Wegen Liebeskummer nicht zur Arbeit gehen?
Laut einer Umfrage soll angeblich jeder 6. Arbeitnehmer in Deutschland wegen Liebeskummer nicht zur Arbeit gegangen sein. Ich weiß ja nicht, wie andere Menschen darüber denken, aber mir persönlich käme das nie in den Sinn wegen so etwas die Arbeit zu schwänzen. Wenn ich nicht zur Arbeit gehe, dann nur, wenn ich wirklich krank bin, mehr aber auch nicht. Käme es für euch persönlich in Frage, wegen Liebeskummer nicht zur Arbeit zu gehen? Oder findet ihr das völlig in Ordnung?
Wenn es mir dadurch schlecht gehen würde und meine Arbeitsfähigkeit leiden würde, dann würde ich auch wegen Liebeskummer nicht zur Arbeit gehen. Schließlich ist auch Liebeskummer eine Art der psychischen Belastung, das muss man sich klar machen. Für mich wäre es auch merkwürdig wegen Liebeskummer auszufallen, aber ich würde es an meinem Zustand festmachen. Weil was bringt es mir und den Kollegen, wenn ich mich "krank" und nicht arbeitsfähig zur Arbeit schleppe und je nachdem ständig in Tränen ausbreche?
Ich glaube, dass das schon so ein Zustand sein kann, in dem man nicht mehr arbeitsfähig ist. Gerade wenn man länger zusammen war, vielleicht auch Kinder zusammen hat, dann zieht es einem sicherlich die Füße unter dem Boden weg und da kann man dann eben auch nicht vernünftig arbeiten. Gerade wenn man sich auch selber beschädigen kann, bei der Arbeit, wenn man sich nicht konzentriert, dann sollte man da auch zu Hause bleiben, wenn man gedanklich abgelenkt ist und am Boden ist.
Bisher habe ich nur eine Trennung hinter mir und die war von mir gewollt, deswegen weiß ich auch nicht, wie sehr man da in ein Tief geraten kann, aber würde ich mich nun von meinem Mann trennen oder er von mir, dann wäre das wirklich etwas, was mich stark belasten würde.
Warum nicht? Weil man dann mal ein paar Tage nicht die Reichen noch reicher machen kann? Der Kapitalismus wird's aushalten, und lästigerweise haben eben auch Arbeitsdrohnen so etwas wie eine Psyche. Ich bin auch von dem Begriff des "Schwänzens" schon lange weggekommen und finde ein Welt- und Menschenbild, bei dem es nur um die Lohnarbeit geht und alles andere am Menschen bestenfalls schmückendes Beiwerk ist, das danach bewertet wird, ob es die Arbeitsfähigkeit behindert, reichlich pervers.
In meiner spartanischen Nachkriegserziehung, die schon in den 1980ern völlig unzeitgemäß war und über die ich heute nur noch den Kopf schüttle, hieß es auch: Schule um jeden Preis! Meine Eltern haben sich auch in so ziemlich jedem Zustand in die Arbeit geschleppt, obwohl sie sichere Jobs hatten und auch nicht am offenen Herzen operieren mussten. Und Psyche im weitesten Sinne wurde schlicht geleugnet, was gerade in der Pubertät weder lustig noch gut auszuhalten war. Jetzt, wo ich selber entscheiden kann, achte ich sehr viel sorgfältiger auf meinen körperlichen und psychischen Zustand, und der Job spielt dabei nur sehr am Rande eine Rolle.
Ich finde den Gedanken auch gar nicht so verkehrt, denn Liebeskummer kratzt an der psychischen Gesundheit. Je nach Intensität und Verarbeitungstyp kann dieser Zustand zwar auch ganz schön lange dauern, ich denke trotzdem, gerade in den ersten Tagen hat man da unter Umständen einen großen Verlust zu verarbeiten, muss sich erstmal wieder sammeln und kann sich gedanklich nicht auf Wesentliches konzentrieren. Gegebenenfalls muss man ja auch seinen ganzen Alltag neu strukturieren, eine neue Bleibe suchen usw. usf.
Man kann zwar einen Todesfall nicht so ganz mit einem Beziehungsende gleichsetzen, aber emotional gesehen gibt es da bei manchen vielleicht doch wenig Unterschied und in einem Todesfall findet es ja auch jeder okay, wenn man sich die Zeit der Trauer und nimmt und man sich nicht gleich in die Arbeit stürzt.
Wie schon erwähnt wurde, finde ich es sogar in manchen Berufsfeldern wirklich sinnvoll, allein zum Eigen- oder Fremdschutz. Wenn man einen gefährlichen Job hat oder andere Menschen durch eigene Unachtsamkeit bzw. Unkonzentriertheit gefährden könnte, dann halte ich den Menschen durchaus für verantwortungsvoll, wenn er in einem solchen emotionalen Ausnahmezustand eben mal ein paar Tage lieber zuhause bleibt.
Als ich so ungefähr 14 Jahre alt war, konnte ich wegen meinem Liebeskummer einen Tag die Schule nicht besuchen. Ich habe damals so viel geweint, dass meine Augen am nächsten Tag immer noch sehr gerötet waren und ich hatte solche Kopfschmerzen, dass ich kaum die Augen aufhalten konnte. Ja, ich glaube es kann jedem deswegen so schlecht gehen, dass er mal einen Tag Zuhause bleibt. Eine damalige Kollegin wurde von ihrem Mann verlassen und stand plötzlich mit den Kindern nahezu allein da. Das war für sie so schwer, dass sie auch einige Tage krank war und dann noch eine Woche Urlaub genommen hat. Natürlich hat das mit der Psyche zu tun.
Ich glaube auch, dass ich nicht komplett arbeitsfähig wäre, wenn unser Hund über Nacht versterben würde. Das können viele ja komisch finden, aber unser Hund gehört zu uns und gibt uns sehr viel. Auch bei anderen Tieren fiel es mir nicht leicht auf der Arbeit glücklich auszusehen. Und wenn es nun darum geht, dass man einen geliebten Menschen aufgeben muss, dann trifft es sicherlich den einen oder anderen Menschen so schwer, dass er den Arbeitsplatz nicht aufsuchen kann.
ich habe schon oft mitgekriegt, dass Freunde, Bekannte und auch Kolleginnen angeschlagen waren, weil sie Liebeskummer hatten... wichtig wäre da, einen Psychologen aufzusuchen. Vor so einer Therapie muss man sich nicht schämen.
Warum sollte man wegen einer normalen Trauerreaktion auf einen großen Verlust gleich therapiebedürftig sein? Nicht alles, was sich unangenehm oder belastend anfühlt, ist pathologisch. Trauer und Schmerz gehören zum Leben leider dazu und manchmal auch sehr lange, länger als unsere drollige Spaßgesellschaft es dem Trauernden zubilligt. Das sieht man ja auch wieder sehr schön hier im ersten Posting. "Wegen sowas". Als ginge es darum, dass einem der Kanarienvogel entflogen ist oder der Urlaub verregnet war.
Das Ende einer der primären Beziehungen, die man im Leben hat, als eine Kleinigkeit anzusehen, empfinde ich schon als recht grobklotzig. Und ja, warum sollte man wegen eines solchen Verlusts und der Trauer nicht mal für eine Woche der Arbeit fernbleiben? Mich kotzt dieser Arbeitsethos in manchen Bevölkerungsschichten auch an, wo es nur darum geht, sich als den Arbeitnehmer schlechthin anzusehen, der auch mit 40 Grad Fieber noch im Büro vegetiert oder auf andere herabsieht, weil sie nicht so vermeintlich stark sind, in der Arbeitstretmühle durchzuhalten, wenn ihr emotionales Leben gefühlt zusammenbricht.
Ein Beziehungsende kann genauso belastend sein wie der Tod einer geliebten Person und dafür braucht keiner ein labiles Sensibelchen sein, welches das normale Leben nicht durchstehen kann. Arbeit über alles? Nicht, wenn es nicht sein muss. Alles hat eine Grenze und ich dachte und hoffte, dass wir nicht mehr in diesen Zeiten sind, wo strikter Gehorsam und das Zurückstellen des ganzen eigenen Lebens Priorität Nummer eins sind.
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