Mit seinen Freiheiten nicht umgehen können?
Gerade dann, wenn man volljährig wird, hat man oft plötzlich eine Menge mehr Freiheiten als zuvor. Man hat beispielsweise eher Zugriff auf irgendwelche Geldquellen, kann im Prinzip so lange wegbleiben wie man will und auch Alkohol trinken und auf Partys gehen. Ich habe dabei schon einige Male gehört, dass viele mit ihren neugewonnen Freiheiten dann aber nicht umgehen können, ihr ganzes Geld auf einmal ausgeben, sich nächtelang herumtreiben und die Schule oder die Ausbildung vernachlässigen.
Bei mir war es noch nie so, wobei ich auch mit meiner Volljährigkeit nicht so viel mehr Freiheiten hatte wie zuvor, da meine Eltern schon immer ziemlich streng waren und ich eben auch nicht alles machen durfte, als ich noch dort gewohnt habe. Wie war es denn bei euch? Wart ihr schon einmal in einer solchen Situation?
Hängt das nicht eher davon ab, wie viele Freiheiten man auf einmal bekommen hat und wie der Charakter des Menschen ist? Ich könnte mir vorstellen, dass man sich weniger von seinen Freiheiten erschlagen fühlt, wenn diese nach und nach in der Teenagerzeit gesteigert werden, sodass mit 18 eben nicht mehr so viel neues (und interessantes) auf einen zukommt. Ich persönlich habe mich mit 18 nie erschlagen gefühlt von meinen Freiheiten und bin da sehr bodenständig geblieben.
Ist das wirklich immer noch so, dass mit 18 die große Freiheit anbricht? Ok, man darf wählen gehen, aber selbst der oft sehnlichst erwartete Führerschein ist mittlerweile auch mit 16 unter bestimmten Bedingungen schon drin, und gerade auf dem Land gurken schon jüngere Teenager mit Mofas, Quads oder landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen durch die Gegend. Da ist die Romantik schon mal weg. Und auch der Alkoholkonsum setzt nicht schlagartig mit 18 ein, sondern die jungen Leute werden quasi von Kindheit an schrittweise herangeführt. Was natürlich nicht gesund ist.
Und woher mit 18 das große Geld kommen soll, frage ich mich auch. Viele Jugendliche fangen schon mit 15 oder 16 eine Lehre an und so üppig sieht es mit der Ausbildungsvergütung auch nicht überall aus. Letzten Endes wird es in vielen Fällen auch mit 18 noch schwerpunktmäßig das Geld der Eltern sein, das die jungen Leute finanziert, und ich kann mir eher nicht vorstellen, dass es üblich ist, den Nachwuchs zum 18. mit Kohle zu überhäufen und ihn dann von der Leine zu lassen, damit er alles verprasst.
Ich denke, dass meine Eltern bei mir diesbezüglich sehr viel richtig gemacht haben. Ich durfte als Kind schon nicht alles machen und wenn ich neue Sachen machen wollte, dann musste ich vorher beweisen, dass ich auch zuverlässig bin. Wenn es also zum Beispiel darum ging, dass ich abends gerne länger wegbleiben wollte, dann wurde Wert darauf gelegt, dass ich auch vorher immer pünktlich daheim war und mich an Absprachen gehalten habe und mich gemeldet habe, wenn es dann doch Probleme gab. Wenn das schon nicht geklappt hat, dann wurde die Ausgehzeit solange auch nicht verlängert.
Dementsprechend denke ich, dass es davon abhängt, wie viele Freiheiten man vorher schon hatte. Wenn man vorher gar nichts durfte und dann auf einmal alles machen darf, was man möchte, dann ist es ja schon absehbar, dass das nicht klappen kann und man dann natürlich auch alles macht, was nur irgendwie geht, auch wenn es dann zu viel ist. Man hat dann wohl Angst, dass man etwas verpasst hat oder weiterhin verpassen könnte und hat das Gefühl, dass man alles auf einmal machen muss, bevor man es vielleicht nicht mehr darf.
Deswegen bin ich kein Fan davon, dass man Kindern alles verbietet. Man sollte ihnen im Rahmen immer mehr erlauben und wenn sie sich gut anstellen und gute Leistungen erbringen, egal, ob in der Freizeit, privat oder eben auch in der Schule, dann kann man das Ganze auch ruhig mal belohnen und ihnen mehr Freiheiten gönnen Stück für Stück. Denn am Ende reizt das, was verboten ist, immer noch am meisten.
Ich hatte tatsächlich so einen Schnitt in meinem Leben. Ich war 17 Jahre alt (mit fünf in die Schule gekommen und Kurzschuljahre in NRW), als ich zum Studieren in eine mittelgroße Stadt zog und zum ersten Mal mit einer Freundin ohne Familie zusammenzog. Ich war zwar nicht sehr streng und mit vielen Verboten erzogen worden, aber in dem kleinen Ort, in dem ich aufwuchs, gab es einfach keine Möglichkeiten für Eskapaden. Man verhielt sich auch deshalb innerhalb einer bestimmten Norm, weil jeder jeden kannte und man sich gewisse Dinge gar nicht traute. Man stand sozusagen immer unter Aufsicht des ganzen Ortes. Außerdem hatte niemand meiner Freunde in Auto, mit dem man irgendwohin fahren konnte.
Ich konnte mit der neu gewonnenen Freiheit schlecht umgehen. Meine Freundin und ich flogen gleich in der zweiten Woche aus der Wohnung, die nur eine Etage über den Vermietern lag, weil wir dachten, wir könnten jetzt jeden Abend Party machen. Danach hatte ich ein Zimmer in einer Wohnung mit drei anderen Studenten, die über einer Metzgerei lag, wo wir niemanden störten.
Ich hatte eigentlich Glück, dass ich nicht völlig versumpfte mit viel Alkohol in Studentenkneipen, wechselnden Männerbekanntschaften, auch mal One-Night-Stands mit völlig Unbekannten, und Trampen, weil ich mir den Bus zu meiner Lieblingskneipe sparen wollte. Ich hatte auch im Nachhinein gesehen Glück, dass ich nie an harte Drogen kam. So unwahrscheinlich war das nicht.
Die ersten zwei Semester habe ich nicht allzu viel studiert. Ich kam mir reich vor, weil ich Bafög bekam. Wegen der niedrigen Miete hatte ich genug Geld zum Leben übrig. Dann lernte ich meinen ersten festen Freund kennen, der ein anderes Leben führte. Er war schon berufstätig, Nichtraucher und ziemlich vernünftig. Mit ihm bin ich dann nach München gezogen. Dort bin ich dann auch wieder vernünftig geworden.
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