Schlechte Kindheit als Auslöser für Alkoholismus?
Hier habe ich ja schon mal was wegen der schlechten Kindheit gefragt Warum entschuldigt eine schlechte Kindheit (fast) alles? . Die meisten sind ja der Meinung, dass eine schlechte Kindheit nichts entschuldigt. Erst neulich habe ich in einer Zeitung gelesen, dass der Auslöser für Alkoholismus meist in der Kindheit liegt und wer eine schlechte Kindheit hatte, der würde wohl eher zur Flasche greifen, als wenn einer "in gutem Haus" groß geworden ist. Dabei würde es nicht darauf ankommen, wie viel Alkohol von den Eltern konsumiert wurde. Denn gerade in den sogenannten "guten Häusern" wird auch oft viel und gerne Alkohol getrunken.
Denkt ihr, dass die Ursache für den Alkoholismus wirklich an einer schlechten Kindheit liegen kann? Denkt ihr, dass man schon im Jugendalter oder im Kindesalter erkennen kann, ob ein Mensch zum Alkoholiker wird?
Es liegt wohl nicht nur am Elternhaus, sondern auch daran, wie der Mensch gefestigt im Leben steht. Wenn ein "normales" Leben geführt wird, dann sind die Chancen sicher sehr gering. Sollte jedoch alles in falschen Bahnen laufen, dann sind die Chancen wohl erhöht. Ich würde es nicht allein am Elternteil festlegen, sondern auch, wie der Charakter des Menschen ist und sein Umfeld.
Es ist vielleicht anzumerken, dass unter "schlechte Kindheit" sicher unterschiedlichstes zu verstehen ist und mancher schon darunter versteht, dass der Skiurlaub in Sankt Moritz oft nur in der Nebensaison möglich war. Aber ich unterstelle mal, dass die Meisten dann hierunter das Klischeebild des vernachlässigten und wirtschaftlich benachteiligten Kindes verstanden wird, welches von den Eltern rein gar nichts auf den Weg bekommen haben.
Dann muss man sagen, dass ein solches "schlechtes" Elternhaus natürlich verantwortlich gemacht werden muss für die denkbar schlechten Startbedingungen des Menschen. Sei es dadurch, dass auf Grund von mangelnder Förderung die (wahren) Potentiale des Kindes nicht entdeckt wurden oder aber auf Grund des schlechten elterlichen Vorbilds das Wertesystem der Kinder nicht dem entspricht, was wenigstens sozialverträglich ist. Hier ist dieses Elternhaus dann nicht als einfache Ausrede zu verstehen.
Anders bei jeder Form der Reaktion und Handlung. Denn hier ist das Elternhaus nicht mehr einfach und global verantwortlich zu machen. Ein jeder ist für sein Tun und Handeln selbst verantwortlich und muss immer auch bereit sein, die Konsequenten zu tragen. Wer sich später einfach auf sein Elternhaus beruft, wenn es darum geht, Missstände zu erklären, macht es sich viel zu einfach. Denn in dem Moment des Handelns ist das Elternhaus nicht mehr da und die Handlung wird eigenverantwortlich durchgeführt.
Ich denke jedenfalls, dass man an einem Menschen selbst nicht viel "ablesen" kann oder gar Prognosen bzgl. der Weiterentwicklung abgeben kann. Das funktioniert aber dann schon, wenn das soziale Umfeld des Kindes berücksichtigt wird und man eben auch aus diesem Rückschlüsse zieht bzw. seine Prognosen wagt. Denn ein Kind welches sich mit Kindern und Jugendlichen umgibt, welche selbst z.B. schon straffällig sind oder aber Drogen konsumieren, dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass dieses erlebte "normale" Verhalten abfärbt. Aber wenn ein Kind aus wirklich katastrophalen Verhältnissen das Glück hat, sonst in einen "positiven sozialen Umfeld" groß zu werden und sich hier seine Freunde rekrutiert, prägt auch dies nachhaltig positiv und bügelt manche Fehler der Eltern aus.
Ich habe kürzlich noch ein Interview mit einem Bekannten Pädagogen Wilhelm Heitmeyer gelesen und mir hierbei auch seine Theorien angeschaut. Heitmeyer vertritt einen Erklärungsansatz zur Gewaltentwicklung im Jugendalter, sein Modell lässt sich aber auch auf den Drogenkonsum übernehmen und durch die produktive Realitätsverarbeitung von Klaus Hurrelmann ergänzen, der sich ebenfalls mit Krisensituationen im Jugendalter befasst hat. Letztendlich will Heitmeyer darauf hinaus, dass sich Strukturen in unserer Gesellschaft auflösen, da die Modernisierung eine zunehmende Individualisierung mit sich bringt und Jugendliche zwar eine größere Entscheidungsfreiheit haben, aber gleichzeitig auch einen größeren Entscheidungszwang, weniger Bedingungen, viele Möglichkeiten aber auch viele Risiken.
Diese Verunsicherungspotentiale führen dann wiederum zu Desintegrationspotentialen und somit zu einer Verunsicherung unter den Jugendlichen die einerseits in Gewalt auslaufen kann, auf der anderen Seite aber auch von vielen Jugendlichen versucht wird durch Drogenkonsum zu verarbeiten. So sehen Jugendliche in Alkohol, Partydrogen und Tabak einen möglichen Ausweg aus diesen Konfliktsituationen, die erhöhte Anforderungen an ihre Identitätsbildung stellen. Sie flüchten sich in den Rausch. Weiterhin kritisiert Hurrelmann etwa die Alkohol- und Tabakindustrie, da diese gezielt Werbung an Jüngeres aber auch das weibliche Publikum machen und hier ein Anstieg des Alkoholkonsum zu verzeichnen ist.
Somit würde die Theorie, dass sich der Drang zum Alkoholkonsum in der Kindheit entwickelt schon bestätigen, allerdings ist das sicherlich nicht bei allen so. Wir alle treffen eigene Entscheidungen und selbst wenn wir durch die prägenden Erlebnisse unserer Kindheit beeinflusst werden, sind die Entscheidungen eigenständig und wir müssen sie alleine verantworten ohne uns auf irgendwelche Figuren unserer Kindheit zu berufen.
Also ich hatte schon eine sehr schwere Kindheit. Ich musste mit ansehen, wie meine Eltern sich regelmäßig geprügelt haben oder eher mein Vater regelmäßig auf meine Mutter einprügelte. Mein Vater war Zuhälter und was meine Mutter war, könnt ihr euch dann denken. Drogen waren natürlich allgegenwärtig und bis ich 6 Jahre alt hab ich alles mitbekommen. Danach auch noch, weil in Ruhe gelassen hat mein Erzeuger uns bis heute nicht und ich gehe auf die 30 Jahre zu! Des Weiteren wurde an mir selber zwei Mal zwei sehr schwere Straftaten verübt, ein Mal mit 7 Jahre und ein Mal mit ca 13 Jahre. Hier war ich auch in Therapie etc. Dann habe ich einen Ex-Freund gehabt, der mir auch das Leben zur Hölle machte. Dies Mal kurz nur auszugsweise aus meinem Leben.
Ich wurde mit 18 auch alkoholabhängig und gleichzeitig drogenabhängig. Jedoch mache ich niemals meiner Mutter auch nur ansatzweise einen Vorwurf oder behaupte das es an meiner Kindheit lag. Ich habe einen eigenen Kopf, bin mein eigener Herr und trage somit auch die Verantwortung für mein eigenes Leben. Auch wenn meine Kindheit somit alles andere wie schön war und ich auch an meinem eigenen Leib erfahren musste, wie schlecht es werden kann, bin ich nicht alkoholabhängig geworden.
Ich denke auch heute noch, dass jeder selber für das eigene Leben verantwortlich ist und somit niemals die Schuld wo anders suchen kann, wenn es gerade Mal nicht so gut läuft. Dies gilt für mich auch mit dem Thema Sucht. Ich mache niemanden einen Vorwurf, sondern nur mir, weil ich habe mich selber überschätzt und es übertrieben und daraus rutschte ich immer weiter rein, aber daran war ich ganz alleine selber schuld. Jeder ist für sein Handeln alleine verantwortlich und daher sage ich, dass die Kindheit nichts mit eventuell entstehenden Süchten zu tun hat. Als Auslöser lasse ich es noch gelten, aber letzten Endes entscheidet derjenige selber, ob er sich in die Sucht begibt.
Ich denke, wenn man ein schlechtes Elternhaus hat, was einem das so vorlebt, kann das durchaus ein Grund sein. Wenn man Sachen verdrängen will, aber nur diese eine Lösung des Problems kennt, wird man trinken. Es ist immer eine Sache, wie man einem Kind das Leben vorlebt.
Ich kenne eine Familie, da haben beide Eltern sehr stark getrunken. Sie hatten mehrere Kinder und die meisten hatten später dasselbe Problem, wobei sie das nicht gleichzeitig hatten und sich so wieder raushelfen konnten. Natürlich ist das nicht nur ein Grund für Alkoholismus. Es gibt sicherlich viele verschiedene Gründe. Der Hauptgrund ist sicher zu verdrängen und gut drauf zu sein. Was man dabei verdrängt, kann eben so unterschiedlich sein.
Man kann nicht alles immer den Grund für den eigenen Alkoholismus geben. Traumatas und schlechte Situationen sowie Erfahrungen können unverarbeitet und unbehandelt natürlich auch zu Drogen oder Alkoholsucht führen, müssen es aber nicht immer. Es kommt auf den Menschen und Charakter an sowie sein Umfeld wie dieses einen behandelt, in den schwierigen Situationen aufgefangen und wieder aufgebaut hat.
Eine schlechte Kindheit ohne Unterstützer ist natürlich eine gute Voraussetzung für Süchte, ich sehe aber keinen Automatismus in Bezug darauf, dass Jeder mit schlechter Kindheit auch gleich so abdriften muss. Ich habe selbst schon früher mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet, welche Milieugeschädigt waren, welche später ganz normal eine Ausbildung gemacht haben und nun ganz normale Eltern sind.
Einige wenige haben den Absprung nicht geschafft und sind der Sucht verfallen etc. Da steckt man aber als ehemaliger Betreuer dann nicht mehr drin. Ich habe da sehr viel durchgemacht während meiner pädagogischen Arbeit, vielen Kindern und Jugendlichen konnten geholfen werden, leider nicht allen. Damit muss man leben. Man versuchte alles, am Ende muss das Kind und der Jugendliche auch was an seiner Situation ändern wollen und sich von seinem schlechten Elternhaus, wenn keine Besserung möglich und in Sicht ist lossagen.
Auch das Umfeld muss dann mitspielen. Manchmal muss man sich vom Elternhaus trennen, um dann wieder irgendwann zusammenzufinden, aber selbst das ist nicht immer gegeben. Lieber mal vom Weg abkommen, als auf der Strecke zu bleiben, das kann ein Motto zur Orientierung sein.
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