Sich beim Essen nicht austauschen wollen ein No Go?
Neulich hat mir ein Familienvater erzählt, dass er es total schlimm findet, dass sich in seiner Familie beim Essen jeder für sich irgendwohin zurückzieht und es keinen Austausch gibt. Ihm sei es sehr wichtig, dass alle gemeinsam essen und man dabei auch über aktuelle Themen redet, aber die Mutter würde das nicht als wichtig empfinden und so isst die Mutter dann meistens mit einem der Kinder vorm Fernseher, das andere Kind isst nebenbei beim PC-Spielen und er isst alleine. Das klingt erstmal schlimm, aber ich habe das dann für mich mal so reflektiert.
Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich das als Jugendliche auch so gemacht. Ich habe vorm Fernseher gegessen und meine Eltern haben zusammen gegessen, meist schon vor mir, da ich entweder was anderes gegessen habe als sie oder weil ich eben erst später von der Schule heim kam. Auch heute esse ich am liebsten vorm Fernseher oder nebenbei am PC. Wenn ich meinen Eltern besuche, dann lese ich nebenbei Zeitung. Mich stören Gespräche dabei eher, weil ich mich dann abgelenkt fühle. Zudem kann ich mir gut vorstellen, dass der Vater in dem Beispiel beim Essen die Kinder gern über ihren Tag oder die Schule ausfragen will und das habe ich als Kind total gehasst solche Fragen, die hätten mir den Appetit verdorben.
Mir ist das gemeinsame Essen also nicht wichtig. Ich denke, dass ist eine Wertvorstellung, die manche haben, die aber nun nicht unbedingt essenziell wichtig ist. Man kann auch Familienleben ohne ein gemeinsames Essen haben Ich habe versucht, dem Vater zu erklären, dass er der Frau (also der Mutter der Kinder) seine Wertvorstellung nicht aufdrücken darf. Wenn sie nicht gemeinsam essen will, dann soll er nicht jedes Mal Streit deswegen anfangen, sondern es hinnehmen. So richtig sollte er das aber nicht annehmen.
Welche Bedeutung hat ein gemeinsames Essen für euch? Ist es ein No Go, wenn die Familie nicht zusammen isst oder seid ihr da auch liberaler? Woher mag die Meinung kommen, dass man nun unbedingt gemeinsam essen will, sodass man Streit deswegen anfängt, wenn einige Familienmitglieder das nicht möchten?
Aus meiner Kindheit kenne ich es auch noch so, dass die ganze Familie beim Essen zusammensaß. Aber als Jugendlicher ging ich dann auch meine eigenen Wege und aß meistens in meinem Zimmer. Das hatte auch stark mit den Manieren meiner Familie zu tun, die ich plötzlich nicht mehr ertrug.
Ansonsten ist gemeinsam beim Essen zusammenzusitzen sicherlich eine nette Sitte. Dafür müssen sich die Menschen aber auch benehmen können, denn Essgeräusche anderer Menschen finde ich zum Beispiel absolut unerträglich. Auch sich dabei zu unterhalten finde ich furchtbar. Ich finde man redet nicht, wenn man isst.
Ich hatte mal eine Partnerin, die der Meinung war, Unterhaltung gehöre zur gemeinsamen Mahlzeit. Das ging mir furchtbar auf den Keks vollgequatscht zu werden, während ich esse und sie war immer stinkig, weil ich nur ein Grunzen oder Nicken von mir gab. Dauernd muss man irgendwelche Fragen beantworten, obwohl man den Mund halbvoll hat und gerade am Kauen ist. Wie soll das denn gehen?! Das ist doch widerlich. Das passt für mich nicht zusammen, entweder ich esse, oder ich unterhalte mich.
Ich glaube, das ist total abhängig von der Erziehung und Sozialisation, die man genossen hat. In meiner Familie war das gemeinsame Abendessen an einem Tisch mit allen Familienmitgliedern Pflicht und fast schon „heilig“, da mein Vater ganztags gearbeitet hat und nur abends die Familie zusammenkam und wirklich Gelegenheit zu einem entspannten Gespräch und Geselligkeit hatte. Entsprechend gab es die größte und aufwändigste Mahlzeit des Tages dann eben auch am Abend anstatt zum Mittag. Es wäre undenkbar gewesen, dass ich mich mit meinem Teller aufs Zimmer oder gar vor den PC verzogen hätte, und ich hatte auch nie das Bedürfnis danach. Mir war das familiäre Zusammensein nämlich auch wichtig, und ich kannte es sowieso nie anders.
Daher gehöre auch ich zu den Menschen, die es teilweise schockierend finden und als „schlechte Erziehung“ auffassen, wenn Jugendliche in anderen Familien essen, wann und wo es ihnen passt, und sich gänzlich dem Familienrhythmus entziehen. Mir ist aber klar, dass das vorschnell geurteilt ist und nicht unbedingt die realen Familienverhältnisse abbilden muss, und dass es manchen Eltern vielleicht weniger wichtig ist als andere feste Familientraditionen, dass man gemeinsam isst.
Bei uns war das gemeinsame Sonntagmittagessen immer "heilig", weil es unter der Woche fast nicht zu schaffen war, die ganze Sippe an einen Tisch zu bekommen. Und selbst in schlimmsten Pubertätszeiten fand ich es immer noch ganz schön, wenigstens einmal in der Woche mit meinen Eltern und Schwestern zusammen eine warme Mahlzeit einzunehmen und mich ein bisschen zu unterhalten. Es kommt eben darauf an, was für ein "Familienbild" existiert.
Für manche Leute ist die Vorstellung von einer "Familie", sobald niemand mehr gestillt werden muss, mehr die einer WG. Die einzelnen Mitglieder leben so nebeneinander her, keine/r interessiert sich wirklich noch groß für den Rest und die Eltern schaffen die Kohle ran und den gröbsten Dreck weg. Wenn das als "Familienleben" reicht, dann ist es auch völlig sinnlos, so etwas wie Gemeinschaft beim Essen oder sonst wo leben oder erleben zu wollen. Leben findet ja meistens im Kleinen statt, in den alltäglichen Gesten, und gemeinsam zu essen spielt ja auch bei Feiern und Traditionen eine wichtige Rolle.
Mir selber wäre es auch zu trist und zu deprimierend, in einer verkorksten WG zu leben, wo sich keiner für den anderen interessiert und dann so zu tun, als sei es eine Familie. Wenn man schon nicht wenigstens hin und wieder gemeinsam isst, sollten wenigstens andere gemeinsame Rituale stattfinden. Sonst hast du eben eine Zweckgemeinschaft aus Brötchenverdiener, Putzfrau, Störfaktor 1 und Pubertier 2. Super.
Ich finde es an sich nun nicht so verwerflich, wenn man nun nicht immer zusammen an einem Tisch sitzen will und reden will. Allerdings finde ich es auch schön, wenn man einfach mal darüber redet, wie der Tag war und was man vielleicht auch für Probleme hat. Ich bin schon der Meinung, dass das auch bei Teenagern wichtig ist um einfach dran zu bleiben und zu wissen, was die gerade bewegt und sicherlich haben die da auch wenig Bock drauf, aber ein Mal am Tag dürfte man sich auch dazu bequemen können.
Ich finde als Familie sollte man zumindest ein Mindestmaß Zusammenhalt haben, Austausch und wenn dieser am Tisch stattfindet ist das auch okay. Wenn man den ganzen Tag sonst nicht da ist, hat man ja auch nur wenig Gelegenheiten, bei denen man das machen kann und da ist das Gespräch am Tisch natürlich praktisch.
Ich kenne es schon so, dass man zumindest ein Mal am Tag zusammen am Tisch isst und das habe ich auch in meiner Kindheit so gemacht, selbst als Teenager. Von meiner Familie möchte ich das auch so und die wollen das auch so. Wenn die das als Teenager anders mögen sollten, dann werde ich mich dennoch durchsetzen und darauf setzten, dass wir wenigstens eine Mahlzeit zusammen einnehmen. Man lebt ja sonst nur nebeneinander vorbei.
Bei den meisten Familien dürften regelmäßige gemeinsame Mahlzeiten ja eher schwierig werden, vor allem bei mehreren Kindern und wenn beide Eltern berufstätig sind. Da kommt es ja ohnehin automatisch vor, dass nicht immer alle gemeinsam an einem Tisch sitzen und gemeinsam essen. Das lässt sich ja einfach kaum bewerkstelligen. Dass man immer gemeinsam essen muss, halte ich daher auch eher für eine veraltete Regel. In vielen Familien ist das schlicht und einfach nicht möglich.
Natürlich ist es schön, wenn man als Familie gemeinsam essen kann, aber normal ist das auch nicht immer. Von daher sehe ich das generell nicht so eng. Als Kind habe ich auch meistens nur mit meiner Mutter gemeinsam gegessen, da mein Vater arbeiten war. Als er von der Arbeit kam, wollte er immer direkt essen. Für mich hingegen war es zu früh zum Abendessen. Von daher hat sich das eben nicht bewerkstelligen lassen. Und wenn wir doch gemeinsam gegessen haben, wie etwa am Wochenende, haben meinen Vater Gespräche am Tisch extrem gestört. Er wollte am liebsten einfach seine Ruhe haben. Von daher kenne ich es von meinem Elternhaus nicht so, dass man sich beim Essen intensiv über den Tag austauscht.
Ganz so drastisch würde ich es sicher nie handhaben, wenn ich selbst mal Kinder haben sollte. Aber es muss ja auch nicht zwangsläufig das gemeinsame Essen sein, bei dem man sich über den Tag austauscht. Vor allem dann, wenn die Kinder viel und ausschweifend reden, kommt das Essen ja unter Umständen auch zu kurz und wird kalt. Solche Gespräche kann man ja zu jedem anderen Zeitpunkt auch nachholen.
Das ging bei meinen Eltern und mir früher nur selten, dass wir alle gemeinsam essen konnten. In den ersten Jahren war meine Mutter mit meist allein, da mein Vater immer Schichtarbeiter war. Später ging auch meine Mutter in den Schichtdienst, so dass ich da essen konnte, wo ich wollte. Sprich es hat mir niemand vorgeschrieben, ob ich am Tisch sitze oder dabei auf dem Sofa liege.
Gemeinsame Essen gab es halt nur, wenn beide Eltern zu Hause waren und das war selten genug. Heute ist es oftmals so, dass meine Tochter am Tisch sitzt und isst, während ich auf dem Sofa sitze. Ich warte mit dem Abendessen auf meinen Mann, wenn das zeitlich machbar ist. Aber meine Tochter hat eben dabei auch den Austausch und kann Dinge erzählen, die ihr wichtig sind.
Die Essenszeit ist eine der wenigen Momente in denen wirklich alle da sind und mal ein paar Minuten gemeinschaftlich verbringen. So kenne ich das auch schon seit meiner Kindheit. Einer deckt den Tisch, Mutter oder Vater haben gekocht und das andere Kind räumt ab. Außerdem war es auch üblich, dass es weder Zeitung noch Zeitschrift am Tisch gab und auch kein Fernseher lief. Heutzutage betrifft das auch das Handy und andere elektronische Geräte.
Zumindest warme Speisen werden bei uns am Esstisch gegessen und nicht im Kinderzimmer oder am Schreibtisch. Sollte mal einer keinen Hunger haben kommt es schon vor, dass mal einer nicht mit am Tisch sitzt, aber in der Regel ist das bei uns schon üblich, dass wir gemeinschaftlich essen - am Abend, mittags ist bei uns niemand zu Hause.
Es verlangt bei uns auch niemand, dass ununterbrochen geredet und alle Fragen beantwortet werden müssen - schon gar nicht mit vollem Mund -, aber in der Regel genießen wir auch schweigend und essend die gemeinsame Zeit einfach und bleiben auch noch ein paar Minuten sitzen nachdem wir mit dem Essen fertig sind. In der Zeit danach wird dann noch ein bisschen gequatscht.
Nach dem Essen geht dann sowieso wieder jeder seiner Wege. Unserer Tochter verschwindet in ihrem Zimmer und ist bis zum nächsten Tag kaum bis gar nicht mehr zu sehen und auch mein Partner setzt sich dann meist an den PC.
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