Findet ihr den Lockdown light auch sehr unlogisch?
Ich hatte eigentlich meinen Zeichenkurs am Starnberger See schon abgeschrieben. Ich war mir sicher, dass er abgesagt wird. Nun kam kurzfristig der Bescheid von der Volkshochschule, dass dieser doch stattfinden kann. Es fallen nur bestimmte Kurse an der VHS aus, wie etwa Gesundheitskurse, Tanzkurse und Führungen. Der Zeichenkurs findet statt, obwohl er sowohl Übernachtung als auch Verpflegung beinhaltet.
Der Lockdown im März war für mich noch nachvollziehbarer als der jetzige Lockdown light. Ich verstehe das Unverständnis mancher Künstler und mancher Museen, dass kulturmäßig gar nichts stattfinden kann, obwohl doch gerade in den meisten Museen viel Platz ist, die Führungen eh schon ausfallen, die Wege vorgeschrieben sind und Masken getragen werden müssen. Außerdem unterhält man sich im Museum eher weniger mit fremden Leuten.
Ich befürchte, dass die Menschen das alles bald nicht mehr mitmachen, wenn sie es nicht mehr logisch nachvollziehen können. Spielplätze sind zum Beispiel bei uns geöffnet und da sitzen Trauben von Eltern, aber das Spazieren gehen mit mehr als zwei Haushalten wird geahndet.
Ich finde die Kontaktbeschränkungen richtig, aber man hätte vielleicht bei den Auswüchsen anfangen sollen, also Leute, die sich an die ja bis jetzt schon geltenden Regeln nicht gehalten haben, viel strenger bestrafen sollen. Dann wäre das vielleicht alles nicht nötig gewesen.
Könnt ihr die Regeln im Lockdown light gut nachvollziehen? Was ist daran nicht so gut nachvollziehbar für euch?
Ich finde es auch eher nicht so gut. Es ist nämlich schon ein Problem, dass man offensichtlich nur an die Menschen appelliert und sonst fast alles offen und machbar lässt. Das ist nicht gut und kann nicht zum Erfolg führen. Würden die Leute nämlich wirklich das umsetzen, was gewünscht ist, hätten wir das Problem nicht in der Stärke.
Weiteres Problem sind sicherlich auch die Demos, die man immer noch erlaubt und bei denen sich tausende Menschen ohne Maske treffen. Das ist alles nicht produktiv und sicherlich möchte man die Wirtschaft schonen, aber es ist doch die Frage, ob man sich damit auch wirtschaftlich gesehen, nicht auch schadet.
Ich wäre für die knallharte Variante gewesen, damit man einfach das Ganze eindämmen kann. Natürlich ist das eine wirtschaftliche Katastrophe, aber so lange sich alle bei der Arbeit treffen, die Kinder sich in großen Klassen oder Gruppen treffen, wird man keinen Erfolg erzielen können, zumindest nicht in einem großen Ausmaß. Man muss gefühlt mehr machen.
Für mich ist bis jetzt nicht nachvollziehbar, warum man mit dem „Lockdown light“ so lange gewartet hat, obwohl die Infektionszahlen die Werte von März/April schon längst erreicht hatten, und warum man vor allem einen Stichtag eine gute Woche später für die Einführung der Regeln angesetzt und bis dahin noch fröhlich Veranstaltungen, Sportevents und private Feiern abgehalten hat. Es ist ja schließlich nicht so, dass der Virus einem eine „Gewöhnungszeit“ oder „Schonfrist“ einräumt, damit man in Ruhe noch seine Verwandtschaft und Freunde treffen und verabschieden und nochmal ordentlich auf den Putz hauen kann.
Dass die Beschränkungen trotz noch höherer Erkrankungszahlen milder als im Frühjahr sind, kann man auch diskutieren. Ich verstehe, dass man die Wirtschaft vor dem Zusammenbruch bewahren möchte, aber ich erkenne ehrlich gesagt im Alltag keinerlei Unterschied zwischen „Prä-Lockdown“ und „Lockdown light“. Die Innenstadt ist genauso rappelvoll, die Geschäfte bestens besucht, und um die Gastronomien, die auf To-Go-Betrieb umgestellt haben, scharen sich auch die Menschen. Als der erste Lockdown im März verabschiedet wurde, waren die Straßen im Vergleich wie leergefegt, und man kam sich fast wie in einer Geisterstadt vor.
Ich sage ja nicht, dass das zwingend erforderlich wäre, um wirksam das Infektionsrisiko einzudämmen, aber ich habe eben den Eindruck, dass die Bevölkerung die Maßnahmen nicht ernst nimmt, solange sie nicht ausreichend radikal sind, um tatsächlich Angst vor gravierenden Konsequenzen auszulösen. Das ist aber keine Kritik an der Politik und ihren Entscheidungen, sondern an der Gesellschaft und ihrem Umgang damit.
Gewisse Richtlinien musste es geben, um einen eigentlich bereits erwarteten exponentiellen Anstieg der Infektionen zu dämpfen. Das Problem, welches ich am Lockdown Light sehe liegt eher darin, welche Schrauben gestellt wurden, um den vermeidlichen Abfall der Infektionen einzulenken. Es wurden Einrichtungen einbezogen, die von Lockdown 1 an nicht mehr das generelle Problem waren. Was nicht bedeuten soll, dass hier keine Ansteckungen erfolgten, aber eben deutlich geringer, als es dargestellt wurde.
Gemeint sind Gastronomie-Betriebe, wo der Abstand möglich war, wo teilweise aufgerüstet wurde, nachvollziehbare Gästelisten etc. gegeben sind. Gemeint sind Fitness-Studios, wo Abstand, weniger Leute etc. eingehalten wurde. All das, wo sich die Leute sehr wohl auf die jeweiligen Richtlinien zum Infektionsschutz eingestellt hatten, teilweise investiert haben und den Schutz gewährleisten konnten, wurde wieder ab November geschlossen.
Doch private Feiern, wo sich heute Person A innerhalb eines Tages in ihrem Haushalt mit Person B, später C, D, E und F trifft. B,C,D und E noch über den Tag hinaus mit anderen Leuten verteilt getroffen haben sowie wieder irgendwann hier und dort zusammen treffen, da wurde nie was gemacht. Das wäre ja auch ein zu krasser Einschnitt, nicht wahr? Doch genau da liegt die größte Ansteckung seit Wochen, und zwar auf privaten Feierlichkeiten, im eigenen Haushalt etc.
Deswegen kann ich diesen Lockdown Light nur bedingt nachvollziehen, weil falsch justiert wurde. Es muss anderswo eingegriffen werden und ich war von Beginn an nicht großartig optimistisch, dass sich die Zahlen runter bewegen werden. Sie sind immer noch und das nahezu täglich, weil man eben genau nicht dort eingegriffen hat, wo man es hätte tun sollen.
Das Problem ist doch das selbe wie im Frühjahr. Man kann nicht ausreichend kontrollieren, ob die Verbote auch eingehalten werden. Nur wenn das flächendeckend möglich wäre, könnte man mit geringer werdenden Infektionszahlen kalkulieren. So wie es aktuell läuft, war mir klar, dass sie trotzdem steigen werden.
Dazu kommen die weiterhin geöffneten Kindertagesstätten und Schulen. Ich hatte neulich eine neue Schulstudie aus Bayern gelesen, welche nachgewiesen hatte, dass etwa 60% aller Schüler infiziert waren ohne dass sie Symptome hatten. Trotzdem können sie andere Menschen auch anstecken. Und was nutzen in den Schulen Maske und Abstände, wenn die Kinder in den Schulbussen zusammengedrängt unterwegs sind?
Was die Demonstrationen angeht, so liegt doch das Übel bei den Gerichten, die ohne an die Folgen zu denken, so was dann doch erlauben. Hatte man doch in Leipzig gesehen. Die Stadt hatte das Geschehen aus dem Zentrum verbannt, weil ihnen bewusst war, dass zu viele Teilnehmer anreisen würden, um noch die Abstände einhalten zu können. Das Gericht entschied anders und die Stadt sollte mit ihren Prognosen doch recht behalten.
Außerdem kommt noch die Unvernunft von vielen Leuten dazu. Das erlebe ich täglich selbst, denn etwa 10% meiner Kunden muss ich immer wieder auf die Maskenpflicht hinweisen. Wir hatten vorgestern eine größere Evakuierung wegen einer Entschärfung eines Bombenfragments und dabei fiel auch eine Person auf, welche hätte zu Hause sein müssen. Diese Person steht aktuell wegen Corona unter Quarantäne und war nirgends zu finden. Auch das zeigt, dass es wesentlich mehr Kontrollen geben müsste.
In Österreich hatten wir dasselbe Problem. Hier wurde heute bekannt gegeben, dass wir ab Dienstag einen harten Lockdown haben werden. Es war irgendwie unklar, was man darf und was nicht, wohin man darf, mit wem man sich treffen darf und so weiter. Die Zahlen sind trotz diesem leichten Lockdown wie wahnsinnig in die Höhe geschossen und ich glaube es wäre besser gewesen, sie hätten gleich einen harten Lockdown beschlossen. Die Regierung wollte das unbedingt vermeiden und jetzt hat Österreich derzeit die höchste Rate an bekannten Covid-Neuinfektionen weltweit. War wohl kein so guter Plan.
Mir stellt sich jedoch die Frage, was ein harter Lockdown bringen würde? Die Leute werden ja jetzt schon unruhig. Versuche die Leute jetzt mal zwei bis vier Wochen in ihren Wohnungen einzusperren. Das wäre wahrscheinlich noch im März gegangen, aber mittlerweile denke ich, würde das nicht mehr funktionieren. Ich denke da nicht nur an Corona, sondern auch an andere Erkrankungen, insbesondere psychische Probleme oder an häusliche Gewalt.
Ich finde vieles unlogisch, aber ich denke, dass unsere Politiker einiges tun, damit unsere Freiheiten soweit wie möglich erhalten bleiben. Jedoch will ich gar nicht wissen, was bei einem wochenlangen harten Lockdown passieren würde. Die Wirtschaft reißt es ja bereits gnadenlos in ein Loch, viele Existenzen stehen auf dem Spiel.
Ich kenne mich ja zum Beispiel. Ich leide unter depressiven Phasen. Im März wurde ich ins Home Office gesetzt, es wurde mir eingetrichtert, dass ich zu meinem Schutz das Haus nicht verlassen sollte. Ende März war ich kurz davor vom Balkon zu hüpfen, da hat ein mir bekannter Arzt eingegriffen und sich sehr lange mit mir unterhalten und dafür gesorgt, dass diese blöden Anweisungen das Haus nicht mehr zu verlassen, bei mir nicht mehr greifen.
Danach bin ich Laufen gegangen, habe mich wieder rausgetraut und es ging mir wieder besser. Und jetzt stellt euch mal vor, wir würden auf staatlicher Anordnung "eingesperrt". Ich denke, dass da Einiges eskalieren würde, dass neben Corona noch weitere Menschenleben durch Suizide oder häusliche Gewalt gefordert würden. Dazu sind viele Mechanismen einfach aktuell viel zu schwach.
Mir stellt sich halt die Frage, ob ein vollständiger harter Lockdown die Zahlen auch senken würde? Aktuell strömen ja eigentlich die Erkrankten in die Krankenhäuser, die sich potentiell vor dem Lockdown light infiziert haben könnten. Das würde bedeuten, dass spätestens am Dienstag, also am 15ten Tag des Lockdowns light erst betrachtet werden kann, ob es überhaupt zur Senkung kommt. Das Virus bringt leider erst zwischen dem 5ten und 14ten (teilweise sogar erst 21ten) Tag Symptome mit sich und wird oftmals erst dann bemerkt, so mein aktueller Stand.
Die Unvernunft der Menschen oder wie man es bezeichnen mag, ist ein weiteres Problem. Ich kann mir vorstellen, dass es vielen Menschen auch egal wird. Viele verlieren ihre Existenzen, können ihre Familien nicht ernähren. Viele können ihre Familien nicht mehr sehen, viele erleiden herbe Verluste. Ich habe es mittlerweile schon von vielen älteren Menschen gehört, dass sie sich lieber infizieren wollen, als komplett isoliert in ihrem Zimmer im Altenheim existieren zu wollen.
Glücklicherweise steht ja anscheinend ein Impfstoff in den Startlöchern. Ich als Risikopatientin werde ihn mir zwar nicht sofort injizieren lassen, aber er würde die Situation zunehmend entlasten. Und dann könnte der Lockdown light auch wieder schnell aufgehoben werden, wobei ich hoffentlich nicht von einer Impfpflicht ausgehen will.
Aber es ist wahrscheinlich wie bei anderen Impfungen ebenfalls: wenn diejenigen, die mit der Impfung keine Probleme haben werden sich impfen lassen, so schützen sie diejenigen, bei denen Probleme auftreten könnten gleich mit. Und darauf hoffe ich ehrlich gesagt und wir müssen momentan darauf bauen, dass die Unvernunft nicht mehr weiter ansteigt, um uns und alle Anderen zu schützen. Aber vergesst niemals: Jeder Mensch hat am Ende nur ein Leben.
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