Lügen, wenn Partner nach erstem Eindruck von damals fragt?

Nicht jede Beziehung entsteht durch Liebe auf den ersten Blick und bzw. Sympathie ab dem ersten Moment. Wichtig ist im Endeffekt doch, was daraus entstanden ist und wie man im Hier und Jetzt fühlt. Ich bin deswegen auch der Meinung, dass man da ruhig ehrlich antworten kann und zugeben, wenn der "Funke" nicht sofort übergesprungen ist. Nur auch hier gilt, in wie so vielen Fällen, dass der Ton die Musik macht.

Wie schon gesagt wurde, man muss ja nicht mit so Sprüchen kommen wie: "Eigentlich hab ich mir gedacht, dass ist vielleicht eine unterbelichtete Tussi oder ein Vollpfosten". Man kann ja dann so etwas sagen wie: "Anfangs dachte ich nicht, dass wir auf einer Wellenlänge liegen". Oder: "Optisch warst du jetzt auf den ersten Blick nicht unbedingt mein Beuteschema, aber als ich dich dann näher kennen gelernt habe, war das für mich gar nicht mehr entscheidend".

Mein Partner hat sich auf seinen Fotos auch optisch besonders von seiner Schokoladenseite fotografiert bzw. vielleicht sogar ein wenig Korrekturen vorgenommen. Als ich ihn dann das erste Mal in "natura" gesehen habe, da war ich auch etwas verwundert, vielleicht sogar ein bisschen enttäuscht. Wir haben uns dann aber trotzdem mehrfach getroffen und haben uns einfach so gut verstanden, dass die Optik wirklich weit in den Hintergrund gerückt ist bzw. er in meinen Augen an Schönheit gewonnen hat und ich Dinge an ihm entdeckt habe, die mir im ersten Moment eben nicht aufgefallen sind.

In dem Fall wäre ich auch nicht ehrlich. Ich fand nahezu alle meiner Partner am Anfang nicht attraktiv genug oder nicht so toll, dass ich nun unbedingt eine Beziehung mit ihnen wollte. Das kam immer erst nach einiger Zeit. Wenn der andere aber davon schwärmt, dass er einen von Anfang an toll fand, dann erscheint es mir schon verletzend, da zu ehrlich zu sein. Ist doch egal, ob man da lügt, man kann doch dem Partner da mal einen Gefallen tun und das ganze etwas schöner darstellen als es war.

So ganz Schwarz-Weiß oder einfach sehe ich das mit der unbedingten Ehrlichkeit auch nicht. Nicht jeder möchte in diesem Punkt die absolute Wahrheit hören oder verkraftet sie. Einmal hatte ich auch eine Verabredung mit jemandem, den ich online kennengelernt hatte. Zu diesem Zeitpunkt stand mein gefühltes Bild von ihm als Charakter schon relativ zementiert fest. Als ich ihn aber dann in Natura gesehen habe, hat es regelrecht "Puff" gemacht, weil ich auf den ersten Blick einen komplett anderen Eindruck hatte. Und der war alles andere als positiv, um nicht zu sagen, war es dem, was ich mir vorgestellt hatte fast schon diametral gegensätzlich angelegt.

So war online mein Eindruck der, von jemandem, der in sich ruht, gelassen, cool ist und für gewisse Werte, sowohl menschlich als auch politisch einsteht. Im echten Leben war mein erstes Bild aber mehr von negativen Charakterzügen und Eigenschaften und einem ganz anderen Typ Mann bestimmt. Wer möchte denn schon hören, dass der andere erstmal einen Schreck bekommen hat und sein Gegenüber als starr, verknöchert, wenig gelassen, steif und verurteilend wahrgenommen hat? Nicht der Typ cooler, linker Hausbesetzer, sondern eher rigider Büromensch mit zwanghaften Anwandlungen.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser Mann das in seiner Reinform und Ausprägung gar nicht gerne gehört hätte. Der Eindruck hat sich mit der Zeit relativiert, aber ich habe im Nachhinein für mich gelernt, dass viele Sachen, die man schnell an einem anderen wittert nicht automatisch ein falsches Bild ergeben. So kann ich eigentlich für mich über die Männer, mit denen ich zusammen war bzw. über den, mit dem ich es bin, sagen, dass ich sonst von keinem einen ansatzweise schlechten Eindruck hatte, im Gegenteil.