Welche Alternativen zu Hartz IV denkbar?
Die SPD signalisiert aktuell auch eine Koalitionsmöglichkeit mit der Linkspartei und stellt für den Fall einer rot-roten Regierung, die Abschaffung von Hartz IV in Aussicht. Klingt ja gut und kämpferisch, aber selbst, wenn es dazu käme, was kommt danach? Was haltet ihr denn von diesen Ankündigungen, haltet ihr die Abschaffung von Hartz IV realistisch und welche Alternativen wären denn dazu denkbar?
Die SPD hat das doch erst eingeführt und nun sind sie dagegen? Was ich persönlich besser fände, wäre, wenn man länger als nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommt. Denn aktuell ist es ja so, dass man in ALG II fällt, wenn man länger als ein Jahr nicht arbeitet und viele Leute haben aus diversen Gründen keinen Anspruch auf ALG II und gehen dann leer aus. Wenn man mal also etwas herumspinnen kann, dann wäre ich dafür, dass das ALG I verlängert wird, auf zwei oder drei Jahre. Das hätte beispielsweise den Vorteil, dass man vor der Rente aus dem Beruf aussteigen kann und dann eben den Rest mit ALG I überbrückt. Ich kenne Fälle, da haben es Leute einfach nicht bis zum Regelrentenalter geschafft und dann ist immer die große Rechnerei da, wie man nun die Zeit bis zur Rente noch irgendwie finanziert bekommt.
Und ich fände es auch gut, wenn man nicht ein Jahr gearbeitet haben muss, um Anspruch auf ALG I zu haben. Ich hatte beispielsweise nach dem Studium eine Stelle für vier Monate und danach erstmal ein paar Monate Lücke und weil ich damit noch kein volles Jahr gearbeitet habe, bekam ich nichts und musste sogar meine Krankenversicherung selbst bezahlen. Das ist schon doof.
Was auch nicht besonders auf mich wirkt, sind diese ganzen Sanktionsmöglichkeiten. Vor gar nicht all zu langer Zeit konnten Alg II Empfänger ja noch zu 100% sanktioniert werden und bekamen dann Gutscheine. Wer hatte sich wohl diesen Quatsch überlegt? Und dann wird sich gewundert, wenn die Leute straffällig werden.Ich finde, da sollt gar nichts sanktioniert werden. Wenn jemand keine Lust auf eine Maßnahme hat, dann ist es eben so.
Herr Peter Hartz hat selbst einmal gesagt, wozu die unter seiner Führung ausgearbeiteten Gesetze in erster Linie notwendig sind. Wer will, kann das googeln, wird aber sicherlich keine gesicherte Quelle sein.
Es gibt für Deutschland eine Karte, auf der die Jobcenter eingezeichnet sind. Dazu gibt es dann Statistiken für jedes einzelne Jobcenter. Daraus geht hervor, dass bestimmte Jobcenter prozentual wenig sanktionieren (also Leistungen kürzen, mit irgendeiner Begründung), andere dagegen signifikant öfter als vergleichbare einfach zu wenig AlGII zahlen (das heißt willentlich und wissentlich und daher auch ohne Begründung).
Beides, Sanktionen wie auch unbegründetes zu-wenig-zahlen, zwingt die "Kunden" dazu, Widerspruch einzulegen. Letztlich geht es nur darum und daher auch der Spruch vom Hartz. Als Kunde wird man durch diese Entscheidungen der Jobcenter immer wieder gezwungen, ein ganz bestimmtes Verhältnis zu der Behörde zu wahren. Ein Verhältnis, deren Details (beispielsweise Erklärung über "Schmuck, Wertsachen, Gemälde, Inhalt der Brieftasche" O Ton in Antrag 2007) viele ehrbare Bürger empört, weil mit Scham besetzt. Letztere erleben so etwas nur bei Privatinsolvenz, Bankrott und/ oder Steuerflucht: diese Art Druck.
Es hat in den Anfangszeiten (2005-2009) der Durchsetzung der Rechtsgrundlage Hartz4 immer wieder Menschen gegeben, die sich nichts mehr zu Essen kaufen konnten, weil sie einfach immer weiter sanktioniert wurden. Andere wurden jahrelang immer wieder bespitzelt, Nachbarn zu inoffiziellen Mitarbeitern gemacht, teilweise sogar Kleiderschränke nach Klamotten von mutmaßlichen "Lebenspartnern" durchsucht ("Ermittlungen wegen des Verdachts auf eheähnliche Gemeinschaft"). Interessant, das "die Linke", die ja alles mit durchgewinkt und abgesegnet hat, als es losging, immer ganz vorne an war, beim Kritisieren der Folgen von alledem.
Erst als die Sozialgerichte 2009 "abzusaufen" drohten, kam das ganze Ausmaß dabei nach und nach in die Presse und die Agenda wurde leicht korrigiert. Nach wie vor geht es aber in erster Linie darum, bestimmte Bevölkerungsgruppen leichter regierbar zu machen, indem man sie ständig und immer wieder irgendwelchen Drohungen und Sanktionen aussetzt.
Habe selbst lange Zeit in einer Sozialbehörde gearbeitet. War dann lange AlgII Bezieher. Ich denke, ich muss kaum anführen, wie mich das verändert hat. Mein Großvater war in einer Stadt in Norddeutschland ältestes SPD Mitglied. Der war noch Opfer der GeStaPo und immer sehr stolz auf seine Partei und das, was sie alles erreicht hat. Er ist jetzt lange tot und wenn er noch leben würde, wäre er jetzt höchstwahrscheinlich unheimlich traurig!
Es ist ein uralter Hut, dass die Abschaffung der Hartz4 Gesetze und die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens nicht nur eine Lösung auf materieller Ebene (Kostensenkung, Wegfall von Jobcentern in alter Form) wäre, sondern auch auf humanistischer Ebene. Dazu ist schon soviel geschrieben worden, von sehr klugen Leuten.
Der Sozialstaat an sich ist seit Ende der 60er Jahre im Grunde überholt. Da sich die zuständigen Behörden jedoch immer nach dem politischen Wind gedreht haben und immer nur als Befehlsempfänger und Zahlenmacher fungierten, hat sich nie etwas geändert. Bis der Herr Schröder "Fachleute" damit beschäftigt hat. Die Kosten wurden damit auf die Gemeinden umgelegt und die haben sich natürlich dreimal überlegt, wie sie damit klarkamen.
Wenn die SPD da etwas wie eine Abschaffung der Hartz4-Gesetze durchsetzen könnte, wäre das sicherlich eine der Sternstunden in der Parteigeschichte, beispielsweise mit einem neuen Kopf. Die gängige Praxis aus Willkür, Gängelei und systematisch destruktiven Maßnahmen, wie ich sie selbst auch sehr zahlreich erlebt, wird sich jedoch so schnell nicht ändern, wenn irgendwann einmal nur ein Name für eine Transferleistung geändert wird. Das Wort "bedingungslos" wird sich niemals auf einem Stück Papier einer Sozialbehörde finden, das kann ich mit Bestimmtheit sagen, ganz gleich welche neuen Gesetze vorgelegt werden.
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