Buhen bei Nationalhymnen - mehr Solidarität für Gegner?
Die EM 2021 ist heute Abend in jedem Fall vorbei und einer der möglichen Titelaspiranten ist die englische Nationalmannschaft. Eben jene Mannschaft, die seit Längerem damit auffällt, dass ihre Fans bei Nationalhymnen anderer Länder buhen und pfeifen. Ein Verhalten, welches medial und auch bei den Briten in vielen Belangen überhaupt nicht gut ankommt.
Mittlerweile kann man medial und in den sozialen Netzwerken eine Art Solidarisierung gegenüber der italienischen Mannschaft erkennen, was viele damit begründen, dass die Fans mit ihrem Verhalten es nicht verdient hätten EM Sieger zu werden. Auch, wenn die Mannschaft da zunächst nichts für kann.
Schon das Ausbuhen eines deutschen Mädchens nach dem Spiel England gegen Deutschland hat die britischen Fans ins negative Licht gerückt, was leider nicht dazu beitragen hat, dass sie mit dem Buhen aufhören wie heute bei der Nationalhymne von Italien kurzfristig wieder zu hören war.
Die Solidarisierung mit Italien macht es daher schon offensichtlich, dass dieses Verhalten der Fans zumindest Sympathien gekostet hat, aber trotzdem muss ja auch gesagt sein, es sind nicht alle Fans. Findet Ihr dennoch, dass dieses Ausbuhen eine ganze Fanbase derart unsympathisch macht, dass man deren Land keinen Sieg mehr wünscht? Oder könnt Ihr da gut zwischen Fans und Mannschaft trennen?
Theoretisch kann ich gut zwischen den Fans und der Mannschaft trennen. Praktisch gibt es jedoch eine Verbindung, denn die Mannschaft, die Leitung und alles, was da noch so an Funktionären herumläuft, tun auch nichts gegen dieses ungehörige Benehmen! Sie nehmen es einfach hin. Für sie scheint es in Ordnung.
Und das ist ja leider nicht das einzige, womit die englischen Fans aufgefallen sind. Da wäre noch im Halbfinale die Attacke mit dem Laserpointer gegen den dänischen Torhüter. Die Mannschaft profitiert davon, dass der Torhüter geblendet war, distanziert sich aber nicht wirklich davon.
Und dann kam heute noch das Verhalten am Finaltag. Die Fans sind total ausgerastet und wollten das Stadion stürmen, nachdem sie schon in der Stadt gewütet und randaliert hatten. Ich habe noch keine Informationen, aber sie dürften einen immensen Schaden angerichtet haben und spätestens das Durchbrechen der Barrikaden etc. dürfte Verletzte gefordert haben. Und was macht der englische Verband? Nix!
Der englische Verband und die Mannschaft wären die einzigen, die dieses Verhalten unterbinden könnte. Aber sie machen nichts. Strafverfolgung bringt nichts, denn man kann die einzelnen Täter und ihre Tatbeiträge nicht identifizieren, weil sie in der Masse untertauchen. Und da fängt es eben an, dass man nicht mehr so unbedingt trennen kann oder will.
Und durch dieses Hinnehmen und stillschweigende Profitieren wie bei der Laserpointer-Attacke frage ich mich dann auch, ob es wirklich nur die Fans sind, die da aus der Rolle fallen, oder ob das nicht vielleicht auch der Charakter in der Mannschaft ist. Vielleicht benehmen die sich ja nur, weil sie bei einem Fehlverhalten identifiziert und bestraft werden würden? Und spätestens da ist bei mir im Kopf die Trennung weg gefallen.
Ich freue mich auch, dass Italien gewonnen hat. Allerdings war ich schon lange vor den Ausschreitungen und dem Benehmen der englischen Fans für die Italiener.
Gerade die Sache mit dem Laserpointer fand ich auch hart. Vor allem warum man da nicht mal als Mannschaft etwas dazu sagt und den Leuten klarmacht, dass das Verhalten so nicht geht. Ich meine es wäre doch auch mal etwas gewesen auf diese ganzen Buhrufe zu reagieren. Das war meiner Meinung nach extrem unsportlich wie man sich da verhalten hat im Finale von Fanseite. Die haben ja am Anfang jeden Ballbesitz von Italien mit Buhrufen begleitet. Das geht so nicht und schmälert auch das Ansehen der ganzen Mannschaft.
Was ich aber bei der EM auch sehr schlimm gefunden habe ist dieses Becher werfen. Ich weiß gar nicht mehr welches Spiel es war, aber da hat man dann teilweise nur noch Becher auf dem Spielfeld gesehen, die Fans die das gemacht haben, sind wohl auch nicht mehr so richtig. Ich finde man sollte das unterbinden, wenn sich Fans so verhalten. Hätte man beispielsweise eine Durchsage gemacht, dass das Verhalten nicht geduldet wird und Fußball fair sein soll, dann wäre das zumindest ein Zeichen gewesen, aber so waren nur die Buhrufe zu hören und das ist grob unsportlich, wenn ihr mich fragt.
Es sollte ja auch nicht so sein, dass eine Mannschaft nur deswegen gewinnt, weil die Fans jemanden geblendet haben oder die Stimmung des Gegners am Boden gehalten wird durch Pfiffe und Buhrufe. Es sollte doch so sein, dass der Bessere gewinnt und nicht die Mannschaft deren Fans am meisten den Gegner stört.
Vielleicht komme ich was das angeht auch aus einer anderen Zeit. Aber ganz ehrlich finde ich eigentlich machen doch genau solche Sachen das Stadionerlebnis aus. Ich meine entspannt Fußball gucken kann ich auch zu Hause vor dem Fernseher.
Im Stadion aber will ich die Emotionen erleben, merken wie die Seele kocht. Und da gehört eben für mich auch dazu, dass man dem Gegner nicht pauschal applaudiert, sondern ihm auch mal ganz deutlich zeigt was man von ihm hält. Das natürlich aber in einem vernünftigen Rahmen, also keine Gewalt und auch Rassismus und Homophobie hat da nichts zu suchen. Aber das Auspfeifen des Gegners oder auch das Buhen bei den Hymnen finde ich gehört genau da hin.
Das hat den Fußball schon immer geprägt und von anderen Sportarten abgegrenzt, wo doch eher ein friedliches Miteinander gepflegt wurde. Ich finde einfach, wenn ich Fan einer Mannschaft bin und will das meine Mannschaft gewinnt, dann zeige ich das eben auch mit meiner Unterstützung, die dann eben heißt alles für meine Mannschaft und alles gegen die andere Mannschaft. Das finde ich nun wirklich nicht verwerflich.
Nichts desto trotz mag ich die Engländer trotzdem nicht und war auf Seiten der Italiener. Das aber hatte eher mit dem geschundenen Elfmeter zu tun, der für mich einfach keiner war.
Klehmchen hat geschrieben:Vielleicht komme ich was das angeht auch aus einer anderen Zeit. Aber ganz ehrlich finde ich eigentlich machen doch genau solche Sachen das Stadionerlebnis aus.
Vielleicht ist das ein Grund, warum ich mit Fußball nicht viel anfangen kann. Dieses Kochen der Emotionen im Sinne von Ablehnungsgefühlen gegenüber den Gegnern ist mir schon immer fremd gewesen. Wenn ich hin und wieder mal Fußball anschaue (was selten vorkommt), habe ich meistens keinen eindeutigen Favoriten. Deswegen könnte ich auch nie ein eindeutiger Fan einer einzelnen Mannschaft oder eines Vereins sein, weil ich mich auch immer für die Gegner freuen würde, wenn sie gewinnen.
Eine Mannschaft die solche Fans hat ist in meinen Augen den Titel auch nicht wert. Das Buhen bei den Hymnen zeigt einfach nur Respektlosigkeit. Das deutsche Mädchen wurde auch nicht nur ausgebuht, weil es weinte, sondern wurde in den sozialen Medien als Nazi betitelt.
Der Laserpointer gegen Schmeichel ist mehr als unsportlich, zumal das auch gesundheitliche Folgen haben kann. Ich weiß wie schmerzhaft es ist, wenn man nur einmal kurz richtig getroffen wurde. Hatte da viele Jahre Probleme nach dem Vorfall. Zumal man dabei bedenken sollte, dass es in der Halbzeit gemeldet wurde, dass Schmeichel schon die ganze Zeit mit dem Laserpointer angestrahlt wurde. Man nahm es so hin und versuchte gar nicht den Verursacher zu finden.
Grundsätzlich bin ich auch Stadiongängerin mit meinem Freund und wir gehen zu einem Verein, der immer wieder gerne in der Kritik ist. Angeblich haben wir ja „rechtsradikale Fans“ und geradezu sogar „Ultra-Gruppierungen“ und seien höchst gewaltbereit. So dramatisch ist es allerdings nicht und es gibt immer Ausnahmen, aber das sind die üblichen Pappenheimer, die überall in den Stadien auf dicken Max machen.
Wir buhen selbstverständlich auch die Spieler aus. Wir rufen auch manchmal Dinge, die schon unter der Gürtellinie gehen, aber solche Emotionen gehören dazu. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir danach die Spieler wirklich persönlich hassen, körperlich angreifen würden und mehr. Das gehört sich nicht und hat mit dem Sport sowie den Emotionen natürlich nichts zu tun. Es sind halt allgemeine Scharmützel, die auch mal tiefgehend sind, aber so ist das.
Grundsätzlich waren mein Freund und ich auch für England, da ich auch sehr wohl zwischen idiotischen Fans und der Mannschaft entscheiden kann. Die Mannschaft kann nichts dafür, dass Fans mit Laserpointern im Dänemark-Spiel stören. Da stand ja kein Harry Kane mit dem Dingen in der Hand, das muss man wirklich trennen können.
Doch es ist echt manchmal schwierig die britischen Fans in irgendeiner Weise nachvollziehen zu können. Ich kenne viele Briten und komme sonst dem Verein Westham United sehr nahe, was natürlich auch hier und dort gewisses Potenzial hat. Da sind auch nicht immer die hellsten Köpfe zu gegen, aber manchmal muss man sich schon fragen, was einige da überhaupt jemals in der Birne hatten.
Buhen bei Nationalhymnen finde ich per se dennoch sehr respektlos. Das ist eine andere Nummer, da kann man mal 2 Minuten die Backen halten und im Anschluss von mir aus buhen. Allerdings nicht mitten drin, gehört sich einfach aus Respekt nicht. Man buht indirekt eine ganze Nation aus, die voller Stolz antritt und ihr Lied teils mitsingt. Das ist nicht eine Vereinshymne, wo nur wir Fans mit gemeint sind.
lascar hat geschrieben:Klehmchen hat geschrieben:Vielleicht komme ich was das angeht auch aus einer anderen Zeit. Aber ganz ehrlich finde ich eigentlich machen doch genau solche Sachen das Stadionerlebnis aus.
Vielleicht ist das ein Grund, warum ich mit Fußball nicht viel anfangen kann. Dieses Kochen der Emotionen im Sinne von Ablehnungsgefühlen gegenüber den Gegnern ist mir schon immer fremd gewesen.
Das finde ich auch überhaupt nicht schlimm. Du hast ja wie ich finde eine sehr vernünftige Entscheidung für dich getroffen. Diese Kochen vor Emotionen beim Spiel ist nichts für dich, also schaust du einfach nicht all zu oft Fußball. Warum können das nicht einfach alle so machen, denen das auf den Zeiger geht? Es gibt doch so viele andere Sportarten, die man schauen kann, wo man hingehen kann und vermeidlich friedlich zuschauen kann. Da muss man doch nicht immer zwanghaft versuchen, den Fußball jetzt neu zu erfinden.
Und ganz ehrlich, mir ist das sowieso alle mal lieber, wenn die Leute ins Stadion gehen, da rumpöbeln und ihre Emotionen mal richtig raus lassen und danach ist dann wieder Ruhe. Ist doch in jedem Fall besser als es sonst im Alltag oder im Internet rauszulassen. Ich glaube schon, dass bei einigen so ein Ventil im restlichen Alltag viel helfen würde und an vielen Stellen die Diskussionskultur besser wäre und sich unsere Gesellschaft nicht so radikalisieren würde wie wir es in den letzten Jahren mehr und mehr sehen.
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