Ist der soziale Aufstieg in Deutschland besonders schwer?
Mehrere Studien sollen gezeigt haben, dass der soziale Aufstieg in Deutschland schwieriger sein soll als in vielen anderen Industrieländern. Leider sind mir keine Details zu diesen Studien bekannt. Was haltet ihr von dieser Aussage? Meint ihr, dass da etwas dran ist? Durch welche Faktoren wird der soziale Aufstieg in Deutschland erschwert - im Vergleich zu den anderen Industrieländern? Lassen sich diese "deutschen" Barrieren - sofern sie existieren - irgendwie abbauen?
Was ist daran jetzt die große neue Erkenntnis? Spontan fällt mir nur Großbritannien ein, wo es noch schwerer ist. Es fängt doch in der Grundschule an. Wer nicht den passenden Stallgeruch hat, bekommt viel schwerer eine Empfehlung für das Gymnasium.
Da wird weiter selektiert und die erbrachte Leistung ist nur ein Parameter. So geht es doch ständig weiter. Und wer nicht dazu gehört, der muss sich enorm anstrengen, es vielleicht zu schaffen. Dazu gehört meist, dass er sich weit von seiner Familie entfernt. Die anderen haben dagegen Familie und Netzwerk im Rücken.
Ich finde das hier in Deutschland die Bürokratie zu hoch ist. Menschen, die keine gute Bildung genossen haben, werden sich schwer damit tun da überhaupt für sich das Beste herauszuholen oder den Schritt nach vorne zu wagen, wenn man nichts versteht. Bildung bekommt man hier, teilweise kostenlos, teilweise nicht. Für mich ist es schade, dass man die Studenten nicht mehr unterstützt, ein Studium muss man sich also erstmal leisten können. Dazu kommen teilweise sehr hohe Kosten für Selbstständige, wenn diese eine Krankenversicherung brauchen.
Das ist bekannt, dass dem leider so ist. Es gibt einen Zusammenhang zwischen sozialem Umfeld und Bildungschancen. Kinder, deren Eltern nicht die Möglichkeit haben, ihnen zum Beispiel ein eigenes Zimmer, einen Computer oder sonst was, was ein Kind so als Anregung braucht, zur Verfügung zu stellen, haben es schwerer als andere, die zu Hause ein besseres Umfeld haben. Das fängt schon bei der Sprache an. Kinder, die sprachlich nicht gefördert werden, haben es in der Schule schwerer und werden von den Lehrern instinktiv vielleicht als weniger intelligent eingeschätzt als ihre besser gestellten Altersgenossen, obwohl vielleicht viel Potenzial da ist.
In manch anderen Ländern ist die Förderung sozial schlechter gestellter Kinder besser als in Deutschland. Da ist noch viel zu tun. Mittlerweile ist zwar vieles besser geworden, durch Kindertagesstätten, die nicht mehr nur Aufbewahrungsstätten sind, und Nachmittagsangebote in den Schulen. Aber ich glaube, dass die Schulschließungen während Corona wieder einiges kaputtgemacht haben. Im Bereich von Fernunterricht sind viele Länder besser als wir. Hier gibt es wahrscheinlich so einige Kinder, die ein ganzes Jahr zurückgeworfen wurden. Das hing natürlich auch vom Lehrer ab, wie sehr der dahinter war und nicht nur einfach Emails mit zu lösenden Aufgaben schickte und diese dann gar nicht kontrollierte.
Ich sehe das ja an meinem Nachhilfeschüler. Der hat ein halbes Jahr praktisch gar nichts für die Schule getan. Ich habe zwar immer angemahnt, dass er kommen soll, aber die Eltern waren auch nicht so dahinter und jetzt so kurz vor der Abschlussprüfung tun sich gewaltige Lücken auf.
Es gibt natürlich immer Beispiele für erfolgreiche Karrieren trotz schlechtem Umfeld in der Kindheit. Aber das zu schaffen, da gehört schon eine Menge an Willen und Intelligenz dazu.
Also bei uns an den Schulen wird nach Leistung bewertet. Dazu haben hier die Grundschulen oftmals auch sogenannte Integrationslehrer, welche sich um einzelne Schüler noch mal spezieller bemühen. Die Integrationslehrer sind auch unterschiedlich ausgebildet, so dass eben für jeden Schüler, der diese Unterstützung nötig hat, ein passendes Programm zusammengestellt werden kann.
Auch die weiterführenden Schulen haben noch Möglichkeiten einzelne Schüler spezieller zu fördern, wenn da Bedarf ist. Und die Bildungsempfehlung für das Gymnasium bekommt man hier auch nur, wenn die Leistungen entsprechend sind. Da ist es egal, ob es um Lieschen Müller geht, wo die Eltern vielleicht auf ALG II sind oder der Unternehmers Sohn bewertet werden muss. Und wenn der Unternehmers Sohn auf Biegen und Brechen zum Gymnasium gehen soll, dann muss er das dort unter Beweis stellen, ob er die notwendigen Grundlagen mitbringt.
Es scheint mir also eher, dass es regional in Deutschland entsprechende Unterschiede gibt. In meinem Umfeld kann man eben auch aufsteigen, wenn man die Leistungen hat und bereit ist, da sein Bestes zu geben. Wobei wir seit über einem Jahr auch die Möglichkeit hier haben kostenlos Computer für schwächer gestellte Familien zu bekommen. Das sind zwar nicht die neuesten Geräte, aber für die schulische Arbeit sind sie vernünftig ausgestattet.
Punktedieb, wenn das mit dem Aufstieg so gut klappen würde, wie du behauptest, warum sind dann in Führungspositionen weniger als 5 Prozent Ostdeutsche vertreten? Warum sind von 200 Vorständen von DAX-Unternehmen nur 4 aus Ostdeutschland und kaum Frauen vorhanden? Das liegt nur an der mangelnden Leistung? Zig Positionen erreichst du nur mit Stallgeruch, Vitamin B und Geld. Dass neuerdings fast jeder studiert, weil sich das im europäischen Vergleich gut macht und die Unternehmen die Ausbildungskosten auf die Allgemeinheit abwälzen, hat mit Aufstieg nichts zu tun. Das zeigen auch die miserablen Gehälter.
@cooper75: Deine Fragen haben doch ganz andere Hintergründe und nichts damit zu tun, ob das wirklich so schwer ist sozial aufzusteigen. Und sozialer Aufstieg ist doch nicht nur der Chefposten in irgendeinem Aufsichtsrat. Das geht schon los, wenn ein Jugendlicher dem Hartz IV-Leben seiner Familie entflieht, weil er keine Lust darauf hat auf Staatskosten zu leben.
Aber man kann natürlich alles nur auf dem Niveau der Sahnetorte sehen. Nur sollte man dabei auch bedenken, dass nicht jeder Mensch diese Ambitionen hat. Und wer da gern hin will, der wird als Frau allein durch die internen Geflechte einer Firma ausgebremst. Das hat nicht mal was mit deinem sogenannten Stallgeruch zu tun.
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