Was tun, wenn eigenes Kind einem nichts mehr erzählen will?
Meine Kollegin hat eine 15-jährige Tochter und sie macht sich langsam Sorgen. Natürlich kann man als Eltern damit rechnen, dass einem ein pubertierendes Kind nicht immer sofort alles erzählt, was ihr/ihm auf der Seele liegt, aber meine Kollegin hat so langsam das Gefühl, das gute, vertraute Mutter-Kind-Verhältnis ist irgendwo verloren gegangen. Die Tochter schließt sich beinahe den ganzen Tag in ihr Zimmer und erzählt weder etwas über Freunde, Schule noch ihre Gefühle, Sorgen und Gedanken. Das war bis vor wenigen Monaten noch anders.
Wenn sie ihre Tochter drauf anspricht, dann antwortet sie ihr nur widerwillig oder sagt einfach sowas wie "Mama, passt alles. Lass mir meine Ruhe". Ist es denn wirklich so normal und muss man als Elternteil einfach "loslassen" und akzeptieren, dass man nicht mehr erster Ansprechpartner ist? Sollte man das Kind tatsächlich einfach in Ruhe lassen oder das Gespräch suchen und offen sagen, dass man immer für das Kind da ist und gerne wieder mehr kommunizieren würde?
Ich glaube dass das normal ist, ein Teenager eben. Das Kind sollte in der Vergangenheit gelernt haben, dass es mit den Eltern reden kann und wenn dies so ist, dann werden große Probleme auch weiterhin angesprochen. In der Pubertät knallen halt die Hormone sehr rein und man hält sich für erwachsener als man ist, dazu kommen dann noch die Eltern, die in einem das kleine Kind sehen und das ist ja auch nicht so schön.
Wahrscheinlich würde ich einen Mädelstag einlegen, auch wenn das im ersten Moment vielleicht auf etwas Gegenwehr stößt. Ich würde sie entscheiden lassen was gemacht wird und die einzige Bedingung ist, dass man das zusammen macht. Ehrlich gesagt würde ich dann einfach ein paar peinliche Dinge aus der Vergangenheit von mir erzählen und damit versuchen das Eis zu brechen. Wenn das nicht ankommt, dann würde ich einfach noch mal sagen, dass es nichts gibt, worüber man nicht reden kann, sie nie falsch ist und das einfach eine schwere Zeit ist. Mehr kann man dann ja auch nicht machen und ja im Zweifelsfall würde ich abwarten, wenn sich das Kind sonst glücklich verhält oder keine auffälligen Schäden an sich hat oder so.
Gegen die Pubertät kommt man ja auch nicht wirklich an. Wichtig ist es vorher sicherlich eine gute Basis zu schaffen und wenn man die hat, dann kann man das offene Ohr nur anbieten und muss dann damit leben, wenn es nicht angenommen wird. Es sind ja nur ein paar Jahre und danach ist es meistens wieder gut.
Ich habe zwar keine Erfahrung aus erster Hand, aber ich war auch mal 15. Und aus dieser Perspektive wundert mich eher, dass das Mädelchen erst mit 15 erkennbar anfängt, sich abzugrenzen. Das geht doch eigentlich im Schnitt schon früher los, dass Mami und Papi nicht mehr die allerwichtigsten Menschen auf der ganzen Welt sind, sondern der Einfluss der Gleichaltrigen und anderer Quellen allmählich mehr Bedeutung bekommt als die "Altvorderen".
Und was tun? Ich würde sagen, wenn die Eltern die letzten 15 Jahre nicht völlig an die Wand gefahren haben, was ein gutes Verhältnis zu ihren Kindern angeht - aussitzen. Irgendwann ist die Pubertät vorbei und Sohnemann und Töchterlein fällt wieder ein, dass die "Alten" daheim doch immer ganz nützlich waren. Die Jahre dazwischen muss man sich eben abfinden, nicht mehr die Hauptrolle im Leben eines zunehmend selbstständigeren jungen Menschen einzunehmen, auch wenn es das eigene Ego noch so hart trifft.
Und wenn die Eltern den lieben Kleinen schon seit dem Kindergarten verständlich gemacht haben, dass es sie eigentlich einen Dreck interessiert, wenn die beste Freundin "gemein" war oder Hannes aus der Parallelklasse böse Gerüchte verbreitet, dann werden die Jugendlichen mit 15 auch nicht mehr anfangen, daheim ihre Probleme und Fragen zu erörtern. Wieso auch, bringt ja nichts. So ging es beispielsweise mir in der Pubertät.
Dann ist der Zug schlimmstenfalls abgefahren und das Verhältnis pendelt sich auf einem erheblich distanzieren Niveau hoffentlich in ein paar Jahren wieder ein. Aber daran kann man auch nichts mehr ändern, wenn die Halbwüchsigen auf einmal interessant werden, und man auf sie einlabert wie auf das sprichwörtliche kranke Pferd. Pardon, "das Gespräch sucht".
Ich habe keine eigenen Kinder. Das liegt auch mit an meinen Eltern und meiner Kindheit, die aus meiner Sicht eher in Richtung "Horror" einzuordnen ist. Wenn man dagegen meine Eltern fragen würde, wäre aus ihrer Sicht alles völlig in Ordnung gewesen. Sie sind der Meinung, sie hätten mir bei meinen Problemen prima geholfen.
Aus meiner Sicht, auch der damaligen Sicht, als ich 15 war, haben sie mich jedoch nie verstanden und meine Probleme eher vergrößert. Deshalb hab ich auch ungefähr in dem Alter, als die Probleme vor allem in der Schule immer größer wurden, gar nichts mehr erzählt, damit sie sich bloß nicht einmischten!
Insofern würde ich einmal hinterfragen, ob das Verhältnis zur Tochter wirklich so gut ist, wie Du meinst. Manchmal braucht man als Teenager einfach nur jemanden, der zuhört. Man braucht keine Ratschläge, man will nicht hören, dass ja alles wieder gut ist, wenn man irgendwann heiratet! Einfach nur mal zuhören, ohne dieses Oberlehrerhafte, Altkluge oder Belehrende! Die Teenager wissen auch oft selbst schon recht gut, wenn sie Mist gebaut haben, dazu brauchen sie keinen Erwachsenen.
Ich spreche hier insofern aus Erfahrung, als ich lange Zeit mit Teenagern ungefähr in diesem Alter gearbeitet habe. Ich habe sie vor allem als Menschen ernst genommen mit all ihren Problemen. Und wenn ein Teenager ein Problem hat, will er nicht als erstes hören, dass das nicht so schlimm ist, er sich nicht so anstellen soll etc.! So hab ich immer recht schnell einen Draht zu ihnen bekommen und sie haben mir dann so einiges erzählt, was sie ihren Eltern nie erzählen würden.
So kamen einige dann teils wirklich erschreckende Dinge heraus. Damals waren etwa diese Videos total in, wo mit dem Handy mit gefilmt wird, wenn ein anderer Schüler verprügelt wird oder dergleichen. Und einer der Teenager hatte so ein Video von einem Mitschüler geschickt bekommen und wusste jetzt nicht, was er damit machen sollte. Dass er es seiner Mutter nicht erzählte, konnte ich gut verstehen. Sie war herzensgut, aber hätte wohl ziemlich über reagiert.
Im Endeffekt haben der Junge und ich es dann zusammen gelöst, auch unter juristischen Aspekten richtig. Und dann hab ich mit ihm aber auch besprochen, wie er sich zum einen beim nächsten Mal verhalten sollte, auch wenn er evtl. selbst dabei sein sollte, und vor allem, dass er es seiner Mutter erzählen sollte und warum.
Wichtig war ihm in diesem Fall wohl, dass er keine Vorwürfe bekam, keine Ansagen, dass er den Kontakt zu diesem "Freund" abbrechen sollte und dergleichen. Vieles, was Eltern in der Situation sagen würden, hätte ihm gar nicht geholfen. Und ich denke, das war eben einer der Gründe, warum er es mir erzählt hat, denn ich bin eben keine Mutter und verhalte mich auch nicht so. Wichtig war in der Situation eher, es für alle Seiten richtig zu lösen.
Und ich denke, in dem Alter wird es so langsam wichtig, sein Kind eben nicht mehr nur als Kind zu sehen, das man erziehen muss. Wichtig ist eher, es als inzwischen selbst denkenden und handelnden Menschen zu sehen, der bei manchen Sachen eben Hilfe oder Unterstützung braucht, keine Vorwürfe oder nicht umsetzbare Ratschläge. Vielleicht könnte es helfen, auf der Basis mal das Gespräch mit der Tochter zu suchen.
Hilfreich finde ich auch immer und als guter Anknüpfungspunkt, um das Gespräch zu suchen, dass man erzählt, dass man selbst sich nicht immer sicher ist bei allem. Dass man auch Fehler macht. Dass man sich etwa fragt, ob man jetzt einen Fehler bei der Tochter gemacht hat, dass sie so still geworden ist. Dass man vielleicht auch mitleidet, denn es scheint ihr ja nicht so gut zu gehen. Auf so was reagieren Jugendliche oft recht gut.
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