Hätte die UEFA Spiel nach Eriksen-Drama abbrechen sollen?

vom 13.06.2021, 14:46 Uhr

Bei dem EM-Spiel Dänemark gegen Finnland bricht der dänische Spieler Christian Eriksen zusammen und kollabiert, sodass er reanimiert werden musste. Trotzdem wurde das Spiel nach 107 Minuten wieder fortgesetzt und letztendlich gewann Finnland mit 1:0.

Die Mannschaften hätten die Möglichkeit gehabt das Spiel am nächsten Tag um 12:00 Uhr fortzusetzen, dennoch wurde von diesen entschieden, das Spiel lieber am Abend zu beenden. Einer der dänischen Spieler ließ sich folglich aber auswechseln, weil er dem ganzen emotional nicht gewachsen war.

Den ZDF-Experten Per Mertesacker im Sportstudio und auch den TV-Experten und Gladbach-Profi Christoph Kramer überraschte diese Entscheidung. Auch wenn die Spieler diese Entscheidung wohl selbst treffen konnten und keiner Druck ausübte das Spiel sofort fortzusetzen, sei es laut ihnen fraglich, warum die UEFA kein Machtwort gesprochen habe.

Meint ihr, dass man in so einer Situation tatsächlich emotional und psychisch noch in der Lage ist selbst über eine Spielfortsetzung zu entscheiden? Findet ihr es gut, dass die Mannschaften die Entscheidung selbst treffen durften?

» EngelmitHerz » Beiträge: 3943 » Talkpoints: 17,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Der Betroffene selber wollte ja das gespielt wird. Das muss man auch mal ganz klar sagen. Abgesehen davon finde ich es aber unverantwortlich das Spiel so wieder aufzunehmen und das nicht, weil da jemand zu Schaden kam, sondern weil die Spieler alle ein großes Trauma erlebt haben und man das nicht einfach mal so innerhalb von ein paar Minuten wegsteckt. Die haben weinend daneben gestanden, sie haben um ihn herum gestanden, seine Freundin getröstet, um ihn gebangt, ihn vielleicht auch im Krankenhausbett gesehen.

Der Trainer hat auf mich einen unglaublich gefühlvollen Eindruck gemacht, er schien damit, wie jeder andere Mensch in der Situation, überfordert gewesen zu sein und sicherlich schlagen da auch 2 Herzen in der Brust. Man ist Teil einer Mannschaft, ein Land setzt auf einen und dennoch ist man Mensch mit Emotionen, gefühlvoll und da war es für jemanden mit dem man viel Zeit verbracht hat, den man mag, wirklich knapp. Die Entscheidung fällt schwer und ich denke, dass das anders hätte ausgehen müssen.

Man hat das Spiel laufen lassen, es kam zu einem Elfmeter und hat man dem Spieler angesehen dann hat man gesehen, dass er nicht bei sich war, er hat ihn nicht versenkt sondern versemmelt. Gleich darauf wurden Diskussionen laut, dass der Torwart doch hätte beiseite gehen müssen. Hätte Dänemark gewonnen, hätte jeder gedacht es wäre ein Sieg aus Mitleid und so hat nun jeder erkannt, dass es vielleicht doch die falsche Entscheidung war. Eine richtige Entscheidung gibt es da sicherlich auch nicht, aber ich wäre lieber als Trainer nach Hause gefahren, als dieses Spiel noch mal anzutreten mit dieser Mannschaft.

Das sind alles tolle Spieler, sie haben Herzblut und sich menschlich toll bewiesen, aber dennoch haben sie Emotionen und sind eben nicht so abgeklärt, dass man das einfach so ignorieren kann, was passiert ist. Eriksen hat das glücklicherweise überlebt, seine Mannschaft hat für ihn gespielt, aber die Entscheidung ist dennoch zurecht diskutiert.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich bin natürlich auch heilfroh, dass die Geschichte vorerst gut ausgegangen ist, auch wenn ich es optimistisch finde, so zu tun, als stünde der Sportler nächste Woche wieder munter auf dem Platz.

Aber wenn man die Mannschaften wahrheitsgemäß informiert und den Spielern und Betreuern die Wahl lässt, das Spiel fortzusetzen, sehe ich eigentlich nichts Verkehrtes daran, wenn diese sich sagen: Der Kollege ist in den besten Händen, wird jetzt erst mal diagnostisch auf links gedreht, und wir können auch nichts machen außer ängstlich auf Neuigkeiten zu waren. Da spielen wir lieber zu Ende.

Ich finde es recht anmaßend, anderen Leuten vorzuschreiben, wie sie auf schockierende Erlebnisse zu reagieren haben. Es ist ja nicht wie im Film, wo man genau weiß: Die Figur sitzt jetzt in der Ecke und starrt vor sich hin, dann gibt es einen Schnitt, und man sieht sie mit trauriger, aber entschlossener Miene wieder an der Ballettstange trainieren. Oder so ähnlich.

Außerdem frage ich mich sowieso, wie viele Leute wir auf der Bühne, im Stadion, im Hörsaal oder vor der Kamera erlebt haben, die vielleicht eine halbe Stunde zuvor erfahren haben, dass ihr Bruder einen Unfall hatte oder ähnliche Katastrophen und die sich dennoch dafür entschieden haben, die Sache durchzuziehen. Da nennt man das dann Professionalität, und oft genug bekommt niemand etwas mit. Nur weil vor aller Augen etwas Dramatisches passiert ist, sehe ich keinen Grund, sich moralisch darüber zu empören, dass die Betroffenen nicht so reagiert hätten, wie es Nicht-Betroffene für angemessen gehalten hätten.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Gerbera hat geschrieben:Aber wenn man die Mannschaften wahrheitsgemäß informiert und den Spielern und Betreuern die Wahl lässt, das Spiel fortzusetzen, sehe ich eigentlich nichts Verkehrtes daran, wenn diese sich sagen: Der Kollege ist in den besten Händen, wird jetzt erst mal diagnostisch auf links gedreht, und wir können auch nichts machen

Ist sicherlich eine Sicht der Dinge. Aber es ist eben auch so, dass es prozentual jetzt nicht wirklich häufig vorkommt, dass Profifußballspieler während eines Spiels einfach zusammenbrechen und reanimiert werden. Das sind Raritäten, die kaum ein Mitspieler je erleben wird. Und wenn man sich die Spieler angeschaut hat, dann war da keiner dabei, den das nicht mitgenommen hat.

Von daher kann es natürlich sein, dass man alle wahrheitsgemäß informiert hat und meinetwegen mag es auch stimmen, dass sie sogar mit Eriksen selber gesprochen haben. Aber in der Situation hatte doch keiner von denen einen wirklich klaren Kopf um da zu verstehen, was sie gerade entscheiden.

Das zeigt sich ja auch, dass mit etwas Abstand plötzlich auch die Stimmen aus dem Team lauter werden, die sagen, dass sie das nicht hätten entscheiden sollen. Wobei man den Spielern da gar keinen Vorwurf machen können. Sie sind halt Fußballer und zum Fußballspielen gekommen.

Ich denke aber sehr wohl, dass man der UEFA den Vorwurf machen kann, dass man die Spieler nicht hätte an dem Abend vor die Wahl stellen dürfen, jetzt gleich oder morgen um 12:00 weiterspielen, sondern erstmal ganz offen, jetzt spielen oder später spielen, wann auch immer.

Aber auch der dänische Verband hätte da in meinen Augen ein Machtwort sprechen müssen und für die Spieler eine Entscheidung treffen müssen um diese gar nicht in irgendeine Zwickmühle zu bringen, erst recht nicht, dass sie nachher noch das Gefühl bekommen, sie würden sich mit einem Abbruch gegen die Entscheidung von Eriksen stellen.

Meine persönliche Vorgehensweise wäre relativ einfach und schnell gewesen. Das Spiel hätte ich als UEFA an dem Abend nicht wieder angepfiffen und als dänischer Verband hätte ich die Mannschaft vom Turnier zurückgezogen. Fußball und Sport ist einfach mal nicht wichtiger als das Leben eines Spielers.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Das Thema habe ich kurz danach schon häufiger bei facebook mitgelesen. Da melden sich ja dann auch Leute zu Wort, die selbst Fußball spielen und das auch aus einem anderen Blickwinkel sehen. Da kam häufig die Aussage, dass es so die bessere Entscheidung wahr. Hätte man das Spiel er am nächsten Tag fertig gespielt, hätten die Spieler mehr Zeit gehabt über alles nachzudenken, was viele dann emotional wesentlich mehr belastet hätte.

Aber im Nachgang ist es doch oft so, dass man die getroffene Entscheidung bereut. Und ich gehe davon aus, wenn es zumindest ein Unentschieden gewesen hätte, dass die Dänen da nicht mehr diskutiert hätten, dass die UEFA hätte entscheiden müssen. Und bei einem Sieg wäre man komplett ruhig gewesen.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Punktedieb hat geschrieben:Aber im Nachgang ist es doch oft so, dass man die getroffene Entscheidung bereut.

Genau deswegen finde ich es eben absolut den falschen Weg die Last darüber auf die Schultern der Spieler zu verteilen. Auch das gehört eben dazu, wenn man Veranstalter ist, dass man die Verantwortung nicht einfach weiter schiebt. Ich finde als UEFA hat man auch eine Verantwortung für alle Spieler, die an der EM teilnehmen und muss dann auch mal Entscheidungen treffen, die vielleicht in dem Moment nicht populär sind. Wobei ich kaum glaube, dass es irgendwen gegeben hätte, der es nicht verstanden hätte, wenn man abgebrochen hätte.

Und warum hätte man zwingend als Alternative am nächsten Mittag hätte spielen müssen. Das Spiel war am 12.6.21 gewesen, das Achtelfinale steigt erst am 26.6.21. Da wären 14 Tage Zeit gewesen um da irgendwie die 3 Spiele der Dänen durchzubringen. Und wenn man das will, dann hätte man auch sagen können man lässt die Dänen das Spiel nach dem 3. Spieltag austragen und schiebt ein mögliches Achtelfinale ein oder zwei Tage nach hinten. Ich meine wir spielen die EM in halb Europa. Da gibt es so viele Stadien wo man zur Not bei fehlender offizieller Spielstätte hätte das Spiel im Zweifel auch ohne Zuschauer hätte austragen können. Wer sagt, es gab keine Alternative zu den beiden Termine, der hat nur keine Lust, sich da etwas zu überlegen.

Die Frage, die man sich aber schon stellen muss und da muss man eben auch den dänischen Verband und auch die Spieler samt Trainer dann mit in die Verantwortung nehmen, ob es zwingend sein muss, dass wenn es so schlimm war (und das denke ich auf jeden Fall), warum man dann zum nächsten Spiel regulär antritt. Sicherlich auch dem am Ende glücklichen Verlauf bei Eriksen geschuldet, aber irgendwie wirft auch das etwas Fragen auf, warum man sich über die UEFA aufregt, aber selber eigentlich auch genauso weiter macht wie vorher.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Ich habe mir dieses Drama bei YouTube angesehen und das komplette Szenario mit sehen dürfen. Ich wollte dies auch tatsächlich sehr bewusst tun, weil es mir darum ging, die Situation besser beurteilen zu können. Als Außenstehender ist das sicherlich nicht leicht, aber wer mal genauer schaut wie viel Angst in den Gesichtern der Spieler zu sehen war, wie viele Tränen in den Augen hatten und nicht mehr klar kamen, der sollte überdenken, ob man der Meinung ist, dort weiterzuspielen.

Eine weitere Situation war, dass während des Zusammenbruchs die langjährige Freundin und Mutter der gemeinsamen Kinder von Eriksen runter rannte, weil sie schon aufgrund des Gesehenen annahm, dass ihr Mann tot sei. Daraufhin sind Schmeichel und der Kapitän auf sie zu gerannt, haben sie getröstet in ihrer eigenen Sorge und sie beruhigt sowie davon abgehalten, zu ihrem Mann zu gelangen. Das erweist schon wirklich viel Charakter in dieser Situation noch an andere zu denken.

Dann, so hat man von den Dänen mittlerweile erfahren, hat die UEFA eher Druck ausgeübt und einiges zu verstehen gegeben, sodass sich die Spieler eher genötigt fühlten, weiter zu spielen. Stattdessen hat man dann schnell Eriksen per Video eingespielt, damit die Spieler wenigstens ein wenig beruhigter sind und doch ist es so, dass im Nachhinein die Spieler zugeben, nicht gerne weitergespielt zu haben.

Ich hätte das Spiel sehr gerne abgebrochen gesehen. Es ist nicht der erste Spieler, der sogar auf dem Platz zusammen gebrochen ist. Da gab es in der Vergangenheit einige und einige sind gestorben. Trotzdem geht es mir da um ein respektvolles Prinzip und das hätte man einfach beenden müssen sowie an einem anderen Tag, auch wenn der Spielplan engmaschig ist, spielen lassen.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



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