Schlechtes Gewissen, weil man Grab der Eltern nie besucht?

vom 17.04.2021, 06:44 Uhr

Mein Vater ist vor 15 Jahren gestorben, meine Mutter schon früher. Seitdem habe ich das Grab nie besucht. Im Unterbewusstsein habe ich wahrscheinlich ein schlechtes Gewissen, weil es mich immer aufregt, wenn mir meine Schwägerin Fotos von dem Grab schickt, wenn sie mal wieder da war. Ich habe dann immer die Ausrede, dass es für mich zu umständlich ist dort hinzufahren.

Der Ort ist maximal weit in Deutschland von meinem jetzigen Wohnort entfernt und ich habe keinerlei Kontakte mehr dorthin und auch keine Verwandten, wo ich übernachten könnte. Außerdem habe ich keine Beziehung dazu, weil ich nur im Alter von zwölf bis siebzehn, als ich ausgezogen war, dort wohnte. Schulfreunde sind in ganz Deutschland und Ausland verteilt. Kein einziger wohnt mehr dort. Außerdem habe ich auch zu diesen keinen Kontakt mehr.

Mein Vater hatte schon vor seinem absehbaren Tod einen Friedhofsgärtner beauftragt, das Grab zu pflegen und dieser macht das anscheinend auch ganz gut. Ich glaube nicht, dass mein Vater Wert darauf gelegt hat, dass wir später sein Grab regelmäßig besuchen. Meine Mutter vielleicht eher. Vielleicht stammt daher auch das schlechte Gewissen im Hinterkopf. Meine Geschwister denken ähnlich wie ich. Nur meine Schwägerin ist da anders sozialisiert und meint, dass man die Gräber von Verwandten doch ab und zu mal besuchen sollte.

Besucht ihr das Grab eurer Verwandten öfters mal? Hättet ihr ein schlechtes Gewissen, wenn ihr das nicht tätet? Pflegt ihr das Grab eurer Eltern oder Großeltern regelmäßig, weil ihr das Gefühl habt, dass es derjenige nach seinem Tod irgendwie merkt und enttäuscht ist, wenn ihr ihn so ganz vergesst?

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Mod am 17.04.2021, 12:22, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen


Mein Papa ist vor fast neuen Jahren gestorben. Er hat auch in meiner Heimatstadt ein Grab, ebenso wie meine Patentante, mein Opa, meine Oma und meine Uroma. Alle diese Person habe ich persönlich gekannt und sie sind mir alle sehr nahstehend gewesen. Und trotzdem ist das Grab für mich nicht der Ort an dem sie mir jetzt nahe sind.

Ich habe die Einstellung, dass ich diese Menschen in meinem Herzen und meinen Gedanken habe und ihnen nahe sein kann wenn ich mich an sie erinnere, alte Fotos und Videos ansehe und eben schöne Gedanken an die Vergangenheit habe.

Viele Jahre hatte ich kein Auto und bin deshalb auch nur sehr selten und schwer in meine Heimatstadt gekommen. Da stellte mir sich die Frage also gar nicht, ob ich ein schlechtes Gewissen haben sollte nicht am Grab zu stehen. Wenn ich vom neuen Partner meiner Mutter dann z.B. Fotos bekommen habe, dann hab ich mich darüber gefreut, hatte aber nie einen faden Beigeschmack dabei, dass ich eigentlich auch selbst mal vorbeischauen müsste. Jetzt habe ich seit fast einem Jahr wieder ein Auto, war aber ehrlich gesagt trotzdem noch nicht am Grab. Ein schlechtes Gewissen hab ich trotzdem nicht, in Gedanken ist mein Papa trotzdem oft bei mir.

Die Verwandten meines Partners lassen sich bisher alle in der Nordsee bestatten, sprich es gibt kein wirkliches Grab. Der Ort kann zwar auch im Nachhinein mit einer Fähre weiterhin besucht werden, aber es gibt halt kein Grab das gepflegt werden muss. Diese Art der Bestattung finde ich sehr schön und würde ich mir für mich selbst auch wünschen.

» EngelmitHerz » Beiträge: 3943 » Talkpoints: 17,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Bei mir weiß eigentlich jeder, dass ich nicht auf den Friedhof gehe, wenn nicht gerade eine Beerdigung ansteht und selbst diese Beerdigungen würde ich mir nicht unbedingt antun. Ich bin da einfach nicht der Mensch, der das für sich braucht und mal ganz ehrlich, die körperlichen Reste einer Person werden wohl auch nicht nachsehen können, wer da vor dem Grab stand und wer nicht. Ich denke also, dass man das rein mit sich ausmachen muss.

Meine Großeltern und auch meine Ur Oma, die mir sehr am Herz lagen, wurden von mir noch nie besucht auf dem Friedhof. Ich habe ihnen im Leben gezeigt, dass sie für mich wertvoll sind und ich sie liebe und nun sehe ich da keinen Grund, warum ich das Grab besuchen sollte. Ich denke oft an die Personen und sie sind daher nicht vergessen, aber ein Besuch auf dem Friedhof halte ich für unnötig, weil ich das aber auch nicht für meine Trauerbewältigung brauche.

Es gibt ja aber auch ganz andere Menschen und für die ist so ein Besuch wichtig, die kümmern sich dann auch gerne um das Grab und so weiter. Deswegen ist das aber kein besserer Mensch, sondern einfach ein Mensch, der das für sich braucht. Ich denke daher nicht, dass du ein schlechtes Gewissen haben musst, ich habe es auch nicht.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Um eines von Beginn an vorweg zu nehmen, ich gehe jetzt aktuell nicht einmal mehr auf Beerdigungen. Normalerweise habe ich es immer so gehalten, dass ich auf die Beerdigungen gegangen bin und das habe ich jetzt unterlassen. Im Übrigen nicht wegen Corona, sondern weil ich es einfach nicht mehr kann!

Dieses Jahr ist gerade einmal Mai und im Januar sowie Februar sind zwei Menschen in meinem engeren Kreis verstorben. Beide auf heftige und wirklich schlimme Weise, also nicht wie man es sich wünscht, einfach einzuschlafen. Die eine hat halluziniert, wurde ins Krankenhaus eingeliefert und starb aufgrund ihrer Krebserkrankung.

Die andere Person hatte einen derart schweren Schlaganfall, fiel vom Stuhl und hat derart schwere Hirnschäden gehabt und als Krönung waren Verwandte vor Ort, dass ist mir alles aktuell zu viel. Die Beerdigung mit den weinenden Menschen und alles, das pack ich einfach nicht.

Das heißt also, dass ich mich jetzt sogar den Beerdigungen entsprechend entziehe und ich sehe ohnehin als mein gutes Recht an, dies für mich frei zu entscheiden. Nur weil es für viele ungeschriebene Gesetze sind, als Verwandte & Co da aufzutauchen, ist es für mich eine Sache meiner Entscheidung und meiner Psyche.

Und ans Grab gehe ich per se nicht. Ich mag diese Trauerstimmung einfach nicht. Ich kann das einfach nicht und mochte das nie. Es ist natürlich bedrückend. Vor mir muss sich auch niemals jemand rechtfertigen, wieso er/sie nicht ans Grab geht etc.

Jeder darf dies aus freien Stücken entscheiden. Wenn die Entfernung teilweise auch eine Rolle spielt, verstehe ich das aber auch. Gleichzeitig habe ich jegliches Verständnis dafür, wenn man es aus emotionalen Gründen einfach vermeiden möchte. Der Tod ist eben ein persönliches und emotionales Ereignis, womit jeder anders umgehen lernt und umgeht.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



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