Zu viel Nestwärme machen Kinder träge?
Meine Freundin hat einen Sohn der 23 Jahre alt ist und noch zu Hause wohnt und sie alles für ihn macht. Er hat auch eine Ausbildung gemacht und geht auch arbeiten, hat kaum Freunde und seine Unternehmungen halten sich auch in Grenzen. Ich finde, dass bei zu viel Nestwärme sich die Kinder nicht zu selbstständigen und sozialen Menschen entwickeln können. Findet ihr auch, dass zu viel Nestwärme von den Eltern faul und träge macht und die Kinder verhätschelt werden?
Was hat das Hintern nachtragen mit Nestwärme zu tun? Für mich rein gar nichts, da wurde es einfach nur verpasst dem Kind mal selbstständiges Arbeiten und Handeln beizubringen und klar, wenn es bequem ist bleibt der Nachwuchs dann länger im Haushalt. Oder würdest du freiwillig gehen, wenn du dich um nichts kümmern musst und dir alles zufliegt? Die meisten genießen das, nur wenige finden das alles andere als toll und würden dabei eher die Flucht ergreifen wenn sie das durchleben müssten.
Ich gehöre zur zweiten Sorte, mich würde das gewaltig nerven wenn mir jemand alles von A bis Z erledigt und nachträgt. Wurde von meinem Elternhaus nicht gemacht, da musste man Selbstständig sein wenn man etwas wollte und da das Verhältnis nie gut war, konnte es nicht schnell genug gehen mit dem Ausziehen und besser gestern als erst heute.
Auch in anderen Haushalten in meinem Umfeld war das so, dass die Nestwärme eher zu einer Flucht geführt hatte. Dort wurde aber auch nicht alles nachgetragen, sondern das Kind einfach bemuttert bis zum geht nicht mehr. Bei meiner Schwester war das nun nicht anders, sie ist die letzte die da gewohnt hat und entsprechend wurde sich daran geklammert, obwohl sie 25 Jahre alt ist! Es hat nur dafür gesorgt, dass sie binnen einer Woche ausgezogen ist und es nicht ertragen hatte die geballte Nestwärme zu kassieren, die sich vorher noch auf zwei andere Geschwister verteilt hatte.
Ich habe auch einen Sohn und trage ihm nicht alles nach. Er ist war erst 3 und wird dieses Jahr 4, aber er muss seinem Alter entsprechend mitanpacken damit es klappt. Zuhause sitzen und nichts machen kommt hie nicht vor, wer hier wohnt, der muss mit anpacken und es gibt auch mal Ärger wenn das nicht gemacht wird und zu seinen Aufgaben gehört. Da er die Konsequenzen schon kennt oder erlebt hat, passiert vieles Selbstständig und freiwillig.
Aber daran kann man soziale Dinge nicht festmachen auch ein ungeliebtes Kind kann wenig Kontakte haben und will nicht nach draußen. Mein Ex Partner war ein ungeliebtes Kind in dem Sinne, dass seine Mutter andere Dinge gemacht hat als sich um ihn zu kümmern und alles nach zu tragen. Soziale Kontakte hat er dennoch wenige und geht selten raus, einfach weil er nicht der Typ dafür ist und kein Interesse daran hat. Seine Interessen liegen woanders und da hätte auch eine liebende und Übermutter die dauerhaft um ihn geiert nichts geändert. Alles kann man nicht auf Nestwärme und Bemutterung bis ins Erwachsenenalter schieben.
Man kann doch nie genau wissen, was im Haushalt von Freunden wirklich abläuft? Ist der junge Mann wirklich verhätschelt oder hat das andere Gründe, wenn er noch zu Hause wohnt? Wenn der Junge zum Beispiel noch studiert, kann sich die Familie vielleicht gar nicht leisten, für ihn noch einen zweiten Hausstand zu zahlen, so dass er zu Hause wohnen muss? Oder er lebt in einer Region, wo erschwingliche Studentenbuden so knapp sind, dass man keine findet und man froh ist, dass man notgedrungen noch zu Hause unterkommt? Und man gibt das vielleicht nicht zu, dass man gegen den eigentlichen Plan noch bei den Eltern wohnt?
Manche Eltern können auch bei ihren erwachsenen Kindern absolut keinen Gang zurück schalten und lassen nicht zu, dass sie sich abnabeln und verbieten ihnen die Freiheiten alleine zu wohnen und Freunde zu treffen. Dann gehe ich aber davon aus, dass solche Kinder oftmals komplett anders leben, wenn sie zu Hause ausgezogen sind und Freiheit riechen. Nur weil ein junger Erwachsener sich vielleicht notgedrungen zusammennimmt, um die Eltern nicht zu verärgern heißt das nicht, dass er nicht vielleicht anders leben will oder anders leben wird.
Und Nestwärme verursacht für mich nicht automatisch Unselbstständigkeit. Man kann auch großen Familienzusammenhalt als wichtigen Wert in der Familie hoch halten und gleichzeitig darauf achten, dass die Kinder im Haushalt mit helfen, frühzeitig Verantwortung für sich selbst übernehmen so weit das in dem jeweiligen Alter sinnvoll ist und Freude daran haben, sich zu entwickeln.
Im Gegenteil, wenn Kinder zu wenig Nestwärme haben, werden sie es auch schwer haben, Selbstbewusstsein zu entwickeln. Und selbst wenn man die Kinder so auf den ersten Blick mit vielen Freiheiten erzieht, kann das dann trotzdem bewirken, dass sie sich nicht so richtig trauen, die Freiheiten zu nutzen, weil sie sich nicht genug zutrauen oder nicht wissen, wer ihnen notfalls hilft, falls doch etwas schief gehen sollte.
Ein Zuviel ist eben in der Erziehung immer schwierig. Aber das richtige Maß zu finden, ist auch nicht einfach. Es gibt halt keine Patentrezepte, weil Kinder und Familien zum Glück nicht genormt sind.
Nestwärme ist wohl das Wichtigste für Kinder, egal in welchem Alter. Ich finde auch nicht, dass man es anprangern sollte, wenn ein Kind vielleicht etwas länger braucht um alleine sein zu können. Man muss ja nicht mit Anfang der Ausbildung das Kind vor die Türe setzen, was sich finanziell auch eher schlecht machen lässt für das Kind. Man sollte immer der Rückhalt für das Kind sein, jemand mit dem es reden kann, zu dem es kommen kann, wenn es jemanden zum reden braucht.
Natürlich sollte man sein Kind immer zur Eigenständigkeit erziehen. Das hat aber nichts mit Nestwärme zu tun. Ein Kind muss gewisse Sachen lernen, damit es einen Haushalt führen kann, mit Geld umgehen kann und nicht jeden Tag wegen allem ankommt um Hilfe zu bekommen. Das gehört für mich aber in eine ganz andere Schublade. Nestwärme ist für mich geliebt werden, ein sicheres Netz sein und nicht die Angestellte des Kindes.
Wenn er eine Ausbildung absolviert hat und arbeiten geht, dann ist er doch selbstständig oder nicht? Die Mutter wird ja nicht mit auf Arbeit kommen und seine Aufgaben erledigen. Wer arbeiten gehen kann, muss zweifelsohne gewisse Kompetenzen mitbringen.
Selbstständigkeit würde ich daher nicht nur an den Tätigkeiten im Haushalt festmachen. Es gibt nun einmal Menschen, denen sind Haushaltsaufgaben wie regelmäßig putzen und kochen usw. wahnsinnig wichtig und die können sich gar nicht vorstellen, dass jemand nicht jeden Tag frisch kocht oder jede Woche die Gardinen bügelt.
Zudem ist es doch gar nicht so ungewönhlich, dass ein Mann mit 25 Jahren noch zu Hause wohnt. Eigentlich halte ich das für nahezu normal, dass junge Männer, wenn sie noch keine länger andauernde Beziehung haben, noch daheim wohnen. In ländlichen Gegenden ist das durchaus üblich.
Nun die Thematik ist ja aktueller denn je. Der Lockdown zwingt die Meisten ja nun zu mehr Nestwärme. Diese muss nicht träge machen so fern dem Nachwuchs Angebote gemacht werden. Wenn Kinder 12 Stunden am Tag vor einer Spielekonsole sitzen oder nur fernsehen, dann kann Nestwärme träge machen.
Hat man aber die Möglichkeit, jeden Tag raus zu gehen, beispielsweise in den Garten oder die Möglichkeit der individuellen Beschäftigung im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, dann sieht es schon anders aus. Häusliche Pflichten sowie Arbeiten können den Kreislauf bei Kindern ganz schön anregen.
Generell schadet Nestwärme den Kindern nie. Es ist viel schlimmer, Kinder ständig irgendwo hin abzuschieben, damit deren Eltern mehr Ruhe zu Hause haben. So bauen sich keine festen Bindungen auf, schon gar nicht, wenn man sich am Tag maximal eine Stunde zum Abendbrot sieht und dann jeder seine Koje aufsucht.
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