Wie kann man Demut lernen und lehren?
Die Demut ist grob gesagt ja die Bereitschaft, Dinge, Situationen usw. als gegeben hinzunehmen, sich nicht darüber zu beschweren und auch nicht darüber zu klagen und sich als Person selbst als nicht so wichtig zu betrachten, also eine eher passive Rolle im Leben einzunehmen.
Sich ständig zurückzuhalten und sich nicht beschweren fällt Vielen natürlich sehr schwer. Gibt es eine Möglichkeit, als Erwachsener in der heutigen Zeit noch Demut zu lernen und vielleicht auch anderen Menschen wie dem eigenen Nachwuchs oder Kindern in einer Einrichtung, wenn man in einer arbeitet, das weiterzugeben beziehungsweise Demut zu lehren?
Wenn ja, wie könnte das geschehen, wie kann man Zurückhaltung beibringen, wenn der Alltag es doch sehr oft erfordert, offensiv mit vielen Dingen oder Personen um zu gehen? Braucht es vielleicht eine Balance zwischen Demut und gutes Selbstbewusstsein? Kaum einer möchte sich schließlich immer unterbuttern und ausnutzen lassen.
Ich finde nicht, dass demütig zu sein, bedeutet, eine passive Rolle einzunehmen und sich alles gefallen zu lassen. Demut heißt doch nur, die Fähigkeit zu haben zu erkennen, dass etwas jetzt aufgrund der Umstände nicht erreichbar ist, oder dass sich ein höheres Ziel jetzt oder vielleicht niemals erreichen lässt. Demütiges Verhalten im Sinne von Unterwürfigkeit ist was vollkommen anderes.
Ich denke, Demut lernt man automatisch, wenn man etwas lange tut und mal immer wieder an seine Grenzen kommt, und einsehen muss, dass es jetzt viel Arbeit kostet, wenn man das überwinden möchte. Oder eben wenn endgültig Ende ist.
Ich finde beispielsweise, dass Reiten demütig macht. Spätestens wenn du für eine verdammte Lektion über ein Jahr ohne nennenswerte Fortschritte brauchst oder du einsehen musst, dass Nervenkostüm und Talent deines vierbeinigen Sport-Partners Verbesserungen nicht ermöglichen, dann ist Demut gefragt.
Ich finde auch, dass Demut nicht heißt, unterwürfig und passiv alles hinzunehmen, was andere Leute mit dir machen und dir aus dem, was diese übriglassen, noch ein paar Krümel zusammenzusuchen. Demut ist für mich eine innere Haltung, die (ganz grob gesagt) Menschen an den Tag legen, die wissen und akzeptieren, dass sie nicht Gott sind, dass sich das Universum nicht um sie dreht und dass es immer Umstände geben wird, die ihnen überlegen sind.
Ursprünglich ein christlich-religiös geprägter Begriff, kann Demut auch durch andere Erfahrungen erzeugt werden, die jemandem vor Augen führen, wie klein und unwichtig er doch ist und wie albern es ist, sich für den größten Gockel auf dem Misthaufen zu halten. Naturerlebnisse können meines Erachtens ein Gefühl der Demut auslösen ebenso wie Schicksalsschläge oder generell lebensverändernde Erfahrungen wie z.B. die Geburt eines Kindes.
Von daher ist Demut in meinen Augen nichts Schlechtes und kann zu einer realistischeren Selbsteinschätzung und auch zu einem freieren Leben führen. Wer sich nicht für den Mittelpunkt der Welt hält, kann auch mal die Beine hochlegen. Das hat nichts mit Kriecherei oder mit Leidensmiene zu tun.
Deswegen haben wahrhaft demütige Menschen auch gar nicht den Ehrgeiz, andere "Demut zu lehren". Auf eine solche Haltung muss man mehr oder weniger selber kommen, was auch nicht so einfach ist, da man mit Demut schließlich kein dickeres Auto/keine weiteren Reisen verkaufen und auch nicht den Hass auf Andere schüren kann.
Ich finde auch nicht, dass Demut etwas mit Passivität zu tun hat. Für mich ist Demut mit Erstaunen über etwas sehr Großes, Unbegreifliches verbunden, das mir meine Unbedeutsamkeit als Individuum im Universum, in der Natur, eben im Unbegreiflichen zeigt.
Demut empfinde ich manchmal in der Natur, wenn ich etwa beim Schnorcheln neben einer Riesenschildkröte schwimmen darf, die es mir sozusagen erlaubt, obwohl sie doch das viel ältere Recht hat, dort zu sein. Demut empfinde ich auch manchmal beim Betrachten von Gemälden. Demut ist ein innerer Zustand, den man erfahren muss und den man anderen schlecht beschreiben, geschweige denn lehren kann. Das Gefühl der Demut kommt bei mir meistens unerwartet, ich glaube nicht, dass man das erzwingen oder lernen kann.
Vielleicht hat Demut aber auch unterschiedliche Bedeutungen. Ich kann mir vorstellen, dass er in der katholischen Religion eine andere Bedeutung hat als ich dem Begriff gebe. Demut ist für mich die Anerkenntnis oder sogar die Erfahrung, dass es etwas Größeres gibt. Das steht für mich nicht in Beziehung zu anderen Menschen, dass ich denen zum Beispiel unterwürfig bin oder so was. Vor anderen Menschen habe ich nie das Gefühl der Demut erlebt.
Demut hat ja auch oft etwas mit unterordnen zu tun. Das kann sowohl sinnbildlich sein, dass man anerkennt nicht die Mitte der Welt zu sein, aber auch durch tatsächliche Unterordnung, beispielsweise in einem Arbeitsverhältnis. Ursprünglich war damit die Unterordnung im christlichen Sinne unter Gott gedacht. Man hat anerkannt, dass Gott alles geschaffen hat und man zwar ein existenter Mensch ist, aber eben nur ein Mensch und Gott über einem steht.
Ich würde sagen, dass man auch Dankbarkeit ab und zu als demütig bezeichnen kann. Wir freuen uns über erlebte Dinge, bewerten sie vielleicht unter diesem Aspekt ganz anders. Bei der Geburt eines Kindes ist man beispielsweise sehr dankbar und gleichzeitig erkennt man eigentlich, dass andere Dinge vielleicht weniger wichtig sind oder man selber auch nur ein Mensch von ganz vielen Menschen, es findet vielleicht auch ein Umdenken statt, was man auch als demütigen Prozess bezeichnen kann.
Letztendlich ist das wohl etwas, was jeder für sich und in seinem Lebensbereich definieren kann und man kann es wie viele Dinge nur vorleben. Dem Chef gegenüber wird man sich demütig verhalten, ihm nicht jeden Gedanken an den Kopf knallen. Als Kind wird man vielleicht nicht alles den Eltern an den Kopf knallen. Es ist aber wohl die Frage, ob es einfach respektvoller Umgang oder reine Demut ist oder eine Mischung aus beidem.
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