Wer bestimmt bei euch das Fernsehprogramm?

Jeden Abend gibt es in vielen Wohnzimmern dieselbe Situation. Ein Paar oder eine Familie möchte zusammen fernsehen. Das Problem ist nun, dass jedes Familienmitglied etwas Anderes schauen möchte. Wenn man nur einen Fernseher in der eigenen Bleibe hat ist guter Rat teuer. Wie handhabt ihr das, wer bestimmt bei euch dann das Fernsehprogramm? Oder schaut ihr, bei welcher Sendung eine Wiederholung, beispielsweise in der Nacht oder an einem anderen Tag kommt und kuckt dann etwas, wo das Gesendete nicht noch mal ausgestrahlt wird? Um Stress und Streit zu vermeiden, muss es letztendlich ja eine Einigung geben, wo jede Seite am Ende zufrieden mit ist.

Mein Freund ist bei der Programmauswahl immer ziemlich entspannt. Wenn ich etwas schauen möchte, dann ist es für ihn eigentlich immer in Ordnung. Natürlich gibt es nach acht Jahren Beziehung auch viele Sendungen, Serien oder Filme, die wir beide gern schauen. Wir haben zudem Programme abonniert, mit denen wir nicht mehr drauf angewiesen sind, die Sendung live im Fernsehen anzuschauen. Wir können sie nachschauen und brauchen dann noch nicht mal die Werbung ertragen.

Sollte es somit mal vorkommen, dass wir unterschiedliche Wünsche zur gleichen Zeit haben, dann schauen wir eine Sendung nach. Dabei gibt es auch keinen Ärger, welche Sendung wir dann zuerst anschauen. Seitdem wir unseren Hund haben sind wir eh viel draußen in der Natur unterwegs und abends dann immer ziemlich müde, sodass das Programm egal ist und wir meistens einfach froh sind nach 20 bis 30 Kilometern auf dem Sofa zu liegen. Unter der Woche schauen wir auch mal mehr, aber entscheiden meistens zusammen.

Für mich klingt das eher nach einem völlig überholten Klischee aus längst vergangenen Zeiten. Wo ist man denn noch so rückständig, dass die Glotzkiste die einzige Form der Abendunterhaltung darstellt und sich die ganze Familie abends um den Hausaltar versammelt? Das gab es früher mal, als Shows wie "Wetten dass" der Inbegriff an gepflegter Unterhaltung waren, das Internet noch nicht mal angedacht und mehr als drei Programme schon eine Sensation. Aber wer unter 60 glotzt heute noch das offizielle Fernsehprogramm, mit Werbung und all dem Schwachsinn?

Selbst in meiner Kindheit gab es niemanden, der das Fernsehprogramm "bestimmt" hat, sondern es wurde besprochen, wer was wann schauen wollte und entsprechende Kompromisse geschlossen. Ich kenne das Klischee natürlich auch, dass Papi im Unterhemd mit der Bierflasche im Sessel flegelt und der Rest der Bagage die Fresse zu halten hat, weil die Sportschau läuft.

Aber heute ist es doch eher so, dass dank Streamingdiensten kein Mensch mehr auf das klassische Fernsehprogramm mehr angewiesen ist. Dazu gibt es noch Mediatheken, Aufzeichnungen und so weiter, sodass es gar keinen Grund mehr gibt, sich um die Glotze zu kloppen.

In den allermeisten Familien meiner Generation gibt es zudem noch mehrere Endgeräte vom Tablet bis zum Smartphone, sodass schon Grundschüler ihre eigenen Serien und Sendungen anschauen können, während die Eltern vielleicht zocken oder Netflix gucken und die antike Flimmerkiste maximal Opa überlassen, damit der den Musikantenstadel schauen kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass heute noch Familien oder Paare so um den Fernsehapparat herumkauern und sich um Fußball, Lindenstraße und Traumschiff streiten wie anno 1985.

In meiner Kindheit war das noch ein Problem, obwohl es nur zwei Fernsehprogramme gab. Mein Bruder wollte samstags immer die Sportschau gucken und ich eine bestimmte Serie. Ich glaube, Enterprise gab es zur selben Zeit.

Aber das dürfte doch mittlerweile kein Problem mehr sein. Man kann doch zusammensitzen und trotzdem jeder auf seinem Laptop oder Tablet sein eigenes Programm sehen. Oder man schaut sich das eine gemeinsam an und das andere in der Mediathek.

Bei uns läuft die Entscheidung relativ entspannt, denn wir gucken inzwischen gar kein Live-Fernsehen mehr. Unsere Anlage im Haus ist so grottenschlecht, dass man je nach Wohnung nur noch bunte Würfel sieht. Und weil wir auch keine Satellitenschüssel aufstellen dürfen, haben wir uns für das Fernsehen über Internet entschieden. Nach einigem Ausprobieren sind wir bei einem Online-Rekorder rausgekommen, der unseren Wünschen am ehesten entspricht.

Dadurch sind wir unabhängig von der Zeit, wann wir was gucken möchten. Und weil jeder von uns seinen eigenen Account hat und sich Sendungen aussuchen kann, die man dann auf dem eigenen Gerät gucken kann, können wir uns ganz entspannt im Vorfeld darauf einigen, was wir abends zusammen gucken wollen. Sendungen, die der andere nicht mag, gucken wir dann halt zu irgendeiner passenden Zeit alleine auf unserem jeweiligen Gerät.

Die beschriebene Szene kenne ich eigentlich nur aus Erzählungen und vielleicht auch aus der ein oder anderen Fernsehsendung, die in Zeiten vor dem Internet gespielt hat. Selbst in meiner Kindheit ist das nicht vorgekommen weil wir abgesprochene Fernsehzeiten hatten.

Wir haben tatsächlich an beiden Wohnorten nur jeweils einen Fernseher, was bei vielen Leuten ja heute gar nicht mehr der Fall ist, aber "Stress und Streit" gab es deshalb noch nie. Entweder wir suchen uns gemeinsam einen Film oder eine Serie aus oder der eine, der unbedingt irgendwas bestimmtes anschauen will, übernimmt den Fernseher und der andere macht halt in der Zeit irgendwas anderes.

Und wenn jetzt zwei Sachen im linearen Fernsehen laufen würden, die man sich unbedingt live anschauen muss (Fußballspiel und Wahlergebnis oder irgendwas in der Art), nimmt sich der eine halt den großen Laptop. Und nein, da gibt es dann auch keinen "Stress und Streit", weil in den meisten Fällen klar ist, was auf den großen Bildschirm gehört (Fußball) und für was der kleinere Bildschirm völlig ausreicht (Wahlergebnisse).