Sich von Bildung immer gute Zukunft erhoffen?

vom 28.12.2017, 13:38 Uhr

Neulich habe ich im Fernsehen einen Beitrag von einem Mädel gesehen, welches sich aus einer sehr armen Familie hocharbeiten wollte. Sie wollte ihren Schulabschluss machen und studieren gehen oder wenigstens eine gute Ausbildung machen. Die meisten Familienmitglieder waren arbeitslos und lebten auf der Straße oder teilweise in einem Auto.

Nun habe ich mich gefragt, ob man das so pauschalisieren kann. Gerade in Deutschland ist Bildung nicht immer ein Garant für eine gute Zukunft. Viele Studiengänge sind einfach überlaufen, so dass man am Ende trotz eines guten Abschlusses keinen Job findet. Man muss sich also frühzeitig über die Chancen auf dem Arbeitsmarkt informieren und kann nicht einfach drauf los studieren. Leider tun dies aber dennoch viele, da sie glauben sie werden in einem Fach das sie interessiert schon gut genug sein, so dass sie später Jobchancen haben.

Wie seht ihr das? Ist gute Bildung immer gleich ein Garant für eine gute Zukunft oder seht ihr das auch etwas skeptischer? Glauben viele Menschen sie würden wegen einem guten Abschluss auch gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, obwohl es eigentlich gar nicht so ist?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich glaube, dass man das als junger Mensch, wenn man sich für ein Studium entscheidet, gar nicht weiß. Ich erinnere mich beispielsweise daran, dass wir in der 11. Klasse mal bei so einem Berufstag beim Arbeitsamt waren und da gab es Infohefter zu vielen Studienrichtungen und dem, was man da später macht. Und es stand bei allen Fächern nahezu das gleiche Gehalt drin und es wurde auch nirgends darauf hingewiesen, dass die Arbeitsmarktsituation in manchen Fällen schwer ist. Woher soll man es also wissen?

Bekannte von mir, die Soziologie, Germanistik oder andere Sprachen studiert haben, mussten nach ihrem Abschluss, weil sie nichts gefunden haben, eine Lehre machen. Zwei davon sind nun Bürokauffrau, was der Dritte macht, weiß ich nicht genau. Das ist doch echt schade, die haben sich jahrelang im Studium bemüht und dann war es umsonst.

Fast hätte ich mich auch für ein Fach entschieden, was beim Einstieg auf den Arbeitsmarkt oft Probleme verursacht, aber ich habe dann doch etwas Gefragteres studiert. Es war aber dennoch nicht so leicht, eine Stelle nach dem Studium zu finden und mein erster Job nach dem Studium war Vollzeit, brachte mir aber nur 1900 Euro brutto. Das muss man sich mal überlegen, ich hatte fünf Jahre studiert und hab dann nur 1900 brutto (rund 1200 netto) bekommen, als Akademiker mit einer der besten Abschlussnoten meines Jahrgangs! Da war ich mega enttäuscht. Da hatte ja selbst mancher Hauptschulabsolvent nach einer Handwerkerlehre mehr bekommen. Da wurde mir immer versprochen, dass ich eine Lohnerhöhung bekomme, die kam aber nie.

Später hatte ich deutlich besser bezahlte Jobs und ich habe jetzt eine 25 Stunden Stelle, bei der ich mehr brutto habe als damals bei der Vollzeitstelle, dazu noch Nebenjobs und ich bin noch selbstständig. Das alles in Kombination zahlt sich ganz gut aus. Aber wenn ich nicht nebenbei selbstständig wäre, sondern nur eine einzige Stelle hätte, das was man aufgrund meines Studiums eben so machen kann, dann wäre das schon vom Lohn her nicht wahnsinnig viel; mehr als damals, aber auch nicht gerade zum reich werden. Und das, was ich nebenbei selbstständig mache, da kommt es zwar ganz gut, dass ich einen akademischen Titel habe (oder zwei), aber das hätte ich auch ohne Studium machen können.

Ich frage mich daher schon, welches Studium sich wirklich lohnt. Ich kenne beispielsweise auch Ärzte, die gar nicht so viel verdienen und die mussten ja nicht nur Medizin studieren, sondern auch noch die Facharztausbildung machen und gehen dann, angestellt in ner Klinik, mit 2500 nach Hause. Klar, die müssen nicht verhungern, aber ist das genug für eine so lange Ausbildungszeit?

Oder ein anderes Beispiel: Bekannte von mir ist Psychotherapeutin, die hat also nicht nur Psychologie studiert, sondern für die Approbation noch eine Therapieausbildung gemacht, die fünf Jahre dauert und Geld kostet. Sie ist angestellt in einer Praxis und bekommt als Honorarkraft dort 3500 Euro. Davon muss sie sich selbst kranken- und rentenversichern und das natürlich noch versteuern. Da bleiben dann vielleicht knapp 2000 Euro übrig - für 10 Jahre Ausbildung. Das lohnt sich nicht.

Ich finde schon, dass ein Studium leider keine Garantie für ein gutes Einkommen ist. Es geht einem zwar besser als Leuten, die beispielsweise hart körperlich arbeiten müssen, meistens hat man im Job auch mehr Freiheiten, aber 2000 Euro netto kannst du auch als Handwerker mit Hauptschulabschluss haben. Und wenn man dann deswegen studiert hat, um viel Geld zu verdienen, ist man enttäuscht.

Das ist auch einer der Gründe, warum ich im Job immer tendenziell etwas unmotiviert bin. Weil ich da ein Problem habe, mich nicht genug entlohnt fühle. Und selbst wenn man sich engagiert und mehr macht, da bekommt man vielleicht mal 50 Euro Bonus, aber was ist das schon? Da bin ich generell etwas von den Möglichkeiten des Erwerbslebens enttäuscht und hätte mir die Welt der Akademiker anders vorgestellt. Ich dachte immer, es lohnt sich zu studieren und mit einem guten Abschluss würde einem die Welt offen stehen. Das wird einem nämlich immer im Studium von den Professoren erzählt. Ist aber leider nicht wahr.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich finde nicht, dass die gute Bildung alles im Leben ist. So kommt es eben auch sehr darauf an, wie viel Glück man im Leben hat und ob man die richtigen Leute trifft. Ich kenne zum Beispiel eine Soziologin, die einen sehr guten Job gefunden hat nach dem Studium und als Einstiegsgehalt direkt 3600 Brutto bekommen hat. Lohnt sich das deiner Ansicht nach mehr, Zitronengras?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich sehe es ähnlich wie mit der Gesundheit, wie das Sprichwort schon besagt: Bildung ist nicht alles, aber ohne Bildung ist alles nichts. :wink: "Bildung" fängt meiner Meinung nämlich nicht erst beim Master-Studiengang an, sondern für viele Leute ist ein ganz normaler Realschulabschluss mit Lehre das Sprungbrett zu einem besseren Leben. Und für mich hört es sich jetzt nicht danach an, als wollte das beschriebene Mädel sich unbedingt mit einem Uni-Abschluss in Ausdruckstanz, Nebenfach Landesgeschichte Schwabens aus der Armut und Perspektivlosigkeit befreien.

Von daher würde ich sagen, dass Bildung natürlich eine Voraussetzung für eine gute Zukunft darstellt, nur eben nicht die einzige, und selbstverständlich kommt es darauf an, wie man Bildung und "gute Zukunft" definiert. Und ich finde auch nicht, dass Bildung jemals verschwendet oder "umsonst" ist, aber das mag damit zusammenhängen, dass ich auch an der Uni studiert habe und jetzt einen Job mache, den man auch mit einer Lehre problemlos schafft. Ich werde schon meine Gründe dafür haben.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Sich zu bilden kann nicht schaden und den Willen es anders machen zu wollen als die Eltern, die im Leben versagt haben, ist doch auch ein vernünftiger Gedanke. Ich kann nicht verstehen, wie man nun auf die Idee kommt das Ganze zu kritisieren. Selbst wenn man wenig verdient, weil man sich für das falsche Studium oder die falsche Ausbildung entschieden hat, hat man mit Bildung und Abschlüssen doch immer eine bessere Chance als ohne und das darf man ja mal nicht vergessen, dass es in dem Beispiel einfach nur darum geht nicht Hartz 4 zu bekommen und auf der Straße zu landen und Abschlüsse bringen natürlich zwangsläufig Geld ein, weil man mit Bildung schon auch eine Berechtigung dazu hat eine Arbeit zu bekommen und zu finden.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


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