Ohne Handy und Computer im Lockdown
Ich versuche schön seit Längerem, etwas weniger Online zu sein, was mir zugegebenermaßen sehr schwer fällt. Ich überlege manchmal, was ich denn früher gemacht hätte, als es noch keine Computer und Handys gab. Zum Glück gab es zu meiner Studentenzeit keine Pandemie.
Wenn ich Gesellschaft brauchte, bin ich einfach in meine Stammkneipe gegangen und habe dort garantiert Leute getroffen, die ich kannte. Oder ich habe bei jemandem spontan geklingelt. Zeitweise hatte ich noch nicht mal Telefon, sondern musste von Telefonzellen aus telefonieren. Oft haben wir uns auch während der Vorlesungen für abends verabredet.
Oder ich ging ins Hochschul-Sportzentrum, wo ich auch immer Bekannte traf, mit denen ich nach der Skigymnastik in die sogenannte Bierstube oder Teestube ging, wo wir Spiele spielten und über Gott und die Welt diskutierten. Im gleichen Gebäude gab es auch eine Diskothek.
Während eines Lockdowns wäre das ja alles nicht möglich gewesen. Ich hätte in meinem kleinen Zimmer gesessen und außer meinem Radio nur wenig Kontakt zur Außenwelt gehabt. Auch einen Fernseher hatte ich nicht. Könnt ihr euch eine solche Situation vorstellen? Wie hättet ihr den Tag verbracht?
Ich fände es mittlerweile auch schwierig ohne Handy und Computer den Lockdown durchzustehen. Mir fehlt mittlerweile auch ein wenig die Geduld, die ich als Jugendliche in meinem Zimmer hatte. Dort konnte ich die Zeit wunderbar mit der Spielkonsole, Sport und vielen vielen Büchern verbringen, ohne das Zimmer verlassen zu müssen. Das funktioniert bei mir mittlerweile halt nicht mehr, da ich zum Einen ja nicht mehr täglich zur Schule gehe und zum Anderen fehlt mir nach der Arbeit meistens einfach die Energie. Daher muss ich gestehen, dass ich froh bin, dass es heutzutage viele Aktivitäten gibt, die man auch online machen kann und ich bin auch sehr froh darüber, dass hier keine Ausgangssperre greift.
Früher hätte man vielleicht in so einer schweren Zeit mehr mit der Familie zusammen gesessen. Viele Familien haben sich in den letzten 30 Jahren dann doch mehr und mehr auseinander dividiert. Zum einen wegen den beruflichen Möglichkeiten, welche es vor der Wende noch nicht gab und zum anderen, weil Großfamilien es nicht mehr in der Masse gibt wie früher.
Wenn es früher schon so einen Lockdown gegeben hätte, vor den ganzen technischen Erfindungen dann wäre die Mentalität der Menschen auch ganz anders gewesen. Ein Lockdown kündigt sich ja immer irgendwo an, also würde man sich auch vorher einen Kopf machen wie die eigenen Beschäftigungen während so einer Zeit aussehen könnten. Bastel,- Kreativangebote oder Gartenarbeit sind je nach Jahreszeit immer eine Möglichkeit.
Vor vielen Jahrzehnten, lange bevor das technische Zeitalter bei uns Einzug erhalten hat, gab es auch noch keine Neubaublöcke und Plattenbauten wo Leute die alleinstehend sind wenig Möglichkeiten der Unterhaltung haben, sondern es gab mehr Mehrgenerationen Haushalte. Als Solche kommt man dann zumindest vom sozialen Faktor dann immer noch besser weg.
Meiner Meinung nach hat das mit den Großfamilien jedoch dann stark abgenommen, als es in den 60er/70er Jahren des letzten Jahrhunderts Mode wurde, Plattenbauten zu errichten. Wäre das damals nicht aufgekommen, dann gäbe es sicher nun immer noch mehr Großfamilien und demzufolge auch mehr Möglichkeiten der Beschäftigung innerhalb dieser wie beispielsweise Gesellschaftsspiele, gemeinsames Kochen / Backen und so weiter.
Man ist inzwischen ja nicht nur selbst sehr an die Kommunikation und Recherche am Handy und PC gewöhnt, sondern eben auch alle anderen. Mit den Jahren hat sich das Verabreden und die Kommunikation verändert.
Früher zum Beispiel musste man sich an den Treffpunkt und die Zeit einfach halten, denn wenn jemand das Haus verlassen hatte, konnte man die Person eben nicht mehr kontaktieren. Heute hält man ganz grob was fest und schreibt oder telefoniert einfach noch mal. Auch das pünktlich sein wird meiner Ansicht nach nicht mehr so ernst genommen, da man ja eben schreiben kann "Ich verspäte mich um 10 Minuten.".
Einerseits natürlich sehr einfach und eine Möglichkeit, die man sich früher sicher häufiger herbei gewünscht hätte, aber obwohl die Kommunikationswege mehr werden, wird das Alleinsein auch mehr. Viele sitzen am PC oder am Handy und schreiben. Statt jemanden zum Geburtstag anzurufen oder gar vorbei zu gehen, wird eine Nachricht geschrieben. Es wird ein Videoanruf gestartet, anstatt einen Weg in Kauf zu nehmen und die Person zu besuchen.
Jetzt im Lockdown sicher für viele ein Segen. Wer alleine lebt und sich an die Vorschriften hält, werde ohne all diese Möglichkeiten sicher noch ein Stück weiter einsamer und noch mehr von der Außenwelt abgeschnitten. Aber so generell und langfristig gehöre auch ich zu den Menschen, die sich ein bisschen mehr "früher" zurückwünschen.
Ich mag es auch sehr durch Kind und Hund draußen einfach mal einen Satz oder auch ein kurzes Gespräch mit Fremden zu führen. Oftmals denke ich da noch länger dran zurück und freue mich über diese kurze Kommunikation.
Maysen hat geschrieben:Wer alleine lebt und sich an die Vorschriften hält, werde ohne all diese Möglichkeiten sicher noch ein Stück weiter einsamer und noch mehr von der Außenwelt abgeschnitten. Aber so generell und langfristig gehöre auch ich zu den Menschen, die sich ein bisschen mehr "früher" zurückwünschen.
So geht es mir inzwischen. Die endlosen Lockdowns und Kontaktbeschränkungen haben mich sehr stark in Gefühle von Einsamkeit, Isolation, Monotonie und Niedergeschlagenheit manövriert. Ehrlich gesagt fällt es mir immer schwerer, es auszuhalten. Oft liege ich nachts wach und kann kaum schlafen, weil ich das Gefühl habe, dass die Einsamkeit und Abgeschnittenheit wie eine schwere Decke auf mir lastet und mich erdrückt. Mein Herz/Kreislaufsystem rotiert im Schwerlastbetrieb, obwohl ich bewegungslos im Bett liege.
Alle meine "normalen" Bewältigungsstrategien für schwierige Zeiten fallen weg, weil sie entweder nicht möglich oder nicht erlaubt sind: Ausflüge, Kino, Restaurantbesuche, Kultur, Freunde treffen etc. - nichts davon ist möglich. Es bleibt nur endloses Zuhause sitzen und auf Bildschirme starren. Ehrlich gesagt: allmählich drehe ich am Rad.
Ich merke bei mir auch von Woche zu Woche, wie es schwieriger wird, die Situation auszuhalten. Computer und Handy sind ständiger Begleiter. Sei es für die Arbeit von zu Hause aus oder den Austausch. Habe deshalb gesorgt, dass bei Eltern und Großeltern beides läuft. Für mich wichtig, dass ich mich regelmäßig bei Ihnen melde.
@lascar das tut mir wirklich leid für dich und es ist sehr nachvollziehbar, wie du dich fühlst und dass du da auch keinen Ausweg mehr zu sehen scheinst. Das ist dann finde ich auch sehr sehr hoch anzurechnen, dass du dennoch weiter machst und nicht einfach alles über Board wirfst und rausgehst und Leute triffst.
Es ist natürlich hart, wenn man nicht mehr weiß, was man machen soll und ich finde es teilweise auch mit Handy, Computer und 2 anwesenden Kindern einfach nur langweilig und weiß nicht so richtig was ich machen soll. Ohne Technik wäre es sicherlich anders langweilig, man würde eben andere Dinge machen, die aber auch irgendwann langweilig werden. Niemand ist darauf eingestellt gewesen so lange zu Hause eine Beschäftigung finden zu müssen und da ist es auch vollkommen normal, wenn man genervt und gestresst ist und leider auch, dass das auf den Körper geht.
Man würde ohne Computer und Handy wahrscheinlich mehr lesen, mehr Spiele spielen oder was auch immer. Eine Lösung wird sich da schon finden, denn es gab ja auch eine Zeit davor und man kann ja auch immer noch Sport machen, was ja auch gut für den eigenen Körper ist und was auch sehr motivierend sein kann, wenn man da einen Unterschied erkennen kann.
Nebula hat geschrieben:Wenn es früher schon so einen Lockdown gegeben hätte, vor den ganzen technischen Erfindungen dann wäre die Mentalität der Menschen auch ganz anders gewesen. ....
Vor vielen Jahrzehnten, lange bevor das technische Zeitalter bei uns Einzug erhalten hat, gab es auch noch keine Neubaublöcke und Plattenbauten wo Leute die alleinstehend sind wenig Möglichkeiten der Unterhaltung haben, sondern es gab mehr Mehrgenerationen Haushalte ...
Na ja, sooo lange gibt es ja noch kein Internet für alle. Erst seit ca. 15 Jahren hatten zuerst einmal nur wenige Leute ein Smartphone. Erst seit wenigen Jahren ist es ein normaler Alltagsgegenstand. Und dass die Allgemeinheit das Internet benutzt, ist auch noch nicht allzu lange her. Erst in den Neunziger Jahren ging die Entwicklung sprunghaft voran.
Die Wohnsituationen und die Einbindung in Großfamilien war damals ähnlich wie heute. Das heißt, als Student hat man im Normalfall nicht zu Hause gewohnt und keine Familie um sich gehabt. Im Lockdown wäre man also in derselben Situation gewesen wie heute, nur ohne Computer und Handy.
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