Wann würdet ihr eine Person als geizig bezeichnen?

Wenn ich so darüber nachdenke, ziehe ich die Grenze zwischen "geizig" und "sparsam" auch da, wo andere Leute direkt oder indirekt ausgenutzt werden. Im Restaurant nicht das teuerste Steak zu bestellen ist einwandfrei in Ordnung, aber "nur" ein Getränk zu bestellen und dann anderen Leuten die Pommes vom Teller zu klauen oder ständig "probieren" zu wollen, ist für mich beispielsweise ein Zeichen von Geiz.

Oder auch Leute, die bei Gratisproben das ganze Tablett abräumen oder beim Buffet stapelweise gestrichene Brötchen einstecken. Oder Obdachlosen ein paar Kupfermünzen zustecken ("Sollen froh sein, dass sie überhaupt was bekommen!") Geiz ist für mich auch schlechter Stil und verbreitet eine bedrückende Atmosphäre.

Ich mag es lieber großherzig und freigeistig, was nicht unbedingt heißen muss, dass man das Geld mit vollen Händen ausgibt. Man kann im Café wirklich nur ein Getränk bestellen, sich nett unterhalten und die Atmosphäre genießen, und nicht sämtliche Zuckertüten stehlen, damit man sich selber keinen kaufen muss.

Ich selbst muss mit recht wenig Geld auskommen. Auch in meinem Umfeld sieht es finanziell alles andere als rosig aus. Wir alle müssen den Cent nicht nur zweimal umdrehen, sondern ihn auch oft wieder einstecken, damit wir ihn an anderer Stelle ausgeben können, wo es sich lohnt. Teilweise verbringe ich auch im Internet viel Zeit, um das, was wir gerne haben würden, zu einem für uns machbaren Preis zu finden, anstatt ganz darauf verzichten zu müssen.

Und auch wenn wir uns alle finanziell so gut wie nichts erlauben können, dann würde ich doch keinen aus meinem Umfeld als wirklich geizig bezeichnen. Geiz bedeutet für mich noch einmal eine übertriebene Sparsamkeit, vielleicht auch eine Sparsamkeit, die an sich gar nicht nötig wäre, weil die Person vielleicht ausreichend Geld zur Verfügung hätte.

Aber auch das allein würde für mich den wahren Sinn von Geiz noch nicht ganz erfassen. Es kommt noch eine ziemlich negative Komponente dazu, die den Geiz maßgeblich unterscheidet von der reinen Sparsamkeit. Das ist zum einen, dass man nicht gewillt ist, etwas mit anderen Menschen zu teilen, eine Art Egoismus. Oft kommt aber dazu, dass man sich auch selbst nichts gönnt, dass also die Lebensqualität darunter leidet.

Ich finde beispielsweise, dass dieser Spartipp, das Klopapier zu rationieren, sodass man nur noch zehn Blatt am Tag zur Verfügung hat oder auch dass man es schon vorher einteilt in Stücke mit drei Blättern, keine reine Sparsamkeit mehr ist, sondern schon Geiz. Dafür fehlt mir jedes Verständnis.

Um zu obigen Beispiel mit der Freundin der Bekannten zurück zu kommen: Nur allein mit dieser kurzen Schilderung ist es schwer zu sagen, welche Gründe diese Frau nun konkret hat. Ich finde es allerdings merkwürdig, dass sie überhaupt in ein Restaurant geht und dass sie erst seit kurzem die Geldbörse "vergisst". Wäre sie nur geizig, würde sie meiner Meinung nach überhaupt nicht erst ins Restaurant gehen. Oder vorher sagen, dass ihr das zu teuer ist, man ja auch ein Eis essen könne.

Meine Vermutung wäre eher, dass sie recht akute Geldsorgen hat und darüber nicht sprechen will, weil es ihr vielleicht zu peinlich ist. Da gibt sie lieber vor, ihr Portemonnaie vergessen zu haben, als dass sie über Geldprobleme spricht.