Macht Geld (allein) nicht glücklich?
Als junger Mensch wird einem ja oft auf den Weg gegeben: "Mach eine gute Ausbildung, zahle deine Rechnungen, spare etwas für den Notfall, etc." Ihr kennt ja die Phrasen dann wird meist von denen, die selbst nicht viel haben, mit Verachtung auf Menschen mit viel Geld geschaut und es fallen Sprüche wie: "Geld allein macht auch nicht glücklich" oder "Guck dir diesen Schnösel an, bestimmt mit einem silbernen Löffel im A... geboren"
Liegt es eurer Meinung auch daran, dass viele Menschen einfach zu bequem sind, sich richtig reinzuhauen und finanziell erfolgreich zu werden? Ich habe vor einigen Jahren beschlossen, ich möchte reich werden. Der Weg ist absolut steinig, hart und es gibt so viele missgönnende Menschen und Konkurrenten, da kann man echt an das Aufgeben denken. Aber wenn ich Kinder bekomme, dann sollen sie die bestmögliche schulische, medizinische Freiheit genießen und man sollte die Sachen essen, erleben, Länder bereisen können, die man will. Das Lebensgefühl ist absolut einmalig, wenn Erfolge sichtbar werden und man nicht mit 300 anderen maulenden Leuten aus der Mittelschicht in der S-Bahn sitzt.
Eine gewisse Abgestumpftheit muss man sich auf dem Weg zulegen, sowie ein dickes Fell. Ich spende viel, versuche Reichtum zu generieren, um dann mit wirklich sinnvollen Hilfeleistungen zu unterstützen, anstatt dem faulen Sack in der U-Bahn einen Euro zu geben, der vielleicht einfach auf unsere Bequemlichkeit hofft. Ist dieses Ziel generell verpönt oder habt ihr auch den Wunsch und das innere Verlangen "mehr zu wollen"? In keinster Weise möchte ich abwertend klingen aber sorry, wenn man dauernd negative Seitenhiebe von Mitmenschen bekommt, nur weil man erfolgreich sein will, dann kann man seine Sicht der Dinge auch wiedergeben. Und Respekt vor und für jedermann sollte man an jedem Tag des Lebens zeigen.
Du prangerst Menschen an, die aus deiner Sicht mit Verachtung nach oben schauen zu denen, die sich mehr leisten können. Aber selbst schaust du auch mit Verachtung auf die Menschen, die sich weniger leisten können als du selbst. Sind diese Menschen in deinen Augen weniger wert?
Ich kenne seit meiner Kindheit Menschen, welche mehr oder weniger Geld zur Verfügung hatten als ich selbst. Fast alle davon haben aber dafür gearbeitet und somit sind sie entsprechend gleich wertvoll. Denn nicht jeder Job bringt das gleiche Geld und nicht jeder Mensch hat die Möglichkeit beruflich so aufzusteigen, dass wesentlich mehr Geld dabei verdient werden kann.
Und zu dem Spruch, dass Geld allein auch nicht glücklich macht, kommt ja noch der Nachsatz, dass es aber beruhigt. Klar kann man ruhiger leben, wenn man weiß, dass zu bezahlende Rechnungen kein Problem darstellen. Aber ob diese Menschen wirklich immer glücklicher sind, wage ich zu bezweifeln.
Dein Zitat: "Du prangerst Menschen an, die aus deiner Sicht mit Verachtung nach oben schauen zu denen, die sich mehr leisten können. Aber selbst schaust du auch mit Verachtung auf die Menschen, die sich weniger leisten können als du selbst. Sind diese Menschen in deinen Augen weniger wert?"
Ich denke, das kommt so rüber, weil ich selbst lange Zeit wenig Geld hatte und von diesem Zustand weg wollte. Von daher ist es wahrscheinlich eine automatische Abneigung von meinem alten "ich". Das hat aber mit anprangern wenig zu tun, vielleicht habe ich mich da nicht gut ausgedrückt.
Ich helfe ja Menschen, denen es schlecht geht und die für ihre Situation nichts können. Aber auch Menschen in wenig bezahlten Berufsgruppen können durch Eigeninitiative viel mehr erreichen, trauen sich aber nicht. Aber ich kenne diese Antworten schon zur Genüge, von daher verstehe ich auch deine Sicht.
Für mich ist es tatsächlich nicht besonders wichtig als "finanziell erfolgreich" zu gelten. Ich habe die gut bezahlte Konzernkarriere mit Aufstiegschancen und Sonderleistungen und den ganzen feuchten Träumen der bürgerlichen "meine Kinder sollen es mal besser haben ..." Schicht ausprobiert und hatte überhaupt keinen Spaß dabei.
Ich habe lieber ein bisschen weniger auf dem Konto und einen Arbeitgeber, mit dem man nicht angeben kann, aber dafür habe ich (fast) jeden Tag Lust auf meine Arbeit und kann mich mit dem Endprodukt voll identifizieren.
Und um zu der ausgelutschten Frage zu kommen ob Geld glücklich macht - im Prinzip schon, aber das lässt sich nicht beliebig steigern. Sprich, ich war glücklich als ich mir mein erstes eigenes Auto leisten konnte, ich war auch glücklich als ich mir den ersten selber konfigurierten Neuwagen leisten konnte. Aber ich wäre mit zwei Autos nicht doppelt so glücklich. Dieses Phänomen ist ja sehr gut untersucht.
Aber auch Menschen in wenig bezahlten Berufsgruppen können durch Eigeninitiative viel mehr erreichen, trauen sich aber nicht.
Wie schön, dass die alleinerziehende Mutter, die tagsüber bei Aldi an der Kasse sitzt und Abends noch einen Putzjob hat damit sich die Kinder ab und zu etwas außer der Reihe leisten können, sich nur trauen und mehr Eigeninitiative zeigen muss. Aber die Frage ist halt dann - wer macht dann die Kassenjobs und wer putzt dir dein schickes Büro wenn alle mit Eigeninitiativen beschäftigt sind?
Ich kann mir unter "reich sein" gar nicht so viel vorstellen. Mit meinem Charakter, meinen Talenten und meinen Präferenzen wird man nicht "reich", aber das ist schon ganz ok so. Für "bescheidenen Wohlstand" reicht es glücklicherweise, und mehr brauche ich nicht zu meinem Glück, zumindest was Geld angeht.
Ich finde es auch immer reichlich anstrengend, wenn Leute von sich auf andere schließen und glauben, nur weil sie "reich" sein wollen (oder Kinder kriegen, oder teure Designerdrogen einwerfen oder ihren eigenen Dinkel anbauen oder was auch immer) wollen alle anderen Leute das auch und sind nur zu blöd oder zu faul, um sich zu engagieren. Dabei können sie doch froh sein, wenn nicht jeder "viel" Geld braucht, um glücklich zu sein - bleibt mehr für sie übrig bei weniger Konkurrenz.
Ebenso wenig glaube ich an das neoliberale Märchen des Spätkapitalismus, dass es "jeder" schaffen und reich werden kann und auch die Leute, die mit prekären und Niedriglohnjobs den Laden am Laufen halten zu blöd oder zu faul sind. Der Hauptunterschied liegt meistens in der Herkunft: Wenn dir Mama und Papa Abitur, Studium, Haus und Auto kaufen können, sind die Voraussetzungen schon mal ganz andere als bei den "Dummen" und Faulen, die sich jeden Cent hart erarbeiten müssen.
@Blatt039Gold!: Dir ist aber schon bewusst, dass nicht jeder Mensch für Aufstieg und Karriere geschaffen ist und auch nicht jeder Job sich dafür eignet. Ein Beispiel hat Cloudy ja schon genannt. Denn eine Kassiererin die aufsteigen will, wird das nicht mehr unbedingt mit den Kindern vereinbaren können. Oder es fehlt schlichtweg an den Aufstiegschancen, da alle höheren Positionen besetzt sind.
Und dann gibt es auch Menschen, die mit ihrem Job einfach nur glücklich sind, weil es ihnen Spaß macht. Auch diese Menschen streben nicht nach Karriere, wo sie vielleicht sogar mehr Geld verdienen würden. Ein Mensch ist nämlich insgesamt viel verträglicher, wenn er mit sich und seinem täglichen Leben einfach nur zufrieden und glücklich ist.
Ich habe schon ziemlich viele unterschiedliche Phasen in meinem Leben mitgemacht. Geld spielt eine sehr große Rolle, wenn man zu wenig davon hat und am Ende des Monats nur noch Brot mit Margarine essen kann oder wenn man Schulden hat und dann die Waschmaschine kaputt geht. Aber die Zeiten, in denen ich viel Geld hatte, waren nicht unbedingt die glücklichsten, weil mir meine Arbeit keinen Spaß gemacht hat. Eine Projektleitung habe ich trotz noch besserer Bezahlung ausgeschlagen, sondern im Gegenteil meine Arbeitszeit reduziert.
Es ist auch nicht so, dass jeder reich werden kann. Wenn der Mann zum Beispiel stirbt und einem vier Kinder hinterlässt, ist da keine Zeit und Energie übrig, um an seiner Karriere zu basteln, selbst wenn man eine gute Ausbildung hat. Oder man kann krank werden und dadurch seinen Arbeitsplatz verlieren, was einen in eine schwierige finanzielle Situation bringen kann, wenn man keine gute Berufsunfähigkeitsversicherung besitzt. Man kann auch aus heiterem Himmel ohne einen äußeren Anlass eine Depression bekommen. Da ist es auch schwierig, hochmotiviert an seiner Karriere oder einer Weiterbildung zu arbeiten.
Ich würde mich natürlich freuen, im Lotto zu gewinnen. Aber reich zu sein, ist für mich nie ein Lebensziel gewesen, dem ich alles andere unterordne. Wichtiger ist es, dass man mit seinem Beruf einigermaßen zufrieden ist und noch Zeit für andere Aktivitäten, insbesondere soziale hat. Ich bin schon etwas älter und habe gelernt, dass man nie abfällig über andere Leute reden sollte, denn man kann gewisse Dinge gar nicht beurteilen, wenn man nicht selber schon einmal in dieser Situation gewesen ist. Ich gebe nicht jedem Bettler Geld, aber ich sehe auch nicht auf sie herab. Ich weiß ja nicht, wie ihr Leben bis jetzt verlaufen ist und warum sie auf der Straße gelandet sind.
Blatt039Gold! hat geschrieben:Aber wenn ich Kinder bekomme, dann sollen sie die bestmögliche schulische, medizinische Freiheit genießen und man sollte die Sachen essen, erleben, Länder bereisen können, die man will. Das Lebensgefühl ist absolut einmalig, wenn Erfolge sichtbar werden und man nicht mit 300 anderen maulenden Leuten aus der Mittelschicht in der S-Bahn sitzt.
Ganz ehrlich, ich glaube kaum, dass du wirklich mal arm warst und jetzt auf einmal reich bist. Denn wenn es so wäre, würdest du diesen Absatz so nicht schreiben. Ich erkläre dir auch gleich warum ich das denke.
Medizinische Freiheit genießt in Deutschland jedes krankenversicherte Kind und gesetzlich versichert kostet das noch nicht einmal Geld (im Gegensatz zur privaten Versicherung). Und die Zeiten in denen privat versicherte Patienten besser behandelt wurden, sind überwiegend vorbei. Heutzutage sind diese Patienten meistens nur noch Melkkühe, denen man versucht noch die ein oder andere unnütze Leistung mit anzudrehen, weil es ja die Kasse zahlt. Durch ein Ein-Bett-Zimmer im Krankenhaus aber wirst du wohl kaum glücklicher als durch ein Zwei- oder Dreibettzimmer.
Welche schulische Ausbildung ist denn die beste? Sicherlich kann man sich darüber streiten, ob Privatschulen besser sind als staatliche Schulen. Dazu gibt es ja genug Studien und die kommen was die reine schulische Bildung angeht übrigens erstaunlicherweise zu dem Ergebnis, dass es da kaum einen Unterschied gibt. Der Erfolg schulischer Ausbildung richtet sich viel weniger nach der Einrichtung als nach der Herkunft. Wer aus gut gebildeten Verhältnissen kommt schneidet im Schnitt besser ab, als jemand der aus schlecht gebildeten Verhältnissen kommt. Und genau das erklärt warum Privatschulen oft bei Tests besser abschneiden. Sie haben einfach im Vorfeld die vermeidlich bessere Selektion. Die Kinder aus bildungsschwachen Schichten kommen dort kaum vor um den Schnitt nach unten zu ziehen. Das aber spielt für den Einzelnen kaum eine Rolle. Lediglich das drum herum kann natürlich anders sein, also die außerschulischen Aktivitäten. Und deswegen hab ich auch Verständnis dafür, wenn man Kinder zu Privatschulen schickt, zumal sie da eben ganz andere Schwerpunkte legen können. Aber die Ausbildung wird deswegen eben nicht zwangsweise besser.
Wenn ich an das Reisen denke, glaube ich sogar, dass viel Geld da am Ende des Tages eher hinderlich ist. Denn mal ehrlich. Ja ich mache auch gerne mal einen Luxusurlaub und lasse mir den Hintern pudern und das geht mit Geld eben viel einfacher. Aber hast du wirklich die Welt bereist, wenn du in den Luxushotels und -ressorts dieser Welt warst? Hast du da Kultur kennengelernt, bist du da fremden Menschen begegnet? Ich habe auch einige Kollegen, die obwohl sie genug Geld verdienen, einfach auf Backpacking-Tour durch die halbe Welt gegangen sind, auf fremden Couchen geschlafen haben, im Urwald gezeltet haben. Die haben die Welt echt bereist und kennengelernt und das hat weniger Geld gekostet als man glaubt. Da gab es Weltreisen für 10 bis 20.000 Euro für ein ganzes Jahr. Das finde ich jetzt durchaus für sehr viele Menschen, die nicht reich sind, absolut machbar.
Und das weiß man aber eben natürlich nicht, wenn man sich immer nur bei den oberen Zehntausend aufhält. Da denkt man da wahrscheinlich wirklich, dass es das ultimative Glück ist, im Urlaubsressort in Ägypten bloß keinem Bettler über den Weg zu laufen.
Natürlich hilft Geld in sehr vielen Lebensbereichen und bisweilen beruhigt es auch. Aber es macht eben nicht unbedingt glücklicher. Denn zum Einen fällt Geld ja nicht von den Bäumen. Geld muss für die meisten von uns verdient werden. Also müssen viele dafür entweder sich in Verzicht üben oder viel dafür arbeiten. Verzicht macht nicht glücklich und viel Arbeit raubt einem Zeit. Also nicht zwingend eine Win-Win-Situation. Auch gewöhnt man sich schnell ans Geld, die Ausgaben steigen ganz oft und ganz schnell hat man hohe Fixkosten, die es notwendig machen viel Geld zu verdienen und man baut sich inneren Druck auf, den der arme Schlucker nie in seinem Leben haben wird.
Von daher glaube ich jetzt nicht, dass man glücklicher wird, nur weil man viel Geld hat. Aber ich glaube es ist eben ein Irrtum, der uns schon zu lange eingetrichtert wird, dass wir oftmals nach Geld statt nach Glück streben und dabei nur unglücklicher werden.
Blatt039Gold! hat geschrieben:Das Lebensgefühl ist absolut einmalig, wenn Erfolge sichtbar werden und man nicht mit 300 anderen maulenden Leuten aus der Mittelschicht in der S-Bahn sitzt.
Warum muss man dafür vermögend sein? Um dem Generve in der S-Bahn zu entgehen, reicht ´ne 500-€-Karre.
Ich glaube nur Leute ohne Geld ergehen sich in dem Glauben, dass dies der Schlüssel zum Glück wäre. Allerdings kann man alle elementaren Dinge des Lebens, die wirkliches Glück ausmachen, nun mal nicht kaufen. Geld bringt keine Toten zurück. Echte Freunde kann man auch nicht kaufen. Wirkliche Liebe ebenso wenig. Auch hilft es nicht, wenn man eine zerrüttete Familie hat. Und verabschiedet sich die Gesundheit und es wird ein inoperabler Tumor oder sonst eine unheilbare Krankheit bei einem festgestellt, ist der einzige Trost, dass man sich ein tolles Grab leisten kann.
Der Umkehrschluss wäre ja auch, dass reiche Menschen per se alle glücklich sind. Dies ist ja nun wirklich nicht der Fall. Auch solche Leute erkranken an Depressionen, sind einsam, entwickeln Drogen- und Alkoholprobleme oder bringen sich um.
Das heißt nicht, dass Geld etwas Schlechtes wäre. Und grundsätzlich ist es sicher erstrebenswerter, in einer Villa mit Pool und dem Traumauto vor der Tür unglücklich zu sein, als in einer Ein-Zimmer-Bude mit leerem Kühlschrank. Man darf halt nicht zu viel hineininterpretieren. Zweifelsohne ist viel Geld ungemein nützlich und man kann viel Spaß damit haben, ich würde auf den Putz hauen ohne Ende, aber unter gar keinen Umständen ist es meine Definition von Glück. Dafür habe ich zu viel Unglück erlebt, bei dem mir unerschöpfliche Geldmittel kein bisschen geholfen hätten.
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