Mit den Nachbarn keinen privaten Kontakt pflegen

vom 24.10.2021, 22:39 Uhr

Ich wohne jetzt seit bald einem Jahr in meiner Wohnung beziehungsweise in diesem Haus. Es sind drei Aufgänge und pro Aufgang gibt es drei Wohnungen. Aus den anderen beiden Aufgängen kenne ich niemanden, schon gar nicht mit Namen. Eine Frau kann ich dem Aufgang zuordnen, weil ich sie und ihren Hund immer sehe, aber mehr auch nicht. Aus meinem eigenen Aufgang kenne ich, zumindest vom sehen, alle. Mit meiner Nachbarin gegenüber unterhalte ich mich ab und zu, den Nachbarn direkt über mir helfe ich ab und zu bei der Betreuung von ihrem alten Hund. Die anderen Nachbarn kenne ich nur, weil man gegenseitig Pakete für den jeweils anderen annimmt.

Viele Leute legen ja immer sehr viel Wert darauf, dass man seine Nachbarn sehr gut kennt und dass es ja quasi zum guten Ton gehört, dass man regelmäßig gemeinsam etwas unternimmt beziehungsweise sich zum Essen trifft. Ich sehe das jedoch ganz anders - mir reicht es schon, wenn man keinen Streit miteinander hat und jeder seiner Wege geht beziehungsweise man sich eben gegenseitig hilft, wenn man Hilfe braucht. Um meine Freizeit zu verbringen habe ich meine Familie und meine Freunde und nicht meine Nachbarn.

Wie seht ihr das? Habt ihr regelmäßigen und engen Kontakt zu euren Nachbarn? Ist euch das wichtig? Oder ist es für euch auch eher eine „zweckmäßige Beziehung“ weil man eben nebeneinander wohnt und immer mal Pakete für die jeweils andere Person annimmt?

» Hufeisen » Beiträge: 6056 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Für meinen Freund und mich ist es eine Mischung aus beidem, wobei es meist keine echten Freundschaften sind. Wir leben in einem großen Haus mit 42 Parteien, wobei es ein recht langgezogenes Gebäude mit gerade mal drei Geschossen ist. Es passt sich damit gut in die ländliche Gemeinde ein und ist kein "Wohncontainer".

Anfangs hatten wir so gut wie keinen Kontakt zu niemandem. Mein Freund lebte hier schon länger und kannte niemanden, schon gar nicht mit Namen. So hielten wir es anfangs auch, als ich dazu zog. Wir sind beide auch nicht die Menschen mit echten Freunden, wollen das aber auch nicht unbedingt, denn wir sind gar nicht so gesellig. Wir kannten eigentlich nur zwei Damen, die auf dem Flur vor uns wohnten und sehr gesellig sind. Ein paar andere kannte man vom Sehen, mehr als die Hälfte des Hauses kannten wir gar nicht, obwohl das Haus nur einen Eingang hat für die oberen Etagen.

Und dann klingelte eines Abends ein Nachbar an unserer Tür. Er konnte kaum reden, keuchte sehr. Er hatte gerade einen Herzinfarkt erlitten! Mein Freund rief den Notarzt, während ich mit dem Nachbarn wieder langsam in seine Wohnung ging, damit er mir nicht auf dem kalten Flur zusammen klappte. Beim Anrufen musste mein Freund dann gestehen, dass wir den Namen von dem Nachbarn gar nicht kannten. Das war uns ehrlich gesagt etwas peinlich. Da lebt man direkt nebeneinander, teilt sich eine Wand zwischen den Schlafzimmern und kennt nicht einmal den Namen vom anderen!

Hier im Haus leben vor allem ältere, allein lebende Personen. Und wir fingen an nachzudenken, was eigentlich mit den anderen Menschen hier ist, wenn die mal einen Notfall haben. Oder wenn sie einfach mal nur Hilfe brauchen, gleich welcher Art? Wir fingen an, mit so einigen anderen einfach mal zu reden. Gesprächsstoff fand sich immer irgendwie, zumal es im und am Haus auch so einige Probleme gibt, vor allem auch mit dem Hausmeister und dem Vermieter.

Inzwischen kenne ich alle Personen im Haus mit Namen und wer in welcher Wohnung wohnt (mein Freund kann sich so etwas nur schwer merken). Das Haus ist diesbezüglich etwas kompliziert, denn im Erdgeschoss haben alle Wohnungen eigene Eingangstüren und eine Nummer, die die meisten Boten für die Hausnummer halten. und viel andere Boten sehen dann am Haupteingang die Hausnummer, finden auf den Klingeln aber die 14 Mieter aus dem Erdgeschoss nicht, weil die ja eigene Türen und auch Klingeln haben.

Amazon und Hermes haben schon unseren Namen für dieses Haus im System als zum einen Info, wenn ein Empfänger nicht gefunden wird, oder auch als diejenigen, die fast immer da sind und alle Pakete annehmen und zuverlässig weiter geben. Und ansonsten konnten wir alle uns untereinander ein bisschen vernetzen und für Hilfe bei bestimmten Problemen sorgen.

Insgesamt sind wir inzwischen eine recht gute Hausgemeinschaft geworden. Als Corona anfing, haben wir es hin bekommen, dass jeder seine benötigten Sachen bekam, aber nur wenige einkaufen gingen. Und als die eine Tagespflege schloss und ein 84jähriger Nachbar von jetzt auf gleich noch vor dem Mittagessen wieder zu Hause abgesetzt wurde, weil die Einrichtung einfach schloss, ohne sich um die weitere Versorgung der Menschen zu kümmern (!), habe ich ihn ins Auto gesetzt und bin mit ihm einkaufen gefahren, damit er für die nächsten Tage überhaupt Essen hatte!

Aber auch ansonsten wird sich inzwischen gegenseitig geholfen. Und es gibt immer mal wieder nette Gespräche, wenn man sich im Treppenhaus oder an den Mülltonnen begegnet. Auch wir Hundebesitzer treffen uns immer wieder und können dann auch gemeinsam gehen, weil viele der Hunde untereinander verträglich sind.

Eine echte Freundschaft gab es allerdings nur mit oben erwähntem 84jährigen Nachbarn. Wir haben wirklich viel zusammen gemacht und auch er hat uns in so einigen Dingen geholfen. Im Kopf war er noch recht jung, war für viele Späße zu haben. Und er war unheimlich positiv von seiner Art. Leider ist er letztes Jahr zu Weihnachten gestorben. Corona hat ihn doch noch erwischt, obwohl wir so sehr aufgepasst hatten. :(

Mit allen anderen Mietern ist es ein nettes Miteinander. Manche grüßt man nur, mit manchen redet man auch mal über das Wetter und mit anderen auch über mehr. Aber echte Freundschaften sind es nicht, zumindest nicht von unserer Seite.

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


In unserem Wohnwürfel gibt es 22 Parteien, und ich kenne davon vielleicht drei mit Namen. Bei den anderen heißt es beispielsweise "der mit dem Kampfhund in der Zweizimmerwohnung", "die, deren Kinder immer im Treppenhaus kreischen" oder "der hagere Typ, der so ähnlich heißt wie der Fußballer, warte, ich komm drauf". Ich bin schlecht mit Namen.

Außerdem bin ich jeden Tag im Schnitt zwölf Stunden außer Haus und am Wochenende mache ich entweder meinem alten Vater den Haushalt einschließlich Vorkochen oder ich hänge völlig erledigt auf dem Sofa und gehe maximal eine Runde spazieren. Ich sehe es auch nicht als "privaten Kontakt" an, wenn wir uns gegenseitig die Pakete nachtragen, wenn sie zu lange im Hausflur liegen, damit sie nicht gestohlen werden, was schon hin und wieder mal vorkommt.

Und natürlich habe ich den SeniorInnen schon den Einkaufskorb die Treppe hoch getragen oder geholfen, wenn sich der Rollator mal wieder verkantet hatte. Und wenn mich jemand um Hilfe bitten würde, wäre ich natürlich im Rahmen meiner Möglichkeiten dabei. Diese beinhalten aber keine Fahrdienste nachmittags um halb drei zur Fußpflege oder Gassirunden mit dem undichten Terrier, weil ich dafür schlicht keine Zeit habe. Und ich glaube gern, dass sich die ein oder andere Rentnerin über einen täglichen Plausch freuen würde, aber bis ich von der Arbeit heimkomme, hat die schon die Puschen an und die Heizdecke angeworfen.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



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