Vorgeben jemanden zu lieben, aber nichts von ihm wissen?
Kürzlich meinte eine Bekannte von mir, dass sie sich in eines ihrer Online-Dates verliebt habe. Sie könne es sich selbst nicht so richtig erklären, aber jetzt sei es nun einmal geschehen und die Gefühle sind da.
Allerdings ist die Zeitspanne, in der sie sich verliebt hat, mit circa 6 Monaten ja auch nicht sonderlich lang, um behaupten zu können, dass man sich kennt. Umgekehrt behauptet der Herr offenbar auch, dass er Gefühle habe.
Aus reinem Interesse habe ich mich allerdings unbeliebt gemacht, weil ich dem Ganzen gegenüber auch skeptisch gegenüber stehe. Ich fragte nach Dingen wie Lieblingsfarbe, ehemalige Beziehungen und alltägliche Dinge, die man von einem Menschen eben weiß, aber sie nicht.
Natürlich war sie etwas erbost darüber, dass ich sie so etwas fragte, weil sie keine Antwort auf diese Fragen hatte. Für sie war nur wichtig, mir sagen zu können, dass sie Gefühle hat, die erwidert werden und der Rest würde sich schon irgendwie ergeben.
Doch kann man wirklich vorgeben, jemanden zu lieben, wenn man eigentlich überhaupt keine Ahnung hat, mit wem man es zu tun hat? Obwohl man eben nicht weiß, wer er/sie ist, was er/sie mag usw.? Ist das also wirklich den Begriff „Liebe“ wert oder ist hier wohl eher die Rede von einer naiven Verliebtheit, wie seht Ihr das?
Das hört sich nicht gut an. Ich habe neulich erst wieder eine Doku über Liebesbetrüger, die modernen Heiratsschwindler, im Internet gesehen. Wenn deine Freundin Fotos von der Person hat, sollte sie einmal eine Bildersuche rückwärts machen. Oft werden Fotos von Personen genommen, die gar nichts davon wissen, dass sie für solche Zwecke missbraucht werden. Wenn sie ihn nach sechs Monaten noch nicht in live gesehen hat, vermute ich, dass er im Ausland ist. Wenn er in Deutschland wohnt, sollte doch mal ein Treffen möglich gewesen sein.
Diese Betrüger agieren psychologisch sehr geschickt. Selbst intelligente, mitten im Leben stehende Frauen fallen darauf herein. Spätestens wenn er mit der Story kommt, dass er aus irgendwelchen Gründen Geld braucht, sollten alle Alarmglocken schrillen. Das können durchaus nachvollziehbare Gründe sein. Diese Leute sind so manipulativ, dass man ihnen alles glaubt.
Mein Mann hat nun auch keine Lieblingsfarbe und wir sind schon länger zusammen. Spaß beiseite, ich weiß natürlich was du meinst und kann das auch nicht so richtig verstehen, wie man da von Liebe sprechen kann. Allerdings glaube ich auch an Liebe auf den ersten Blick und habe das auch selber schon erlebt. Wenn es dich erwischt, dann erwischt es dich. Ob das Ganze dann nun Bestand hat oder nicht, zeigt sich ja dann. Dennoch finde ich auch, dass man versuchen muss, etwas voneinander zu erfahren.
Verlieben kann man sich doch schnell in jemanden. Da reicht es, zu wissen wie derjenige aussieht und ein paar nette Moment gehabt zu haben oder einen. Also ich kenne es auch, dass ich mich in Online-Bekanntschaften verliebt habe, obwohl ich beispielsweise nicht wusste, was deren Lieblingsfarbe ist. Ist doch auch nicht so wichtig die Lieblingsfarbe oder?
Das, was ich unterscheiden würde, ist Liebe in dem Sinne, dass man jemanden gut kennt und die Person als Ganzes liebt. Aber verlieben, im Sinne sich in jemanden zu verschießen, das geht schnell und da braucht es auch kein langes Kennenlernen.
Woher kommt eigentlich immer dieser Anspruch, dass ausgerechnet die Kenntnis oder Nichtkenntnis über die Lieblingsfarbe einer Person irgendetwas über das Verhältnis zweier Menschen aussagt? Erst kürzlich habe ich genau diesen Vorwurf in einer Fernsehshow gehört, wo die Schwester des Mannes der neuen Freundin genau das an den Kopf warf. Meiner Erfahrung nach sagen bei dieser Frage sowieso 90 Prozent der Männer Schwarz oder Blau. Und auch andere abzufragende Fakten, die hier genannt wurden, sind vielleicht für manche Menschen nicht so wichtig. Man weiß ja nicht, was die beiden reden.
Und nach einem halben Jahr von Verliebtheit zu sprechen, finde ich nicht ungewöhnlich. Manche bilden sich beim zweiten Treffen ein, die andere Person zu lieben, das finde ich schon viel besorgniserregender. Aber hier war ja erstmal nur die Frage nach Verliebtheit. Und wenn man sechs Monate mit einem anderen Menschen regelmäßig kommuniziert, vielleicht sogar via Facetime oder anderen Videochats, stundenlang schreibt und telefoniert, kann man schon ein ganz gutes Bild des anderen bekommen.
Ich hatte mich online auch mal so richtig abgrundtief verliebt, das war gar nicht auf einer Datingplattform, sondern noch ganz altmodisch über Foren, Chats und neutrale, nicht von Liebesthemen abhängige Gebiete. Ohne die Person je gesehen oder auch nur telefoniert zu haben, fand ich ihn toll und faszinierend. Es wurde sogar eine Beziehung über ein Jahr lang im echten Leben daraus, also möglich ist das schon. Wann aus Verliebtheit Liebe wird, weiß ich sowieso nicht, mir sind die Grenzen zu verschwimmend und anmaßend, um sagen zu können, ab wann etwas wahr oder nur Illusion ist. Wer weiß all diese Dinge schon mit Sicherheit?
Dass die Bekannte unwirsch reagiert hat, kann ich verstehen, hier werden ihr ihre Gefühle und ihr gesunder Menschenverstand ja komplett abgesprochen. Darauf reagiert niemand positiv. Ich glaube nicht, dass es darum ging, dass ihr peinliche Wissenslücken auch wirklich peinlich waren, sondern eher um den Subtext, der unter diesen Vorwürfen und Befragungen steht.
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