Aus einer Sekte austreten - problemlos möglich?

vom 12.07.2011, 14:43 Uhr

Gerade schwirrt hier ein Beitrag über die Zeugen Jehovas hier herum, der mich veranlasst zu fragen, wie einfach oder wie schwer es ist, aus einer Sekte auszutreten. Ich frage auch deshalb, weil ich während meiner Ausbildung mit einem Kind in Berührung gekommen bin, dessen Eltern ebenfalls bei den Zeugen Jehovas waren und dadurch auch Probleme in der Kindergartengruppe hatte. Es durfte ja keine Geburtstage (mit)feiern, auch die Zeit um Weihnachten herum fand ich als recht anstrengend, weil mir das Kind ja auch auf eine gewisse Art und Weise leid tat. Es hatte noch ältere Geschwister gehabt, war also nicht allein.

Jedenfalls bekommt man ja hin und wieder mit, wie schwer es ist, aus einer Sekte auszutreten, dass man unter Druck gesetzt wird, erpresst wird, bedroht wird und solche Sachen. Ich mag diese Berichtserstattung weder als seriös noch unseriös bewerten, aber interessant finde ich die Thematik schon. Ich selbst bin mit dem Austreten aus einer Sekte nicht so vertraut und würde daher gern von Euch wissen, ob Ihr mit einem Austritt schon mal konfrontiert wurdet. Es ist dabei egal, ob Ihr selbst davon betroffen ward oder ob es sich in Eurem Umfeld zugetragen hat. Gibt es auch die Möglichkeit, sich Hilfe zu suchen, wenn man aussteigen möchte?

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge



Es ist ja kaum möglich, einen Austritt als schwer oder leicht zu definieren. Immerhin kommt es immer darauf an, wie sehr verwurzelt man in der jeweiligen Organisation ist. Es ist also nicht mal speziell auf Sekten zu beziehen, um festzustellen, dass es u.U. schwer ist, die Organisation bzw. die Vereinigung zu verlassen, der man u.U. große Teile seines Lebens geschenkt hat.

So dürfte es sogar bei religiösen Sekten einfach sein, diese wieder zu verlassen, wenn man z.B. gerade erst eingetreten ist und kaum feste (persönliche) Bindungen nach innen hatte und zusätzlich hauptsächlich mit Leuten zu tun hatte, die nichts mit der Sekte zu tun hatten. Also ein normales soziales Umfeld hat und problemlos zwischen den Welten wandern kann. Ist man nämlich hingegen seit Jahrzehnten in bestimmten Umfeldern verwurzelt, so dass die Kontakte nach außen völlig weggefallen sind und man niemanden außerhalb der Organisation kennt oder kennen darf, dann gestaltet sich ein Austritt völlig anders und aus persönlichen Gründen wesentlich schwieriger. Schließlich bedeutet ein Austritt den angenommenen Fall in eine soziale Leere! Man müsste sich völlig neu orientieren und von vorne anfangen - mit dem Aufbau eines realen sozialen Netzes. Praktisch auch eine neue Sinnfindung.

Das nun der Druck von der Organisation her kommen würde, stelle ich mir hingegen nicht wirklich als den Normalfall vor. Was natürlich nicht bedeutet, dass es diesen nicht gibt. Der aber dürfte eher von einzelnen Bezugspersonen ausgeübt werden und diese dürften auch die Verachtung des Ausgetretenen forcieren. Systembedingt ist es wohl bei religiösen Bewegungen nicht. Anders also z.B. bei politischen Gruppierungen. So ist bei rechten Gruppen der äußere Feind sinnstiftend und ein ausgetretenes Mitglied als Verräter ein willkommener Anlass, die Banden enger werden zu lassen.

Eine soziale Isolation von religiösen Menschen ist übrigens sicher auch ein Grund, warum es eher schwer ist, aus den Vereinen auszutreten. So sehe ich es nicht als schwierig an zu akzeptieren, dass manche Menschen ihren Geburtstag nicht feiern. Und das Weihnachten nicht gefeiert wird, sehe ich auch als kein Problem an. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass dann die sog. Weihnachtsfeiern (sei es im Betrieb oder im Kindergarten) deshalb abzusagen wären. Gemeinsam Essen und Trinken kann man auch dann, wenn der Anlass jeweils anders wahrgenommen wird. Deshalb verstehe ich nicht, wieso es ein dogmatisches Verbot geben sollte, bei Geburtstagen von Dritten nicht teilnehmen zu können.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Eine Bekannte meiner Schwester war viele Jahre bei den Zeugen Jehovas, soweit ich weiß, seit ihrer Geburt, jedenfalls wuchs sie in einem entsprechenden Elternhaus auf und lebte auch streng nach den Regeln der Zeugen Jehovas. Sie heiratete irgendwann auch einen Zeugen Jehovas und beide Eheleute bekamen zwei Kinder.

Irgendwann erfuhr ich dann von meiner Schwester, dass diese Bekannte aus dieser „Glaubensgemeinschaft“ ausgetreten sei und im Anschluss daran ergaben sich einige Erzählungen darüber, dass auch sie tatsächlich sehr von ihrer ehemaligen Glaubensgemeinschaft angegangen, beschimpft und auch bedroht wurde. Die Drohungen richteten sich vor allem in die Richtung aus, dass sie nicht Dritten gegenüber erzählen sollte, wie die Zeugen Jehovas genau leben und welchen Vorschriften sie sich unterwerfen. Insgesamt wirkte die Situation schon wie ein starker Einschüchterungsversuch, und ich erinnere mich noch gut daran, dass ich diese Bekannte eines Tages ebenfalls traf und sie mir sagte, wie froh sie darüber sei, aus dieser Gemeinschaft ausgetreten zu sein, weil sie nun ein freies Leben führe, so, wie sie es für richtig halte.

Das ist nun die einzige Begebenheit aus meinem weiteren Umfeld, von der ich Dir erzählen kann, weitere Sektenmitglieder oder solche einer so genannten Glaubensgemeinschaft kenne ich nicht persönlich und ich lege auch keinen gesteigerten wert darauf, jene Menschen kennenzulernen, weil ich dieser Thematik mit großem Unbehagen entgegensehe. Zu viele Bücher habe ich gelesen, auch damals in der Schule im Deutschunterricht hatten wir entsprechende Inhalte durchgenommen, Bücher und Zeitschriftenartikel gelesen, weil wir eine Lehrerin hatten, die hier sehr engagiert war und uns wohl hinreichend aufklären wollte.

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» moin! » Beiträge: 7218 » Talkpoints: 22,73 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich denke schon, dass man austreten kann, jedoch denke ich, dass man schwören muss, dass man niemandem
etwas von der Lebensweise dieser Sekte erzählen darf. Übrigens würde ich niemandem empfehlen so einer Sekte beizutreten, da sich dein ganzes Leben danach richten wird, und es irgendwann sehr, sehr schwierig werden kann.

» jelle » Beiträge: 44 » Talkpoints: 7,49 »



Austreten kann man immer, warum auch nicht. Die Frage ist dann, was ist man bereit dann im Leben zu opfern wenn man eine Familie hat, die der Glaubensrichtung noch angehört... tragen die Familienmitglieder die Entscheidung mit? Muss man sich unter Umständen von ihnen trennen, um seinen eigenen Weg zu gehen? Muss man gar fluchtartig die gewohnte Umgebung nach dem Austritt verlassen aus Angst vor Repressalien usw.? Es ist eine schwierige aber ernst zu nehmende Thematik. Gehört für euch die Neuapostolische Kirche auch zum Sektengenre?

» Nebula » Beiträge: 3041 » Talkpoints: 6,06 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich glaube schon, dass sich das Ganze schwierig gestalten kann, wenn man sein ganzes Leben lang in einer Glaubensgemeinschaft gelebt hat und auch mit dem ganzen Gedankengut aufgewachsen ist. Ich meine wenn man schon als Kind hört, dass Harmagedon kommt und man sterben wird, wenn man nicht ein guter Zeuge war, dann macht das einfach etwas mit einem. Außerdem werden solchen Mitgliedern dann auch Regeln auferlegt. So darf man nicht mit Andersdenkenden Kontakt haben und damit auch nicht mit Aussteigern. Das würde dann zur Folge haben, dass man die eigene Familie verliert.

Ich denke so leicht ist es nicht sein ganzes Leben zu ändern, alle Ängste über Board zu werfen und alles neu zu machen. Es gibt auch Sekten, die leben nur unter sich, kein Internet, nichts Modernes. Da muss man erst mal wieder ins Leben kommen und viele gehen dann auch den leichten Weg und gehen nicht, sondern bleiben. Man wird auch nicht einfach gehen gelassen, weil die Leute ja denken, sie würden richtig liegen und jemanden retten. Sie werden also nicht locker lassen und Druck machen.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


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