Wie die Schließung von Corona-Impfzentren bewerten?
Wenn ich es richtig mitbekommen habe, dann sollen Ende September die gerade erst errichteten Corona-Impfzentren wieder geschlossen werden. Da könnte man doch glatt meinen, alles prima und Corona scheint dann auch so langsam beendet zu sein. Wie bewertet ihr denn die angedachten Schließungen? Positiv und voller Zuversicht oder mit einer gewissen Skepsis?
Mal ganz ehrlich, ich kann das nicht nachvollziehen. Meiner Meinung nach hätte man mit mehr Impfstoff da komplett rund um die Uhr impfen sollen und dann wäre das okay gewesen, es gibt aber so viele Leute die einfach keine Impfung bekommen und da ist denen dann auch nicht geholfen, wenn man ihnen diese Möglichkeit nimmt. Irgendwann frustriert das nämlich auch, wenn man dann Lockerungen für Geimpfte hat man selber aber nicht dran kommt. Nicht jeder Hausarzt hat ja auch nur ein paar Leute, die zu ihm kommen. In der Regel sind das nicht wenig Leute und wenn die alle geimpft werden wollen und man das nebenbei noch organisieren muss, dann ist das ja wohl der Hammer, wenn man die nun noch mehr belasten will.
Man geht davon aus, dass man dann bei Hausarzt weniger Stress hat, weil man Menschen geimpft hat, aber wenn man mal in die Impfzentren sieht, dann wird teilweise immer noch Gruppe 2 geimpft. Da sieht man mal, was man da eigentlich auf den Nacken der Hausärzte austrägt, wenn man nicht mal ganz klar viel mehr Menschen dort impfen kann. Das liegt ja auch an den wenigen Impfdosen, die man auch da bekommt. Das geht einfach mal gar nicht.
Ich habe zum Beispiel meine Impfung nur bekommen, weil ich an einer Sonderimpfung teilgenommen habe mit einem eher wenig beliebten Impfstoff, was für mich auch mehr Gefahren birgt, als ein anderer Impfstoff. Dafür stand ich ungelogen 3 Stunden in der Schlange, habe gewartet und da waren neben mir auch sehr viele aus der Gruppe 2 und 3. Das geht einfach mal gar nicht und da waren so viele Leute so verzweifelt, ich ja auch. Es ist nicht so, dass ich das auf anderen Wegen nicht versucht habe. Ich habe mich bei jedem Arzt angemeldet, der für mich zuständig ist, aber das sind eben auch keine unbeliebten Ärzte in einer Stadt, da hat man mir keine Hoffnungen gemacht. Das ist aber was, was man denke ich auch nicht so schnell in den Griff bekommt.
Ich bin der Meinung, man muss Entlastung schaffen für die Ärzte und nicht immer mehr und mehr auf deren Schultern packen. Das ist eine Berufsgruppe, die während Corona extrem belastet war und ohne die das nicht stemmbar gewesen wäre. Da sollte man vielleicht auch etwas Respekt zeigen und die Impfzentren so lange offen lassen wie es gebraucht wird.
Es dauert nicht mehr lange, bis alle, die wollen, durchgeimpft sind. Heute, Stand 14.6. sind es knapp 48 Prozent der ganzen Bevölkerung, die ihre Erstimpfung erhalten haben. Das sind zwei Drittel der impfwilligen und impffähigen Menschen. Da braucht man nicht mehr so viele Testzentren.
Ich vermute, dass die Impfungen regional sehr unterschiedlich laufen. Vielleicht hängt das auch mit der Altersstruktur zusammen. Mein Bruder hat eine Hausarztpraxis in NRW und hat manchmal noch Impfstoff übrig, um seine Verwandtschaft und die Verwandten seiner Mitarbeiter zu impfen. Seine Patienten aus den Prio-Gruppen sind alle durch. In Bremen sind schon, Stand 14.6., 53,5 Prozent und im Saarland 51,8 Prozent erstgeimpft.
Es dauert nicht mehr lange, bis man keine Tests mehr braucht, auch weil die Inzidenz so niedrig ist. Natürlich darf keine Mutante kommen, gegen die die Impfung nichts nützt. Aber jetzt weiß man ja, wie es geht, Impfzentren schnell aufzubauen und vor allen Dingen, dass es nötig ist, sie einigermaßen zu kontrollieren.
Bis September werden doch die meisten Impfwilligen geimpft sein. Der Bedarf nach Impfungen wird also deutlich sinken und die Hausärzte werden dann in der Lage sein diesen Bedarf zu decken. Für was braucht man dann noch die Impfzentren? Die sind deutlich teurer und für viele Menschen auch deutlich schwieriger zu erreichen als der Hausarzt.
Außerdem sind die Impfzentren ja nicht "errichtet" worden. Bei uns sind die in Gebäuden untergebracht, die eigentlich ganz anderen Zwecken dienen. Das funktioniert im Moment gut. Da keine Messen stattfinden kann man natürlich in den Messehallen impfen und die Betreiber der Messe sind froh, dass sie nicht komplett ohne Einnahmen dastehen. Aber das wird ja nicht ewig so bleiben, irgendwann werden die Hallen auch wieder für ihren eigentlichen Zweck benötigt werden.
Ich sehe das auch nicht als "Corona ist beendet" sondern als Zeichen dafür, dass die Impfkampagne zu Ende geht und diese Impfung künftig wie alle anderen Impfungen auch einfach "normal" wird.
Ramones hat geschrieben:Man geht davon aus, dass man dann bei Hausarzt weniger Stress hat, weil man Menschen geimpft hat, aber wenn man mal in die Impfzentren sieht, dann wird teilweise immer noch Gruppe 2 geimpft. Da sieht man mal, was man da eigentlich auf den Nacken der Hausärzte austrägt, wenn man nicht mal ganz klar viel mehr Menschen dort impfen kann. Das liegt ja auch an den wenigen Impfdosen, die man auch da bekommt. Das geht einfach mal gar nicht.
Vielleicht sollten wir neben der Panik wieder etwas mehr Sachlichkeit hier rein bringen. Natürlich bin ich bei deinem ersten Absatz völlig bei dir. Mir wäre es auch am liebsten gewesen, die Impfzentren würden seit Januar oder Februar rund um die Uhr impfen. Aber womit sollen sie das denn machen, wenn es dafür nicht genug Impfstoff gab und wahrscheinlich immer noch nicht gibt, wenn man es so handhaben würde.
Nun aber zu den Fakten. Zunächst einmal wer darf alles eine Impfung überhaupt bekommen. Derzeit sind das alle Personen ab 12, darunter auf gar keinen Fall, weil kein einziger Impfstoff zugelassen ist. Damit fallen schon mal fast 10 Millionen Menschen in Deutschland weg. Dazu kommen ein paar Risikopatienten und noch ein paar Impfverweiger, sodass wir effektive eh nur 65-70 Millionen Menschen impfen können oder müssen. Das macht bei zwei Impfungen pro Personen (Johnsen & Johnsen ignorieren wir mal, dass man da nur eine braucht) circa 140 Millionen Impfdosen, die man dafür verabreichen muss. Stand gestern waren davon 61,5 Millionen Dosen schon verabreicht.
Nun bleiben also noch 78,5 Millionen Impfdosen über. Selbst wenn jetzt nur noch die Hausärzte impfen würden, dann wären das bei 55.000 Hausärzten knapp 1.400 Impfdosen die jeder Hausärzten setzen müsste. Das wären bis September 140 Impfungen pro Woche. Das klingt jetzt erst einmal viel, aber zum einen gibt es ja noch immer die Impfzentren, die je nach Größe ja durchaus 100 Impfungen pro Stunde schaffen, dann kommen Betriebsärzte dazu und auch einige andere niedergelassen Fachärzte die ebenfalls impfen.
Wenn man das berücksichtig, ist es dann gar nicht mehr soviel. Und auch sollte man nicht vergessen, dass die Impfung ja auch vergütet wird. Zwar "nur" mit 20 Euro pro Impfung in der Praxis. Aber in einer Hausarztpraxis, wo der Hausarzt seine Pappenheimer ja kennt und wo er so einen Ablauf auch gut organisieren kann, schafft man selbst gewissenhaft locker 6-10 Impfungen pro Stunde, wer nicht ganz gewissenhaft ist auch das Doppelte und dann passt das auch finanziell ganz gut.
Also so gesehen, denke ich schon, dass wir ab September nicht mehr die Impfzentren brauchen oder sie zumindest drastisch reduzieren können um dort im Zweifel dann regelmäßig Auffrischungsimpfungen durchführen zu können. Aber wie gesagt dafür kann man ein Großteil des Zentren schließen. Die Auffrischungen sind ja dann nur noch eine Impfung pro Jahr wahrscheinlich und wie bei der Grippeimpfungen werden das deutlich weniger Menschen in Anspruch nehmen als die Erstimpfungen. Und auch die Auffrischungen werden sich ja über das ganze Jahr verteilen.
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