähm, das ist doch gelinde gesagt, Unsinn! Kinder machen den Test im Kindergartenalter. Da ist es mit der Bildung noch nicht weit her und bekanntlich vererbt sich Bildung nicht. Zumal der Test über spätere kognitive Leistungen kaum etwas aussagt.

Und ja, es gibt einen signifikanten Unterschied bei der Wartezeit zwischen Kindern aus Akademikerhaushalten und Arbeiterfamilien. Nur verschwindet dieser Unterschied, wenn man den Kindern Strategien zeigt, wie sie die Wartezeit besser überstehen. Das lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass der Nachwuchs von Akademikern früher solche Strategien lernt. Nur macht das Jahre später kaum noch einen Unterschied.

Denn tatsächlich gibt der Test nur Aufschluss über Selbstkontrolle und die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub, wenn die Kinder keine Strategien zur Impulskontrolle erlernt haben. Und die lernen Kinder aus dem Umfeld der Stanford Universität nun einmal früher als andere. Denn die stellten die Akademikerkinder. Das ist eine sehr homogene Gruppe, die keinen Rückschluss auf den Nachwuchs von anderen Akademikern in den USA oder gar in Deutschland zulassen.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Ich denke schon, dass es etwas mit Bildung zu tun hat. Und dies kann entgegen der Behauptung, dass man das im Kindergarten noch nicht merken würde, sehr wohl schon im Kindergartenalter fest gestellt werden. Den Kindern Alternativen aufzuzeigen, mit der Wartezeit umzugehen, hat sehr wohl auch etwas mit Intelligenz und Bildung zu tun.

Im Kindergarten merke ich den Bildungsstand oder Bildungsunterschied von den verschiedenen Kindern sehr wohl. Also das kann wirklich eine große Rolle spielen. Die Kinder aus Akademikerfamilien sind meistens wirklich disziplinierter und auch sozialer als Kinder bildungsferner Familien. Es ist zwar jetzt wirklich gemein, so etwas zu sagen, aber es widerspiegelt meine Erfahrung in meinem Beruf.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Nordseekrabbe, ich habe nicht behauptet, dass man das im frühen Kindergartenalter nicht bemerkt, ich habe gesagt, da ist es mit der Bildung noch nicht so weit her. Denn Erziehung ist nicht gleich Bildung. Und dass Akademikerkinder eine bessere Selbstkontrolle haben, kann man auch nicht sagen, weil sie nur bessere Strategien kennen. Zeigt man die Arbeiterkindern, dann schneiden die ebenso gut ab. Noch dazu ist die Aussagekraft des Tests extrem gering und lässt kaum Prognosen zu.

Woher weißt du eigentlich für jedes Kind, ob es aus einem Akademikerhaushalt stammt, Nordseekrabbe? Fragst du alle Eltern nach ihrem höchsten Abschluss? Oder betrachtest du nur die Kinder, so der Job der Eltern es ganz klar zeigt? Wenn man sich nur auf Lehrer, Juristen und Ärzte und so konzentriert, bekommt man keine repräsentative Gruppe für Akademikerhaushalte.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Ich glaube sehr sehr wohl, dass die Bildung rein gar nichts mit einer gewissen Selbstkontrolle zu tun hat. Der Bildungsstand hat weder etwas mit Geduld zu tun noch sonst etwas. Ich kenne Akademiker und viele gut ausgebildete Menschen, die sind derart ungeduldig, können nicht warten, erwarten, weil sie so gut sind, dass alles immer sofort für sie getan wird usw. Genau dasselbe Spiel mit Leuten, die eben Geld haben und noch dazu intelligent sind. Eine Kombination, die einigen sehr komische Erwartungshaltungen aufzeigt.

Ich weiß jetzt nicht genau, wie man das „Warten können“ hier beziffert hat. Geht es um Geduld? Geht es darum, wann das Kind das Ü-Ei öffnet? Geht es darum, wie sich die Leute in Wartezimmern usw. benehmen? Keine Ahnung, aber die Selbstkontrolle kennt ja vieles und ich finde, dass viele sehr intelligente Menschen oder überdurchschnittlich intelligente Menschen meist weniger Geduld haben, weniger einfach in ihrem Umgang sind, als andere.

Dieses Beispiel Sheldon Cooper kenne ich an 2 lebenden Beispielen, der IQ aber keineswegs derart hoch ist, wie sein geschauspielerter. Sie sind aber eben sehr intelligent und gebildet. Alles muss sofort gehen, wenn sie etwas machen sollen, was ihnen zu bieder und einfach ersteint, verziehen sie das Gesicht oder es kommt ein „boooohr“. Viele weitere derartige Thematiken könnte ich jetzt beschreiben.

Ich glaube einfach, dass Bildung auch bei einigen genau das Gegenteil auslöst. Ob das jetzt aber direkt mit der Bildung bei vielen zu tun hat, wenn mangelnde Selbstkontrolle da ist oder zu viel, das weiß ich nicht. Es kann ein Zusammenhang geben, aber es kann auch wirklich einfach nur in Kombination mit Elternhaus, wie man es kennt und selber in seinem Charakter verfestigt hat liegen.

Benutzeravatar

» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Der Marshmallow-Test hat sich in der Zwischenzeit als relativer Blödsinn erwiesen. Man hat seinerzeit einfach zu wenig auf den Hintergrund der Kinder geschaut. Und es ist ja ganz simpel und logisch: Wenn man von klein auf die Erfahrung gemacht hat, dass man im Großen und Ganzen kriegt, was man will und die Erwachsenen sich um dich kümmern und auch entsprechend liefern, ist es auch schon in sehr jungen Jahren einfacher, sich zu beherrschen.

Und wenn man eher die Erfahrung gemacht hat, ständig zu kurz zu kommen, wenn man nicht jede Gelegenheit sofort nutzt oder dass Enttäuschungen aller Art an der Tagesordnung sind, grabscht Klein Kevin natürlich sofort zu. Bevor der große Bruder kommt. Oder bevor er wieder wochenlang warten muss, bis mal wieder eine Leckerei drin ist.

Es ist also sehr viel weniger eine Frage des Charakters, sondern des sozialen Hintergrunds. Und mehr Bildung bedeutet zwar nicht immer, aber doch im Regelfall mehr Kohle und die Möglichkeit, seinen Blagen so viele Marshmallows reinstopfen zu können, wie sie wollen. Und nicht nur Marshmallows, sondern auch Musikunterricht, Reisen, Freizeitangebote, Nachhilfe, Praktika, finanzielle Unterstützung im Studium und so weiter.

Da ist es kein Wunder, dass die Zwei-Marshmallow-Kids auch später im Leben besser dranstehen, und zwar nicht, weil sie charakterlich hochwertigere oder klügere Menschen sind als ihre Altersgenossen, deren Eltern all das nicht leisten konnten.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Dazu gibt es einen Artikel im Spektrum der Wissenschaft. Interessant ist der Satz, dass nach Herausrechnen von Größen wie den familiären Hintergrund die erreichte Wartezeit gar nichts mehr über Leistungen und Verhalten im Alter von 15 Jahren aussagt. Das bedeutet doch, dass der familiäre Hintergrund eine Rolle spielt und der besteht nicht nur aus Bildung, sondern auch zum Beispiel, wie Gerbera schön darlegt, daraus, wie oft es Süßigkeiten gibt, wie viele Geschwister da sind und wie oft Versprechen gehalten werden oder nicht.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^