Was ist Freiheit und wann fühlt ihr euch derer beraubt?
Freiheit ist ein großer Begriff, der ziemlich viele Lebensbereiche umfasst. So kann man jederzeit frei entscheiden, was man machen will, überall hingehen, seinen Beruf frei wählen und so weiter. Nun sehen viele Menschen momentan ihre Freiheit beschränkt und sicherlich ist das auch so, wenn man zu Hause bleiben soll und nicht mehr alles machen kann, was man vor Corona gemacht hat. Wie definiert ihr für euch Freiheit und fühlt ihr euch aktuell der Freiheit beraubt oder wann würdet ihr euch eurer Freiheit beraubt fühlen?
Für mich gibt es in erster Linie 2 Varianten, wie ich meiner Freiheit beraubt werden kann. Zum einen die räumliche, und zum anderen die emotionale Variante. Die räumliche scheint ziemlich klar zu sein, eingesperrt werden und dann nicht mehr raus dürfen, klingt da erstmal ziemlich logisch. Aber es kann eben auch trotz der Möglichkeit sich frei bewegen zu können einen so vorkommen, als sei man eingesperrt. Wenn man nicht grade im Knast sitzt, wo man ganz klar der Freiheit sehr enge und stabile Grenzen setzt, würde ich eher davon reden, dass man nicht seiner Freiheit beraubt wird, sondern dass sie eher eingeengt wird.
Alles was das eigene Leben angeht, hat mehr oder weniger selbst in der Hand. Jobs, Freunde, Wohnung, das sind alles Dinge, die mehr oder weniger selbst steuern kann, sind aber auch alles Dinge, die die Freiheit doch sehr einschränken können. Da ich selbst nicht mein Dasein in einem Gefängnis verbringe, und ich auch mit Jobs und Wohnung, aber auch mit Freunden recht viel Glück hatte, ist für mich eher das Gefühl eingesperrt, oder meiner Freiheit beraubt zu werden in einer Beziehung zu suchen. Denn ich finde es gibt nichts schlimmeres, als wenn man sich in einer Beziehung verbiegen muss, oder sich anpassen muss, aber vielleicht auch seiner Freiheit beraubt wird. Wenn man sich nicht mehr entfalten kann und das Gefühl hat, nur noch für andere zu leben, dann ist das für mich schon eine Art emotionaler Knast. Ich habe lange gebraucht um das zu verstehen und habe jetzt glücklicherweise eine Partnerin, die mich so nimmt wie ich bin. Und das ist für mich die pure Freiheit.
Ich denke auch, dass Freiheit in einer Beziehung anfängt. Bekommt man diese dort schon nicht, sucht man sich diese in anderen Bereichen. Es kann sein, dass dann auch auch ausreichend ist, aber ich denke auch, dass es dann schon eine gewisse Einschränkung mit sich bringt.
Was die derzeitige Situation mit der Pandemie angeht, sollte man doch immer ehrlich zu sich sein, und da sage ich ganz klar, dass ich mich meiner Freiheit ein Stückweit beraubt fühle, eingeschränkt in dem was ich tun kann. Was mir am meisten fehlt ist der Sport, Teamsport und das kann man nicht mit eine Runde Joggen oder Biken ausgleichen. Es funktioniert vielleicht bis zu einem bestimmten Punkt, aber es ist eben nicht dasselbe. Wahrscheinlich ist es der damit verbundene Austausch mit Freunden und Bekannten, der Mensch ist nun mal ein Herdentier und man kann eben nicht immer unbedingt alles mit dem Partner bereden. Ich habe das Glück, dass ich eigentlich alles mit meiner Partnerin bereden kann, aber ich kann mich eben nicht über alles mit Ihr unterhalten, weil dann einfach das Verstehen oder Interesse nicht da ist. Interesse schon, aber in gewissen Fällen dann nicht das nötige Hintergrund Wissen, was ja auch ok ist. Ich kann ja auch nicht über alles mit ihr reden, was in ihrem Interessenbereich fällt.
Viele der Leute, die ich über den Sport kennengelernt habe, haben sich mehr oder weniger zu guten Freunden entwickelt. Bei gewissen Leuten fühlt es sich schon ein wenig wie einer Art Familie an, da man viele ja auch schon viele Jahre kennt. Das wären auf jeden Fall für mich die Dinge oder die Freiheit, dessen ich mich beraubt oder sehr stark eingeschränkt fühle. Das kann dann auch schon mal aufs Gemüht schlagen.
Das ist eine philosophische Frage, die die Menschheit auch schon seit Jahrtausenden umtreibt. Epiktet zum Beispiel war ein Sklave im antiken Rom, der sich die Auffassung erarbeitet hat, es gebe eine "innere" Freiheit, die von äußeren Umständen wie - in seinem Fall - als beweglicher Besitz zu gelten, unabhängig sei und jedem Menschen offenstünde. Das hat mit der Freiheit, sich auf Mallorca die Kante zu geben, schon mal gar nichts zu tun.
Ich kann mich auch mit der stoischen Philosophie ganz gut anfreunden, die im Prinzip besagt: Hör auf zu jaulen und mach das Beste draus! Natürlich bin ich nicht begeistert davon, wie der Rest der Welt mehr oder weniger herumgeschubst zu werden und gefühlt nichts zu "dürfen" außer zu arbeiten. Aber das sind alles äußere Umstände, die sich auch irgendwann wieder ändern werden. Und so lange halte ich eben den Ball flach und konzentriere mich auf das, was in meinem Leben gut funktioniert.
Das klappt zwar nicht immer problemlos, weil ich doch zu gerne mal wieder ins Café gehen würde und auch intellektuell schon lange nicht mehr alle Vorgaben einsehe und mittragen kann. Aber dass ich mich deswegen "unfrei" oder "meiner Freiheit beraubt" fühle, kann ich nicht behaupten. Freiheit hat für mich wenig mit "alles machen können" zu tun. Sonst wären ja beispielsweise Menschen mit Behinderungen "unfrei" oder "Freiheit" ein Privileg der Kinderlosen oder an ein bestimmtes Mindestvermögen geknüpft. Ich habe immer noch all meine Persönlichkeitsrechte und gehöre den 5 Prozent der Weltbevölkerung an, die die meisten Privilegien haben.
Die absolute Freiheit gibt es nicht. Ich kann nie völlig frei wählen, was ich jetzt tue. Ich kann wegen fehlender Sportlichkeit nicht auf den nächsten Baum klettern, dem Nachbarn die Türe einschlagen oder das Atmen einstellen, ohne dass meine Reflexe das verhindern. Ich konnte auch meinen Beruf nicht frei wählen, weil ich den Numerus Clausus für Medizin nicht geschafft hätte, oder die körperlichen Anforderungen für eine Karriere als Model nicht erfüllt hätte.
Mehr oder weniger kleine oder große Freiheit ist für mich die Möglichkeit, unter verschiedenen Alternativen wählen zu können. Je kleiner die Auswahl, desto weniger frei bin ich. Nach dem Abitur und dem Auszug aus meinem Elternhaus habe ich mich unendlich frei gefühlt. Ich konnte abends weg, solange ich wollte, konnte einkaufen und kochen, was ich wollte, konnte lernen oder nicht lernen, je nachdem, wie ich Lust hatte, und Freunde bei mir übernachten lassen. Ich glaube, das geht vielen nach der Schule so. Dann haben sich mit den Kindern die Freiheiten wieder eingeschränkt, denn ich konnte nicht mehr so lange im Bett bleiben, wie ich wollte, nicht mehr hingehen, wohin ich wollte und vieles mehr nicht mehr. Das war aber eine angenehme Unfreiheit. Manchmal ist es ja auch bequem, nicht mehr unter vielen Möglichkeiten wählen zu müssen. Das gibt auch eine gewisse Sicherheit.
Je weniger Alternativen man hat, desto unfreier ist man. Das muss aber nicht negativ ein. Freiheit ist für mich nicht das höchste Gut. In einem kleinen Urwalddorf im Amazonas hat man keine große Wahl, wohin man sich bewegt und mit welchen Leuten man zusammen ist. Trotzdem sind die Leute dort wahrscheinlich nicht unglücklich. Vielleicht doch? Ich kann das nicht beurteilen. Die Einschränkung meiner eigenen Entscheidungen empfinde ich als unangenehm, wenn sie von anderen erwachsenen Menschen kommen, die dadurch Macht über mich ausüben, wenn ich etwa als Frau von meinem Mann in der Wohnung eingesperrt würde, wenn meine Familie Beruf und Ehepartner für mich aussuchen würden und so weiter. Bei manchen Sachen bin ich gerne unfrei. Ich mag es zum Beispiel lieber, wenn nur zwei Sorten Marmelade in den Regalen eines Geschäfts stehen als zwanzig Sorten.
Im Moment wird zwar durch die Corona-Maßnahmen Freiheit entzogen, aber im Großen und Ganzen sehe ich das einigermaßen ein und bin mit dem Freiheitsentzug einverstanden. Meine Entscheidungsmöglichkeiten, wie ich meine Zeit verbringen sind zwar eingeschränkt, aber es bleibt immer noch genug übrig und vor allen Dingen ist ja Licht am Ende des Tunnels sichtbar. Es fühlt sich gut an, eine Freiheit in der Zukunft zu sehen, sonst würde man vielleicht die Schule nicht durchhalten, eine Flucht aus einem Kriegsgebiet nicht auf sich nehmen und anderes mehr. Zukunftsvisionen sind für mich fast wichtiger als momentane Freiheit.
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