Einmal Opfer immer Opfer? Meint ihr das trifft zu?
Es gibt Menschen, die werden immer wieder zum Opfer, dann kommt schnell mal der Spruch den ich im Titel genannt habe. Macht man es sich damit nicht zu leicht? Ich finde durchaus das ein Mensch an seinen Erfahrungen wachsen kann und auch an Selbstbewusstsein dazu gewinnen kann. Ich selber habe mich auch sehr verändert. Ich würde das also nicht so sehen und finde es kommt auch immer auf die Umstände an. Nicht in jeder Situation handelt man gleich, nicht in jedem Umfeld trifft man dieselben Entscheidungen. Wie seht ihr das?
Ich verstehe die Frage nicht. Es gibt unzählige Schicksalsschläge, die Menschen in jedem Alter treffen können, und bei weitem nicht jeder erhält die Hilfe und Unterstützung, die nötig sind, um sie halbwegs gut zu überwinden und zu akzeptieren. Zynische Sprüche der Umwelt wie der im Titel erwähnte tragen sicher auch dazu bei.
Aber soll ich jetzt mit dem Finger auf jemanden zeigen, der - was weiß ich - den übelsten sexuellen Missbrauch in seiner Kindheit oder den traumatischen Verkehrsunfall oder die Beinamputation wegen Knochenkrebs nicht mit einem Lächeln weggesteckt hat und im Lokalblättchen als "Vorbild für Lebensmut" gefeiert wird?
Ich weiß schon, dass Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nicht top leistungsfähig und immer motiviert und gut drauf sind und dabei vielleicht sogar nicht mal gut aussehen, gesellschaftlich keine Gnade oder gar Hilfe zu erwarten haben, aber gutheißen muss ich es ja nicht.
Oder geht es hier um die berühmte "Opferrrolle" im Sinne von: "Keiner hilft mir im Haushalt!" (Mutter, wenn du die Spülmaschine nicht immer ausräumen und neu arrangieren würdest, wenn ich sie eingeräumt habe, und die Fenster "nachputzen", wäre ich auch williger!) oder "Immer muss ich den Kaffee kochen!" (Liebe Kollegin, du kaufst auch drei Sorten Kaffeeweißer aus deiner eigenen Tasche, damit die Chefetage immer gut versorgt ist. Wie man sie sich zieht, so hat man sie.)? Da höre ich einfach weg. Manche Leute gefallen sich in der Märtyrerrolle so gut, die reagieren entsetzt, wenn man vorschlägt, sich doch nicht immer sinnlos aufzuopfern.
Es kommt darauf an, von was man Opfer wird. Ich bin zum Beispiel immer wieder Opfer von Fahrraddieben geworden, weil ich leichtsinnig bin und mein Fahrrad nicht immer in den Fahrradkeller gebracht habe. Dieser Leichtsinn, man kann es in gewissen Fällen auch Faulheit nennen, ist eine unschöne Charaktereigenschaft von mir. So ist mir auch schon einmal mein Portemonnaie gestohlen worden, weil ich es für jeden sichtbar in der hinteren Hosentasche getragen habe.
Es gibt angeblich Frauen, die sich immer wieder gewalttätige Partner aussuchen. Wenn sie sich der Gründe dafür nicht bewusst werden, bleiben sie wahrscheinlich immer Opfer von häuslicher Gewalt. Wenn man zu vertrauensselig und hilfsbereit ist, was ja eigentlich gute Eigenschaften sind, wird man leicht und vielleicht immer wieder Opfer von Enkeltrickbetrügern, Heiratsschwindlern oder falschen Polizisten.
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