Von anderen aufgefordert werden mehr zu essen?

vom 30.07.2021, 11:50 Uhr

In Deutschland gibt es mittlerweile immer mehr Menschen, die mit ihrem Gewicht zu kämpfen haben. Dabei ist es nicht nur so, dass Personen ihr Gewicht eigentlich reduzieren sollten und auch wollen, andere haben das Problem, dass sie einfach nicht so viel essen können, wie ihr Körper verbrennt. Ein Freund von mir schaufelt den ganzen Tag Essen in sich hinein, nimmt aber trotzdem kaum zu. Ihn nervt es richtig, wenn andere ihn auffordern, doch mal etwas mehr zu essen, da er schon wirklich viel verdrückt. Mir tut das dann immer Leid, da ich weiß, wie sehr es ihn belastet.

Kennt ihr solche Fälle ebenfalls? Wurdet ihr schon einmal dazu aufgefordert noch mehr zu essen, weil andere euch als "zu dünn" erachtet haben? Wie habt ihr darauf reagiert?

» Wunschkonzert » Beiträge: 7184 » Talkpoints: 42,56 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



In meinen Augen ist dies auch eine Form von Bodyshaming. Ich bin der Meinung, dass sowohl die Menge, die man isst, als auch die Tatsache, wie man aussieht, niemanden außer sich selbst etwas angeht. Auch wenn der Begriff in der heutigen Zeit teilweise missbraucht wird und beispielsweise viele übergewichtige Menschen erwarten, dass man sie für ihren ungesunden Lebensstil und das Gewicht, welches sie auf die Waage bringen feiert, so geht doch der eigentliche Sinn dahinter verloren. Leben und leben lassen. Das geht auch schon beim Essen los. Wenn jemand meint, dass er 5.000 Kalorien am Tag verputzen muss, obwohl er schon 50 Kilogramm zu viel auf die Waage bringt, dann soll er oder sie das machen, dass geht mich absolut nichts an.

Genau so ist es aber, wenn jemand zu wenig isst oder nicht genug essen kann, egal ob es psychisch bedingt ist, körperlich / anatomisch oder man einfach nicht so viel essen möchte. Wenn man sich Sorgen um eine Person macht, weil das Gewicht stark in die eine oder in die andere Richtung schwankt, dann kann man gerne anbieten, dass man ihnen helfen oder sie unterstützten kann beziehungsweise erstmal fragen, ob Tipps oder Hilfe gewünscht ist.

Wenn die Antwort hier aber nein lautet, dann sollte man es auch dabei belassen und nicht immer wieder drängeln, sondern schlichtweg „auf seinem eigenen Teller bleiben“ und die Person so handeln lassen, wie sie es für richtig hält. Wer keine Hilfe möchte, der wird auch keine Hilfe annehmen, egal, wie sehr man die Person bedrängt.

» Hufeisen » Beiträge: 6056 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Ich war das letzte Mal in der Pubertät relativ dünn, und seitdem musste sich niemand mehr Sorgen machen, dass ich nicht genügend esse. Ich empfinde es auch als unangebracht und über griffig, anderer Leute Essgewohnheiten, Gewicht oder generell Figur und Körperbau zu bewerten und zu be- (meistens ver-)urteilen. Ich wundere mich ehrlich gesagt, dass sich die Erkenntnis, dass Essen Privatsache ist, anscheinend wirklich noch nicht durchgesetzt hat. Man möchte meinen, dass die Sorge, jemand könnte am gefüllten Napf verhungern, allmählich am Aussterben sein könnte, weil der Krieg zumindest hierzulande lange vorbei ist.

Wenn jemand ein gesundheitliches Problem hat, das zu Untergewicht führt, helfen "Aufforderungen, mehr zu essen", auch nicht. Bei psychischen Krankheiten bewirken diese sogar oft das Gegenteil, sprich du laberst die Person noch ein bisschen näher an den Hungertod heran. Und einfach "nur" dünnere Menschen sind genervt und gereizt und haben keine Lust mehr auf deine Gesellschaft, weil du ihnen offensichtlich nicht zutraust, selber zu beurteilen, was und wieviel sie essen. Wo soll dann also der Mehrwert bei derlei "Aufforderungen" und Kommentaren liegen?

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Es gab mal eine Phase, in der ich untergewichtig war und sicherlich auch zu wenig gegessen habe, aber es war nicht so, als wäre mir das nicht selber bewusst genug gewesen. Daher hat es auch keinen Benefit gebracht, wenn mich Leute darauf angesprochen und dazu ermahnt haben, größere Portionen zu essen, denn das hat mich teilweise nur ziemlich genervt und noch mehr unter Druck gesetzt.

Heutzutage ist es so, dass ich völlig normalgewichtig bin und ausreichend viel über den Tag verteilt esse, aber eher ein Mensch bin, der mehrere kleine Mahlzeiten in regelmäßigen Abständen als ein bis zwei Giga-Portionen am Tag bevorzugt. Bei zu langen Latenzphasen zwischen den Nahrungsaufnahmen bekomme ich starken Hunger und schlechte Laune, und für zu große Teller brauche ich ewig und fühle mich danach auch voll und träge. Gerade im Arbeitsalltag, wo man wirklich selten mal eine volle halbe Stunde Mittagspause machen kann und meist in 10 oder 15 Minuten essen muss, könnte ich nie eine ganze Hauptmahlzeit schaffen, ohne massiv zu schlingen und mich danach unwohl zu fühlen. Stattdessen hole ich mir eben zwei- bis dreimal eine kleine Portion, wenn es zwischendurch passt.

Wer mich und meinen Alltag nicht kennt, der reagiert darauf schon manchmal verwundert, und ich bekomme sehr oft von anderen gesagt, dass ich mir doch „eine gescheite Portion“ nehmen soll und zu wenig esse. Ich versuche schon gar nicht mehr, mein System zu erklären, sondern ignoriere diese Ansprachen meistens, denn nach gefühlt 100 mal, die ich das jetzt gehört habe, geht es mir nur noch auf den Keks. Andere brauchen vielleicht nur einmal am Tag ein üppiges Essen und kommen damit klar, aber mein Körper funktioniert eben anders und ich habe wirklich lange auch verschiedene andere Strategien ausprobiert, um letztendlich doch bei dieser Ernährung zu landen. So komme ich auf meinen Bedarf und fühle mich wohl damit, weswegen es mir auch egal ist, ob das anderen komisch vorkommt oder nicht.

» MaximumEntropy » Beiträge: 8472 » Talkpoints: 838,29 » Auszeichnung für 8000 Beiträge



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