Sollte die freie Arztwahl in Deutschland abgeschafft werden?

vom 19.03.2018, 06:47 Uhr

In Deutschland ist es ja so, dass man die freie Arztwahl hat. Das ist nicht selbstverständlich, da es im Ausland teilweise so ist, dass man zu dem Arzt oder Facharzt gehen muss, in dessen Einzugsgebiet man lebt.

Was würdet ihr persönlich davon halten, wenn (rein theoretisch) die freie Arztwahl in Deutschland abgeschafft werden würde? Welche Vorteile und Nachteile seht ihr hierbei? Wie wahrscheinlich ist so eine Entwicklung und Entscheidung eurer Ansicht nach und meint ihr, dass das Volk das einfach hinnehmen würde oder würde es zu Protesten und Demonstrationen kommen?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Nein, wieso? Ich habe ganz gerne Rechte und Entscheidungsfreiheiten und nehme diese auch wahr. Wieso sollte ich mein Recht auf freie Arztwahl mutwillig aufgeben, auch wenn ich zugegebenermaßen sowieso den geographisch nächstgelegenen Arzt aufsuche, weil ich a) bequem und b) glücklicherweise nicht schlimm krank bin? Aber wenn ich etwas Dauerhaftes oder Chronisches hätte, oder mir ein Arzt einfach nur unsympathisch wäre, würde ich natürlich von meinem Recht auf freie Arztwahl Gebrauch machen und mir den Mediziner suchen, dem ich auch über den Weg traue und der ein bisschen nett ist.

Wenn wir als Patientinnen und Patienten den "Göttern in Weiß" im Paket zugeteilt würden, könnte ich mir auch vorstellen, dass die Qualität der Behandlung darunter leidet, weil die Leute schließlich kommen müssen, und gerade auf dem Land würden die wenigen verbliebenen Ärzte am Ende noch mehr überfordert, weil sie den ganzen Landkreis mitbetreuen müssen. Ich sehe hier abgesehen von der Verwaltung der Bevölkerung keine Vorteile, und verwaltet werden wir schon genug.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ich finde Freiheiten gut und daher sollte man sich auch nichts wieder wegnehmen lassen, was man mal hatte. Wenn ich allein mal meine Schwiegermutter sehe würde ich mir immer wünschen, dass es weiterhin die freie Arztwahl gibt. Sie war bei einem Arzt, weil sie wegen ihrer Hüfte kaum noch kaufen konnte, aber irgendwie ging es eben noch etwas und deswegen wollte der Arzt nichts machen, sie solle warten. Alternativen zu ihm gab es in dem Krankenhaus keine, da es ein kleines Krankenhaus ist. Sie hat sich dann woanders operieren lassen.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Faktisch ist sie hier im Umkreis mehr oder weniger abgeschafft. So gut wie kein Allgemeinarzt nimmt noch Patienten auf. Man kann hier nicht den Arzt seiner Wahl aussuchen, sondern muss den nehmen, der einen noch nimmt. Hier im Dorf, wo wir grundsätzlich eine ganze Reihe von Allgemeinärzten haben, ist die Wahl auf eine einzige Ärztin beschränkt. Diese ist dann aber auch die mit dem schlechtesten Ruf. Ich habe sie nach meinem Umzug als Ärztin meines Freundes kennengelernt und in dieser Funktion ein paar Mal mit ihr zu tun gehabt, um Rezepte für ihn abzuholen oder ihr Briefe von anderen Ärzten zu bringen.

Als es zum Streit mit ihr kam (Plötzlich wollte sie von den Allergien meines Freundes keine Ahnung mehr haben und verweigerte ihm den lebenswichtigen Epi-Pen!) und wir die Unterlagen meines Freundes abholten, sahen wir, dass sie tatsächlich noch viel schlechter war als ihr Ruf. Es waren ganze 32 Seiten mit halben Berichten. Nirgendwo fand sich ein Bericht darüber, dass oder warum er im Rollstuhl saß! Dabei waren ihr im Lauf der Jahre mehr als zwei Aktenordner voll mit Unterlagen überreicht worden! In den 32 Seiten war übrigens auch der Hinweis auf seine Allergie gegen Wespen!

Und auch bei anderen Ärzten geht es hier schon lange nicht mehr darum, welchen Arzt man haben möchte, sondern darum, welcher Arzt einen überhaupt nimmt! Als mein Freund ein Muttermal hatte, was sich plötzlich stark veränderte, hat er eine Woche alle Hautärzte im Umkreis von 50 km abtelefonieren müssen, bis er einen Arzt gefunden hatte! Fachärzte hier in der Gegend findet man entweder gar nicht oder man bekommt frühestens in neun Monaten einen Termin, manchmal auch noch später.

Faktisch gibt es die freie Arztwahl also schon lange nicht mehr. Insofern darf sich auch keiner Wundern, warum manche theoretisch als "Hausarzt" inzwischen die Notaufnahme angeben müssten!

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Das ist wahrscheinlich ein Vorteil, wenn man in der Großstadt lebt. Hier gibt es Allgemeinärzte an jeder zweiten Straßenecke, und ich habe mehr als genug Auswahl. Was Fachärzte betrifft, gibt es zwar auch das Problem, als Neupatient oft nicht genommen zu werden, aber wenn ich ein wenig im Internet recherchiere, finde ich eigentlich für jede Fachrichtung früher oder später eine Praxis, die mir innerhalb der nächsten Wochen einen Termin anbieten kann. Jedenfalls hat es bei mir bisher immer geklappt, und die von mir bisher benötigen Fachrichtungen waren Kardiologie, Urologie, Orthopädie, HNO-Arzt, Gastroenterologie, Phlebologie, Hautarzt, Neurologie.

Wenn die freie Arztwahl abgeschafft werden würde, würde sich als erstes die Frage stellen, wie die Praxiszuteilung erfolgen sollte. Wenn das Kriterium "nächstgelegene Praxis" herangezogen werden würde, wäre das hier häufig nicht eindeutig, da ich allein in meiner Nähe mehrere Praxen wüsste, die ungefähr gleich weit entfernt sind. Abgesehen davon ist es oft besser, einen Arzt zu wählen, der in der Nähe des Arbeitsplatzes ist, weil ich dann nach der Arbeit dort hin gehen kann.

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» lascar » Beiträge: 4482 » Talkpoints: 792,20 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Warum sollte ich für die Abschaffung sein und was sollte es da überhaupt für Vorteile geben? Das Problem fängt doch schon bei der Definition von "Einzugsgebiet" an. Vielleicht ist es für mich ja gar nicht praktisch den Arzt zu haben, der in meinem Wohnort seine Praxis hat. Vielleicht passt ein Arzt in der Nähe meiner Arbeitsstelle viel besser weil ich da in der Mittagspause mein Rezept abholen kann oder nach Feierabend noch einen Termin machen kann.

Vielleicht könnte man argumentieren, dass es dann keine Probleme mehr mit Terminen geben würde weil man ja einen Arzt zugewiesen bekommen müsste und der könnte dann nicht ablehnen. Aber nicht immer passt es zwischen Arzt und Patient und das muss ja nicht immer am schlechten Arzt liegen. Es gibt auch Patienten, die man keinem Arzt zumuten möchte. Gerade letzte Woche habe ich erlebt wie einer dermaßen gepöbelt hat weil er nicht direkt einen Impftermin bekommen hat.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


SonjaB hat geschrieben:Fachärzte hier in der Gegend findet man entweder gar nicht oder man bekommt frühestens in neun Monaten einen Termin, manchmal auch noch später ...Faktisch gibt es die freie Arztwahl also schon lange nicht mehr. Insofern darf sich auch keiner Wundern, warum manche theoretisch als "Hausarzt" inzwischen die Notaufnahme angeben müssten!

Also so dachte ich auch einmal. Mittlerweile muss ich mich aber zumindest aus meiner Erfahrung entschieden dagegen aussprechen, dass so pauschal zu formulieren. Ich stehe ja sozusagen beruflich auf der anderen Seite und habe nun sowohl in einer Landeshauptstadt arbeiten dürfen als auch mittlerweile in kleinen Krankenhäusern auf dem Land.

Und wenn ich ganz ehrlich bin, geht zumindest in meiner praktischen Erfahrung auf dem Land alles viel, viel schneller und unkomplizierter. Vielleicht mag das auch nur daran liegen, dass ich das Glück hatte in Gegenden zu arbeiten, wo zwischen den meisten Ärzten ein recht guter Draht herrscht. Aber da gibt es unter einander so viele Anrufe, dass da Patienten mal schnell beim Fachkollegen telefonisch vorgestellt werden und dann ruck zuck Termine organisiert werden oder Patienten bei Untersuchungen dazwischen geschoben werden, das hatte ich vorher in meiner "Großstadtkarriere" nicht einmal ansatzweise erlebt.

Natürlich trifft das nicht auf jeden Fall zu. Solche heißen Drähte gibt es dann, wenn es der Arzt gerechtfertigt findet und nicht weil jemand einfach nur keinen Termin irgendwo bekommt für Untersuchungen, die sowieso unnötig wären. Jedenfalls denke ich, dass es nicht automatisch viel besser ist, nur weil man sich in einer Großstadt seinen Arzt aussuchen kann.

Am Ende des Tages ist es doch sowieso so, dass man eh kaum objektiv sagen kann, dass der eine Arzt besser als der andere Arzt ist. Ja natürlich kenne ich auch Kollegen, die sind massiv überengagiert und arbeiten gefühlt 25 Stunden am Tag für ihre Patienten und dann gibt es das Gegenteil, wo mir Patienten in der Notaufnahme dann erzählen, ich sei nach einem Jahr Arztodyssee der erste Arzt, der sie überhaupt mal angefasst hat. Aber wenn man ehrlich ist, weiß man das ja erst hinterher und wenn man dann ehrlich ist, können viele Menschen ohne medizinischen Hintergrund sowieso nicht beurteilen, ob das jetzt gut oder schlecht war, was ein Arzt gemacht hat.

Ich selber bin da auch immer ein wenig hin und her gerissen. Das ganze System krankt ja und solange man immer nur an einer Stellschraube dreht, bringt das ja meist nur noch mehr Ärger und Unmut. Wenn wir jetzt jeden erst zum Hausarzt schicken, dann kriegen die ja auch wieder wahnsinnig viel zu tun, was aufhält. Auf der anderen Seite könnte man damit aber eben auch einen Filter einbauen, der etwas aussortiert, was jetzt wirklich nötig ist und was nicht.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Klehmchen hat geschrieben:...und wenn man dann ehrlich ist, können viele Menschen ohne medizinischen Hintergrund sowieso nicht beurteilen, ob das jetzt gut oder schlecht war, was ein Arzt gemacht hat.

Ich glaube, da irrst Du Dich gewaltig! Es krankt ja schon an den kleinsten Kleinigkeiten, wieso es dann sofort in die falsche Richtung geht! Wenn ich mit einer dicken, fetten Grippe, wo ich mich vor Fieber kaum auf den Beinen halten kann, von der Ärztin nur zu hören bekomme, dass ich abnehmen soll und dann auch keine Grippe mehr hätte, weswegen sie mir auch keinen gelben Schein für den Arbeitgeber geben wollte, dann kann ich das sehr wohl als "grottenschlecht" beurteilen!

Wenn ich von einem Arzt wegen eines juckenden Ausschlags eine Salbe bekomme, die alles nur viel, viel schlimmer macht, ich die Salbe nach zwei Tagen Martyrium absetze und mehr oder weniger sofort wieder bei ihm vorstellig werde, um ihm zu sagen, was passiert ist, und dann nur angeschrien werde, dass ich seinen Anweisungen Folge zu leisten hätte und die Medikamente, die er mir verschreibt, zu nehmen hätte, dann kann ich das auch als "grottenschlecht" beurteilen! Der Ausschlag war übrigens eine Allergie, wie sich später herausstellte und er hatte mich gegen Schuppenflechte behandelt mit einer Salbe, gegen die ich auch allergisch reagierte!

Und die beschriebene Vernetzung der Ärzte untereinander gibt es hier tatsächlich - aber eben nur bei ein paar Ärzten. Und das sind dann auch die, die keine Patienten mehr aufnehmen. Übrig bleiben nur die launischen Ärzte, mit denen auch kein anderer zusammenarbeiten will. Wenn man da als Patient landet, hat man dann aber auch meist die berühmte A-Karte gezogen und kann sich glücklich schätzen, wenn nichts Schlimmeres passiert, etwa weil Allergien plötzlich nicht mehr bekannt sind und der Epi-Pen verweigert wird!

Und bezüglich der Fachärzte, wo dann der Hausarzt mal kurz wegen eines Termines anruft und alles wie am Schnürchen klappt, kann es auch nur klappen, wenn es denn überhaupt mal einen Facharzt in der Nähe geben würde, der auch mit den anderen zusammenarbeiten will. Als mein Freund den Hautarzt gesucht hat, hätte es einen keine fünf Minuten von uns entfernt gegeben. Aber dieser Hautarzt arbeitet eben auch nicht mit anderen Ärzten zusammen und lässt sich von denen erst recht keine Termine "aufschwatzen".

Insofern: Nach meinen Erfahrungen gibt es schon seit Jahrzehnten keine freie Arztwahl mehr, zumindest nicht für Kassenpatienten. Als solcher darf man froh sein, wenn man überhaupt von einem Arzt genommen wird. Und es hat eigentlich immer seinen Grund weshalb der Arzt noch freie Kapazitäten hat, denn die Patienten (und meist auch die anderen Ärzte) meiden ihn nicht ohne Grund! Auf dem "Land" findet man meist ohnehin eher die schlechten Ärzte, denn dort haben die Patienten nicht so viele Auswahlmöglichkeiten und auch diese Ärzte bekommen so einen Patientenstamm.

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


SonjaB hat geschrieben:Insofern: Nach meinen Erfahrungen gibt es schon seit Jahrzehnten keine freie Arztwahl mehr, zumindest nicht für Kassenpatienten. Als solcher darf man froh sein, wenn man überhaupt von einem Arzt genommen wird. Und es hat eigentlich immer seinen Grund weshalb der Arzt noch freie Kapazitäten hat, denn die Patienten (und meist auch die anderen Ärzte) meiden ihn nicht ohne Grund! Auf dem "Land" findet man meist ohnehin eher die schlechten Ärzte, denn dort haben die Patienten nicht so viele Auswahlmöglichkeiten und auch diese Ärzte bekommen so einen Patientenstamm.

Also das ist jetzt schon ziemlich niveaulos und extrem asozial, wie du hier pauschal über Landärzte urteilst. Ich wäre dir wirklich dankbar, wenn du da noch einmal in dich gehen würdest und mal kurz darüber nachdenkst, wie du hier tausende Ärzte, die du nicht einmal ansatzweise kennst über einen Kamm scherst.

Hast du mal kurz darüber nachgedacht, wie man als Arzt zu einer Praxis kommt? Dass man die nicht einfach mal eben da aufmachen kann, wo man will, sondern an Kassensitze gebunden ist, die von der Kassenärztlichen Vereinigung ausgeschrieben werden? Viele Ärzte landen ganz einfach auf dem Land, weil sie sich in der Stadt nicht mehr niederlassen dürfen. Mit Qualität hat das erst einmal gar nichts zu tun.

Du magst sicherlich nicht gerade an Koryphäen der ärztlichen Zunft geraten sein, ohne Frage. Aber im Großen und Ganzen bestätigst du ja meinen Eindruck. In erster Linie ist das große Problem ja das zwischenmenschliche gewesen, wonach du jetzt beide Ärzte als miserabel bewertest und ja das klingt auch wirklich so. Ob deswegen aber fachlich jetzt was katastrophal ist, steht ja auf einem anderen Blatt. So muss man bei einem grippalen Infekt ja nicht zwangsweise arbeitsunfähig sein. Und auf keinen Fall benötigt jeder Allergiker einen Epi-Pen. Das ist einfach Unfug. Zumal um jetzt mal medizinischen Hintergrund dazu zu bringen, der Epi-Pen alleine bei einer Allergie kaum etwas nutzt, sondern allenfalls etwas Zeit bringt. Aber das würde jetzt zu weit führen.

Jedenfalls hat freie Arztwahl nun wahrlich nichts damit zu tun, dass der Arzt 5 Minuten um die Ecke keine Patienten mehr aufnimmt. Sondern eben auch, dass man zwar vielleicht 30-40 Kilometer zu einem Facharzt fahren muss, dafür zwischen verschiedenen wählen kann. Und diese Wahl gibt es in vielen Fachbereichen ja schon noch. Wie gesagt sicherlich nicht überall und mit Sicherheit sind nicht alle Ärzte gut. Aber ich verwehre mich vehement dagegen pauschal alle so über einen Kamm zu scheren.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


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