Welche Aktionen nicht mit Gewissen vereinbaren können?
Es kam schon mal vor, dass ich überlegt hatte, bestimmte Sachen zu tun, es dann aber doch gelassen habe, weil ich es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren konnte. Natürlich meine ich damit nicht solche Sachen, die für mich schon von vornherein nicht in Frage kommen, sondern eben solche, bei denen ich vorher doch mit dem Gedanken gespielt, mich dann aber doch bewusst dagegen entschieden hatte.
Sicher gab es bei euch auch schon die eine oder andere solche Situation. Bei welchen Aktionen habt ihr mit dem Gedanken gespielt sie durchzuführen, habt es dann aber doch sein lassen, weil ihr sie nicht mit eurem Gewissen vereinbaren konntet? Was wäre für euch eine solche Situation?
Ich bin in solchen Situationen eigentlich immer sehr konsequent und denke erst gar nicht darüber nach, etwas zu tun, was ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren könnte. An zwei Begebenheiten kann ich mich jedoch erinnern, manchmal schlittert man einfach mitten rein und muss dann eine Entscheidung treffen. Zum einen hatte ich eine Freundin, mit der ich mich sehr gut verstand. Sie hatte sehr jung geheiratet und schon ein kleines Kind während ich noch in der Ausbildung versuchte erwachsen zu werden. Wir trafen uns über einen längeren Zeitraum regelmäßig, so war ich auch mit ihrem Mann sehr gut befreundet.
Irgendwann überraschte ich sie mit einem anderen Mann, den sie auch noch durch mich kennengelernt hatte. Ich war damals total am Boden zerstört und wusste nicht, wie ich mit der Situation umgehen sollte. Da ich sowohl sie, als auch ihren Mann sehr mochte. Letztlich bat ich sie darum, auf die eine oder andere Art reinen Tisch zu machen, da es so weder für ihren Mann noch ihr Kind fair war. Ich überlegte lange, ob ich es ihrem Mann erzählen sollte, entschied mich dann aber dafür, mich selbst zurückzuziehen und mich um meinen eigenen Kram zu kümmern. Hätte ich es ihm verraten, hätte ich ein sehr schlechtes Gewissen gehabt, hätte ich ihm schön ins Gesicht gelacht, ohne es zu verraten, hätte ich es aber auch gehabt. Mir blieb nur der Rückzug.
Die andere Begebenheit ist noch gar nicht so lange her und ich konnte es gemeinsam mit meinem Mann besprechen, was die Sache etwas einfacher machte. Vor einigen Jahren bekamen wir nachts einen Anruf von einem seiner Verwandten, ein junger Mann der noch nicht so recht im Erwachsenenleben angekommen war. Er hatte keinen Führerschein und sich heimlich das Auto der Eltern ausgeliehen, während diese im Urlaub waren. Es kam, wie es kommen musste, er baute einen nicht unerheblichen Unfall, bei dem das Opfer glücklicherweise nur ein Pfosten war.Nachdem wir ihn heil nachhause gebracht hatten und für uns die Sache eigentlich erledigt war, erhielten wir von ihm mehrere besorgte Anrufe, was er nun tun sollte und ob wir ihm nicht irgendwie helfen könnten, sie Situation zu bereinigen, bevor seine Eltern aus dem Urlaub zurück wären.
Einen Moment lang waren wir wirklich versucht ihm dabei zu helfen, die Sache zu vertuschen. Er tat uns leid und da wir uns in unserer Jugend selbst nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatten, wussten wir auch wie er sich fühlte. Wir besprachen das dann aber ausführlich und kamen zu dem Schluss, er müsse die Sache einfach offen und ehrlich ansprechen, seine Eltern würden ihm nicht den Kopf abreißen. Ich war danach heilfroh, das er auf uns gehört hat, denn andernfalls hätte ich seinen Eltern gegenüber mit Sicherheit ein sehr schlechtes Gewissen gehabt.
Ich glaube solche Situationen kennt doch jeder. Das fängt vielleicht bei einem Menschen an, der nach Kleingeld fragt und endet bei einem großen Betrug. Ich hatte früher mal die Situation, dass ich jeden Tag vom Bahnhof abgefahren bin mit der Straßenbahn und da war ein älterer Mann, offensichtlich obdachlos und man sah ihm jeden Tag an, wie schlecht es ihm ging. Er fragte nicht, aber man sah ihm an, dass er hätte etwas gebrauchen können. Ich hätte nicht einfach vorbei gehen können, nicht jeden Tag wegsehen können und daher habe ich ihm dann immer mal wieder etwas zu essen gegeben oder auch im Winter einen Kaffee. Er hat sich sehr darüber gefreut, auch wenn wir mal nur geredet haben.
Ich denke man muss seinem Gewissen schon folgen und wenn man das dann macht, kann man auch gut leben. Wenn man Dinge macht, die man nicht mit dem Gewissen vereinbaren kann wird es einen irgendwann schlecht gehen und man wird nicht das Leben führen können, was man führen möchte.
Mein Gewissen ist ziemlich stark ausgeprägt, sodass es mit zunehmendem Alter immer seltener vorkommt, dass ich mit dem Gedanken spiele, etwas moralisch oder gesetzlich nicht ganz Blütenreines zu machen, um mich dann doch dagegen zu entscheiden. Ich weiß ja, ich mache es dann doch nicht, weil ich mich sonst tagelang schlecht fühlen werde. Dabei handelt es sich seit jeher auch um Kleinigkeiten, die andere Leute vielleicht gar nicht auf dem Radar haben.
Beim Bäcker einen Euro zu viel Wechselgeld bekommen? Frau Gerbera trabt die 300 Meter zurück und stellt die Sachlage klar. E-Auto darf nur vier Stunden laden, obwohl es keiner überprüft und auch keine technische Sperre greift? Frau Gerbera steckt nach haarscharf vier Stunden aus und parkt brav um.
Andere Aktionen kann ich dafür mittlerweile sehr gut mit meinem Gewissen vereinbaren, beispielsweise aufdringliche bettelnde Menschen oder unerwünschte Anrufe abwimmeln. Ich ziehe wo immer möglich eine Grenze zwischen "hilfsbereit und sozial eingestellt" und "Depp, der sich ausnutzen lässt". Ersteres gebietet mir mein Gewissen, zweiteres nicht. Und wenn man wie so oft lautstark auf die Tränendrüse drückt, um mir etwas ab- oder aufzuschwatzen, empfinde ich das als emotionale Erpressung und werde sofort pampig und abweisend.
Spontan fällt mir eine Situation aus meiner Schulzeit ein: Meine beste Freundin und ich gingen auf verschiedene weiterführende Schulen. Als wir ca. 16 waren, hatte sie ihren ersten Freund und war auf Wolke sieben. Kurz nachdem sie mir das erzählt hatte, bekam ich Gespräche von Mädchen an unserer Schule mit, wo es genau um diesen Freund ging.
Er war wohl ein ziemlicher Weiberheld. Und er prahlte mit seinen "Eroberungen"! Ich hörte recht heftige Dinge, die er über seine Freundin gesagt haben sollte. Und nur ich wusste, wer das zu dem Zeitpunkt war! Meine Freundin war an meiner Schule ja nicht weiter bekannt. Ich war recht zwiegespalten. Ich wusste nicht, ob ich diesen Gesprächen trauen sollte. Diese Mädchen redeten viel, sehr viel und ihr Gerede entsprach nicht immer der Wahrheit.
Selbst überprüfen konnte ich es nicht und der Freund ging auf noch eine andere Schule. Ich konnte mir also auch keinen eigenen Eindruck verschaffen. Ich rang mit mir, ob ich allein aufgrund dieser Gespräche und Gerüchte, auf die ich normalerweise keinen Pfifferling gegeben hätte, meine Freundin darauf ansprechen sollte.
Ich habe mich schließlich dazu durchgerungen, es ihr zu sagen, was ich gehört hatte. Wobei ich ihr aber auch sagte, dass ich mir eben nicht sicher sei, ob das alles so stimmte. Ich konnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, sie eventuell ins offene Messer laufen zu lassen und zum Gespött vieler werden zu lassen, obwohl ich ihr damit auch ihre erste große Liebe kaputt gemacht habe.
In einem anderen Fall ging es um eine Nachbarin, eine ältere und inzwischen recht demente Frau. Ich bekam auf dem Flur mit, wie ihre erwachsene Enkelin gegen die Tür hämmerte und durch die Tür mit der Nachbarin sprach. Im Gespräch bekam ich dann mit, dass die Nachbarin schon am Tag vorher gefallen war und nicht aufstehen konnte.
Es kam aber auch keiner in die Wohnung, weil sie von innen abgeschlossen hatte und der Schlüssel noch steckte. Die Enkelin ging wieder. Sie wollte ihren Vater informieren, der entscheiden sollte, ob man einen Schlüsseldienst holen wollte. Das könne aber noch dauern, er wäre noch arbeiten.
Grundsätzlich mische ich mich in solche familiären Sachen nicht ein, aber die alte Frau, die schon so entkräftet war, dass sie zu dem Zeitpunkt auch nicht mehr antworten konnte, einfach so noch weitere Stunden sich selber zu überlassen, brachte ich nicht übers Herz. Ich ging zur Polizeiwache, die keine fünf Minuten von uns entfernt ist, und schilderte dort, was ich mitbekommen hatte. Und von dort wurde dann sofort der Rettungswagen und die Feuerwehr alarmiert.
Die waren auch sehr schnell da, öffneten die Tür und halfen der Frau, die tatsächlich nicht noch mehrere Stunden hätte warten können, denn sie hatte sich heftig am Kopf verletzt beim Sturz. Die Enkelin, die schon wieder zurück war und wegen des Einsatzes dann auch die Eltern alarmiert hatte, und ihre Eltern waren sauer auf mich. Das alles wäre doch nicht nötig gewesen! Sie hätten sich doch gekümmert!
Sie wurden dann aber glücklicherweise von einem der Sanitäter zurück gehalten, der ihnen klar machte, dass sie froh sein sollten, dass ich gehandelt hätte. Ansonsten wäre die Frau mit ziemlicher Sicherheit gestorben. Und da die Familie alles wusste, wäre vielleicht dann gegen sie ermittelt worden!
Dass es so schlecht um die Frau stand, hatte ich auch nicht geahnt. Und dass es mit der Familie Ärger geben würde, war mir vorher klar gewesen, denn mir waren sie schon vorher aufgefallen, weil sie sich schlecht um die demente Frau kümmerten, die des Öfteren schon orientierungslos durchs Haus gegeistert war. Aber ich konnte es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, auch dieses Mal weg zu sehen.
Mir würde auch spontan nichts konkretes einfallen, was ich ihn meinem Leben noch nicht gemacht habe, weil ich es nicht mit meinem Gewissen hätte vereinbaren können. Sicher gab es da wahrscheinlich viele Situationen, in denen ich dankend abgelehnt habe, weil ich gewusst hätte, dass ich mich danach schlecht fühle. Jedoch kann ich mich spontan an so was nicht erinnern, da ich danach auch nicht traurig wäre, sondern genau wissen würde, dass ich mich richtig entschieden habe.
Allgemein kann ich aber sagen, dass ich vor allem solche Sachen nicht machen würde, bei denen andere Leute zu schaden kommen oder andere Tiere. Ich würde also nicht wollen, dass andere Leute die Konsequenzen für mein Handeln tragen müssen und würde dann von solchen „Aktionen“ absehen, sofern es nicht der einzige Ausweg ist um vielleicht noch mehr Leute vor Unheil zu bewahren.
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