Ein Aufräum-Coach eine gute Geschenkidee?
Wir haben jemanden in der Verwandtschaft und diese Person führt einen Singlehaushalt und hat kein wirkliches Händchen dafür, mal etwas Grund und Ordnung in die schon etwas wüst anmutende Wohnung hineinzubringen. Da kam mir neulich die Idee mit einem Aufräum-Coach und das könnte man doch irgendwie bestimmt auch als ein Geschenk offerieren. Findet ihr das eine gute Idee und wie würdet ihr denn auf solch ein Geschenk reagieren?
Ich kann mir so etwas als Geschenk gar nicht vorstellen. Ich meine die Person hat da offensichtlich kein Interesse dran und es stört ihn wohl auch nicht, wenn Gäste das ganze Chaos sehen. Daher gehe ich auch davon aus, dass das Geschenk nicht gut ankommen würde und eher zu Streit führen würde. Keiner lässt sich ja gerne als dreckig bezeichnen und nichts anderes würde das Geschenk über die Person aussagen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man damit gut ankommt. Zahlreiche Tipps zum guten Aufräumen findet man ja auch im Internet.
Das ist in meinen Augen vorsichtig formuliert keine sehr gute Idee. Ein Geschenk soll etwas sein, was dem anderen ziemlich sicher Freude bringen wird, kein Mittel zur Nacherziehung. Abgesehen davon finde ich das Ansinnen übergriffig und ehrlich gesagt auch etwas beleidigend. Man sagt damit nichts anderes, als dass man die Person für eine unorganisierte Sau hält, deren Wohnung dringend mal einer Grundreinigung und Reorganisation bedarf. Sowas kann man denken, aber nicht durch die Blume mit einem "Geschenk" zum Ausdruck bringen.
Wie würde man sich selbst fühlen, wenn man so einen Gutschein bekäme? Oder nach Jahrzehnten der Haushaltsführung ein Buch mit dem Titel "Kochen für Anfänger" oder von den Kollegen eine Sammlung über die emotionale Selbstregulation. Im einen Fall kann man also immer noch nicht essbar kochen, im anderen wird man für hysterisch oder unausstehlich gehalten. So etwas will doch niemand vermittelt bekommen, schon gar nicht auf die passiv-aggressive Art über ein Präsent. Ein Geschenk kann auch eine Botschaft sein und in diesem Fall ist diese nicht sonderlich positiv.
Ich weiß sowieso nicht, warum manche Leute meinen, ihren eigenen Maßstab an das korrekte Erscheinungsbild eines Haushalts zu legen. Jeder hat andere Bedürfnisse oder Vorstellungen, wann etwas ordentlich und sauber genug ist. Manch einer hat keine Lust, seine Zeit auch nur im Geringsten auf den Haushalt aufzuwenden, andere bekommen die Krise, wenn der Boden nicht regelmäßig gesaugt wird. Und selbst wenn der Haushalt bedenkliche Ausmaße annimmt und das Verhalten der Person pathologische Züge von Verwahrlosung, ist so ein Coach auch nicht das Mittel der Wahl.
Abgesehen davon liegt Unordnung und Desorganisation auch nicht daran, dass die meisten Leute nicht zumindest in der Theorie wüssten, wie es ginge. Sie haben nur andere, weitreichendere Gründe, dass es so aussieht, wie es eben aussieht.
Nein. Es sei denn, du möchtest vom dankbaren Empfänger bestenfalls nie wieder etwas hören. Oder möchtest du selber eine Anleitung zum korrekten Zähneputzen in Buchform mit Zubehör und Schleifchen drumherum zum 40. Wiegenfest bekommen? Freust du dich dann, weil dir endlich jemand bei einer deiner persönlichen Schwächen hilft oder verstehst du es eher als Demütigung im Sinne von: "Deine Eltern haben es nicht mal geschafft, dir den Umgang mit Zahnpasta beizubringen!"?
Ein Aufräum-Coach wäre sogar noch schlimmer, weil dieser a) impliziert, dass der glückliche Empfänger in einer derartigen Müllhalde haust, dass Hilfe von außen ran muss und b) dass die Unordnung nicht von mangelnder Zeit/Energie oder anderen äußeren Umständen verursacht wird, sondern quasi durch mangelndes Wissen oder sonst ein in der Persönlichkeit verankertes Defizit. Und wer nimmt schon mit einem Lächeln ein Geschenk entgegen, das rundheraus besagt: Dir fehlen elementare Kenntnisse und Fähigkeiten für ein der Norm angepasstes Leben!
Einen Reinigungsdienst könnte man nach vorheriger Absprache wenigstens als Entlastung in stressigen Zeiten verkaufen. Aber auch hier wäre ich vorsichtig - nicht jeder möchte Fremde in der eigenen Privatsphäre, die theoretisch ihre Nase überall reinstecken können.
Ich habe mal zusammen mit Freunden eine Grundreinigung verschenkt, aber da waren die Umstände ganz andere. Freunde hatten ein Haus gekauft und wollten da erst mal ohne Renovierungen im Innenbereich einziehen weil Investitionen in eine neue Heizung und solche Sachen erst mal Priorität hatten. Deshalb haben wir gedacht wir schenken ihnen ein blitzblankes Haus zum Einzug.
Das ist aber tatsächlich das einzige Szenario, in dem ich mir einen Putz- oder Aufräumservice als Überraschung vorstellen kann. Also ohne, dass das Geschenk eine negative Aussage über den Ordnungssinn des Beschenkten macht.
Selbst wenn die Person sich sehr bewusst ist, dass sie eher chaotisch ist und denkt, dass es ganz nett wäre wenn jemand anders den Job machen würde - will man seine Fehler wirklich in Form eines Geschenkes unter die Nase gerieben bekommen? Eher nicht, oder? Es gibt Leute, die schon auf ein geschenktes Duschgel empfindlich reagieren und denken, dass man ihnen damit eigentlich sagen will, dass sie schlecht riechen.
Wenn der zu Beschenkende diesen Wunsch schon mal geäußert hat, ist dies sicherlich eine sehr gute Idee. Ansonsten würde ich es lassen. Vielleicht will er seine Wohnung ja gar nicht anders als sie ist. Wir hatten unserem alten Vater mal eine Reinigungskraft "geschenkt". Nachdem meine Mutter gestorben war, fanden wir die Wohnung mit der Zeit nicht mehr so toll, teilweise sogar verdreckt. Er hat sich über das Geschenk furchtbar aufgeregt, weil er überhaupt nicht wollte, dass jemand Fremdes in seiner Wohnung herumfuhrwerkt. Die Haushaltshilfe mussten wir dann ein paar Stunden bezahlen, ohne dass sie kommen durfte.
Ich würde niemandem ein Geschenk in dieser Art machen, ohne dass ich genau wüsste, dass er das will. Vielleicht fühlt sich die betroffene Person ja in seiner Wohnung wohl und möchte auf keinen Fall gut gemeinte Ratschläge. Wenn mein Vater gejammert hätte, dass er gerne eine Putzfrau hätte, weil er nicht mehr mit dem großen Haus zurechtkommen würde, aber seine Rente nicht reichen würde, dann wäre das bestimmt eine gute Idee gewesen. Aber seine Rente hätte gereicht, er hätte also von sich aus eine Reinigungskraft einstellen können, wenn er gewollt hätte. Er wollte also offensichtlich gar nicht.
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