Postcrossing: Was an russischen Empfänger schreiben?

Wie ich eben schon schrieb, bin ich seit einigen Monaten bei Postcrossing aktiv. Bei diesem weltweiten Projekt bekommt man von einem internen, nicht näher bekannten Algorithmus eine Adresse von einem anderen User irgendwo in der Welt. Man kann dann dessen Profil lesen und man schickt an ihn eine Postkarte. Im Gegenzug bekommt man dann von irgendjemand anderem auf der Welt auch eine Postkarte.

Postcrossing ist grundsätzlich unpolitisch. Es ist ein privates Projekt, das sich distanziert von jeglicher Politik. Es geht eigentlich um den Austausch der verschiedenen Kulturen und Sprachen, es geht darum, anderen eine Freude zu bereiten.

Weil man sich nicht aussuchen kann, aus welchem Land man eine Adresse zugelost bekommt und außerdem Postcrossing in Russland sehr verbreitet ist, ist die Wahrscheinlichkeit, einen Empfänger aus Russland zugelost zu bekommen, recht groß. Bei mir sind bisher 14,3 % meiner Postkarten nach Russland verschickt worden. Ich habe aktuell die Möglichkeit, mir neun neue Adressen geben zu lassen, und bin wie auch viele andere User am überlegen, was ich auf eine Karte nach Russland schreiben würde.

Ich weiß, dass es unpolitisch sein soll. Ich weiß auch gar nicht, ob der Empfänger über die Situation richtig unterrichtet ist und wie seine Haltung dazu ist, denn scheinbar lehnen viele in der russischen Bevölkerung den Krieg auch ab. Trotzdem kann und will ich den Krieg irgendwie nicht außen vor lassen und so tun, als gäbe es ihn nicht.

Zum Vergleich: Corona blieb als Thema eigentlich auch eher unerwähnt, aber es war doch präsent, weil fast jeder als Abschiedsformel geschrieben hat, dass man aufpassen und gesund bleiben solle. Wenn ich selbst so eine Karte bekommen habe, fand ich es total nett und aufmerksam, obwohl ich das Thema an sich inzwischen einfach nicht mehr hören kann und es mir maximal auf den Zeiger geht.

Und irgendetwas vergleichbar Unverfängliches möchte ich eigentlich auf so eine Karte schreiben. Etwas, was den Empfänger nicht "brandmarkt", weil er eben auch ein Teil von Russland ist. Was ihn nicht nervt. Was die grundsätzliche Intention, ihm eine Freude zu bereiten mit der Karte, nicht zuwider läuft. Was aber trotzdem zeigt, dass ich auf ein für alle gutes Ende hoffe.

Was würdet Ihr einer russischen Person schreiben, deren Haltung zu der russischen Invasion Ihr nicht kennt, deren Wissen darüber Ihr auch nicht einschätzen könnt? Seid Ihr eventuell auch selbst bei Postcrossing und in einer ähnlichen Lage? Was schreibt Ihr dann?

Ich glaube, dass es den meisten Russen eher egal ist was da passiert. Vergleiche das etwa mal mit dem Krieg im Kosovo oder in Afghanistan, wo Deutschland beteiligt war. Da hat es doch die meisten Deutschen auch nicht groß interessiert, sondern es gab nur ein paar wenige, die nun explizit eine Meinung dazu hatten.

Ich denke mal, dass es die meisten Russen auch nicht tangiert und dass man das Thema aus so einem Postkartenprojekt ganz raushalten sollte. Während Corona hat es mich beispielsweise auch eher genervt, dass viele als Abschlussformel "bleiben Sie gesund" schrieben und man dann bei WhatsApp oder Telefonaten irgendwie in Zugzwang kam, das auch nochmal zu erwidern.

Da würde ich bei solchen Postkarten nur etwas ganz Unverbindliches schreiben. Wie viel Text kommt denn da auf die Karten? Schreibt man da wirklich mehrere Sätze oder wäre es auch legitim zu schreiben "viele Grüße aus Ort XY in Deutschland"?

Ich bin schon seit Jahren bei Postcrossing dabei, und in meinen Augen ist es nichts weiter als ein fluffiges, kleines Hobby, bei dem sich Menschen aus der ganzen Welt eben hübsche Kärtelchen und "schöne Grüße" schicken. Natürlich ist es Eskapismus, aber das sind die allermeisten Hobbys.

Von daher finde ich es auch völlig in Ordnung, "unangenehme" Themen im weitesten Sinne auszuklammern, auch wenn ein frisch vom Zaun gebrochener Krieg natürlich mehr ist als "unangenehm". Aber ich sehe keinen Sinn darin, ausgerechnet bei einer kleinen Alltagsflucht wie einer Postkarte im Briefkasten die Tatsache reingewürgt zu bekommen, dass sich das Land im Kriegszustand befindet.

Ich hätte als deutsche Staatsbürgerin auch keine Freude an Postkarten, die beispielsweise ausgerechnet den Holocaust thematisieren, weil der Senderin anscheinend zum Stichwort "Deutschland" nichts eingefallen ist als "War da nicht der Hitler?" Und umgekehrt schreibe ich eben auch nur "schöne Grüße" oder ein paar Worte zu meinem Alltag und verweise nicht auf die aktuellen Anschläge, Konflikte, Naturkatastrophen oder Skandale, die so ziemlich jedes Land erschüttern. Irgendwo kann man auch mal ein bisschen taktvoll sein.

Ich hatte seit Beginn des Ukraine-Krieges mehrere Postkarten nach Russland. Ich habe es einfach vermieden (wie zuvor auch immer), politische Themen anzusprechen bzw. darüber zu schreiben.

Wirklich schwer fiel es mir, die richtigen Worte zu finden, als ich eine Userin aus Belarus zugeteilt bekam, die in ihrem Profil schrieb, Putin sei ihr "ideal man" and dass sie ihn verehre. Sie wollte ausdrücklich (unter anderem), besonders aus Russland, Postkarten bekommen, die ihn zeigen. Ich war, gelinde gesagt, entsetzt. Trotz allem wählte ich eine neutrale Karte (zugegebenermaßen eine der hässlicheren ) und schrieb einfach nur, dass ich ihr viele Grüße aus Deutschland sende, dass ich hoffte, dass es ihr gut gehe usw. Ich wünschte ihr alles Gute und weiterhin viel Spaß beim Postcrossing.

Wie gesagt, ich musste echt schlucken, als ich das Profil las. Aber ich denke, was ich im Sinn hatte, hätte erstens nicht auf eine Postkarte gepasst und wäre zweitens nicht im Sinne von Postcrossing gewesen. Einen kurzen Moment war ich versucht, ihr gar keine Karte zu schicken und die 60 Tage, bis sie als "expired" vom System erkannt wird, einfach abzuwarten.